Verlieren EU und Deutschland im Kampf gegen Biodiversitätsverlust? Bericht verdeutlicht: Politische Versprechen allein reichen nicht – Handlungszeitraum schrumpft rapide
Ein neuer Bericht vom NABU-Dachverband BirdLife Europe & Central Asia zeigt, dass die Europäische Union auf direktem Kurs ist, ihre Biodiversitätsziele für 2030 zu verfehlen. Der fortschreitende Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen nimmt nicht nur ungebremst zu, sondern beschleunigt sich sogar, während dringend benötigte Maßnahmen weiterhin ausbleiben.
Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030, ein zentraler Baustein des Green Deals, soll den Biodiversitätsverlust stoppen und Europas Ökosysteme bis 2030 auf einen Weg der Erholung bringen. “Doch der Handlungszeitraum schrumpft, und ohne entschlossene Maßnahmen droht nicht nur das Scheitern dieser Strategie, sondern auch ein schwerer Rückschlag für die politische Handlungsfähigkeit der EU bei der Bewältigung der globalen Naturkrise,” warnt Johann Rathke, Teamleiter Biodiversitätspolitik beim NABU.
Rathke fasst die Schlüsselherausforderungen aus Sicht des NABU zusammen:
Beschleunigter Rückgang der Biodiversität: Der Bericht stellt fest, dass die derzeitigen Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten unzureichend sind, um den alarmierenden Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt zu stoppen. Insbesondere Schutzgebieten mangelt es an effektiver Durchsetzung und ausreichenden Ressourcen.
Defizite beim Flächenschutz: Der Bericht von BirdLife stimmt mit den Ergebnissen einer jüngst veröffentlichten Studie des NABU zu Schutzgebieten für Deutschland überein. Diese belegt, dass die organisatorischen Voraussetzungen nicht ausreichen, damit Schutzgebiete in Deutschland ihren originären Zweck erfüllen. Mängel bei klaren Zielsetzungen, rechtlicher Sicherung, konkreten Maßnahmenplänen und effektivem Monitoring untergraben den Schutzstatus der Gebiete.
Bedrohte marine Ökosysteme: 93 Prozent der europäischen Meere sind wirtschaftlich genutzt, verschmutzt und überfischt. Und auch in Deutschlands Meeresschutzgebieten wird mit Grundschleppnetzen gefischt, sterben Seevögel und Schweinswale in Stellnetzen, werden Pipelines gebaut – keine Spur vom strengen Schutz, echten Refugien für die Natur. Diese Defizite gefährden das Überleben mariner Ökosysteme.
Finanzierungslücke als zentrales Hindernis: Trotz der Zusage, jährlich 20 Milliarden Euro für Naturschutz und Wiederherstellung bereitzustellen, bleibt die Finanzierung weit hinter den Erfordernissen zurück. Die Forderungen von BirdLife Europe nach einem neuen Finanzierungsmechanismus wie etwa einem eigenständigen EU-Renaturierungsfonds im nächsten EU-Langzeithaushalt sowie den Abbau umweltschädlicher Subventionen unterstreicht der NABU.
Dringender Reformbedarf in der Landwirtschaft: Die Landwirtschaft bleibt ein Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts in Europa. Ohne eine grundlegende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die nachhaltige Praktiken und den Schutz von Ökosystemen priorisiert, wird die EU ihre Biodiversitätsziele nicht erreichen können. Hier pocht der NABU auf die Umsetzung der von BirdLife Europe gemeinsam mit Europäischen Bauernverbänden erarbeiteten Empfehlungen des Strategiedialogs Landwirtschaft, einschließlich einer Umschichtung der Direktzahlungen in zielgerichtete Ökosystemleistungen.
Besondere Verantwortung Deutschlands: Als bevölkerungsreichstes EU-Mitgliedsstaat und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt Deutschland eine Schlüsselrolle in der Biodiversitätspolitik. Die Erarbeitung eines nationalen Wiederherstellungsplans sowie eine führende Rolle bei der Umsetzung des EU-Naturwiederherstellungsgesetzes sind essenziell.
„Die EU und ihre Mitgliedstaaten stehen an einem Wendepunkt. Entschlossenes Handeln ist jetzt erforderlich, um unsere Ökosysteme und damit unsere eigene Zukunft zu sichern,“ so Johann Rathke.
Hintergrund: Die Fortschritte der 2020 ins Leben gerufenen EU-Biodiversitätsstrategie bleiben trotz einiger Erfolge, wie dem bahnbrechenden EU-Naturwiederherstellungsgesetz, insgesamt unzureichend. Der Bericht von BirdLife analysiert detailliert die bisher unternommenen Schritte sowie die Defizite bei der Umsetzung der Strategie.
Pressemitteilung NABU