Gesetzlich verbriefter Vogelschutz seit vier Jahrzehnten: Am 2. April wird die EU-Vogelschutzrichtlinie 40 Jahre alt. Der nabu zieht eine gemischte Bilanz und fordert mehr Anstrengungen, damit Europas Vögel wirksamer geschützt werden.
Die EU-Vogelschutzrichtlinie wurde 1979 von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedet. „Seitdem ist sie die wichtigste Grundlage für den Schutz wildlebender Vogelarten und ihrer Lebensräume in der EU“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „sie gilt weltweit als eines der fortschrittlichsten und erfolgreichsten Naturschutzgesetze. Vollständig umgesetzt ist sie aber auch nach 40 Jahren immer noch nicht.“
Ziel der Richtlinie ist der Erhalt eines guten Zustands aller europäischen Vogelarten, insbesondere durch eine strenge und europaweit einheitliche Regulation der Jagd, durch aktive Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Arten und durch die Ausweisung der wichtigsten Vogelvorkommen als spezielle Schutzgebiete. „Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist jedoch ein quälend langer Prozess, der bis heute anhält“ bemängelt Miller. Wie in vielen anderen Mitglied-staaten auch, erfolgte die Umsetzung in Deutschland häufig erst aufgrund mas-siven Drucks durch die EU-Kommission als „Hüterin der EU-Verträge“, durch Vertragsverletzungsverfahren sowie Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
Situation in Hamburg
Nach Ansicht des NABU muss auch in Hamburg mehr getan werden für den Vogelschutz. Das bestätigt auch die am 26. März 2019 veröffentlichte aktuelle Rote Liste der Brutvögel in Hamburg. Sie zeigt, dass die Reduzierung ehemals häufiger Brutvogelarten auch auf den Verlust von geeigneten Lebensräumen zurückzuführen ist. Der starke Rückgang der Feldvögel wie Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche ist die Folge von Zerstörung ihrer Habitate und Intensivierung der Landwirtschaft. Statt diese bedrohten Feldvogelarten zu schützen und zu för-dern, plant Hamburg zum Beispiel ein Neubaugebiet wie Oberbillwerder mit einer Fläche von 130 ha. Betroffen von diesem Projekt sind über 90 Brutstandorte von Feldlerchen, Wiesenschafstelzen, Wiesenpieper, Kiebitzen und Wachtelkönige. Schon jetzt ist klar: Für Feldlerchen und Wiesenschafstelzen können im Gebiet keine ausreichenden Ausweichlebensräume geschaffen werden.
Der NABU Hamburg fordert von der Politik, den Artenschutz ernst zu nehmen und dort Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wo die Arten noch Vorkommen haben. Dies gilt auch für Naturschutz- und Vogelschutzgebiete.
Situation in Deutschland
Es dauert 30 Jahre, in Deutschland ein einigermaßen vollständiges Schutzgebietsnetz auszuweisen. Heute gibt es 742 Vogelschutzgebiete, die etwa 14,5 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands, inklusive der Meeresgebiete, einnehmen. Gesetzlicher Schutz, aktive Maßnahmen und Schutzgebiete haben sich positiv auf die Bestände vieler Flaggschiffarten des Naturschutzes ausgewirkt. So hat der Bestand des Schwarzstorchs stark von der Vogelschutzrichtlinie profitiert. In den vergangenen 25 Jahren nahm sein Bestand in Deutschland um 1655 Prozent zu. Beim Seeadler waren es 393 Prozent, bei der Wiesenweihe 238 Prozent, beim Wanderfalken 215 Prozent und beim Kranich 415 Prozent. Auch die Bestände von weniger bekannten Arten, wie Mittelspecht, Blaukehlchen, Heidelerche und Ortolan konnten sich dank der Schutzmaßnahmen erholen.
Wie wirksam der Schutz durch die Vogelschutzrichtlinie ist, wurde zuletzt 2015 wissenschaftlich belegt. Forscher von BirdLife International, der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und der Universität Durham wiesen nach, dass ob eine Vogelart in der EU abnimmt oder zunimmt, am meisten davon abhängt, ob sie in der Vogelschutzrichtlinie als aktiv besonders zu schützen gelistet ist – oder eben nicht.
„Diese Erfolge können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie in Europa noch viel zu tun gibt“, so Miller. „So fehlen für etwa die Hälfte der deutschen EU-Vogelschutzgebiete effektive Managementpläne und ausreichende Finanzmittel für die notwendigen Maßnahmen, um die gesetzlichen Schutzziele zu erreichen. Auch wird die illegale Jagd auf Singvögel im Mittelmeerraum nicht konsequent genug von den Mitgliedsstaaten verfolgt.“
Der größte Schwachpunkt bei der Umsetzung der Richtlinie ist jedoch ihre fehlende Wirksamkeit in der Fläche: Während sich viele seltene Zielarten des Naturschutzes inzwischen gut entwickeln, brechen die Bestände vieler häufiger und weitverbreiteter Allerweltsvogelarten ein. Insbesondere in der Agarlandschaft sind die EU-Vogelbestände seit Inkrafttreten der Richtlinie um 56 Prozent zurückgegangen. Denn dort hat die Vogelschutzrichtlinie trotz ihres flächendeckenden Anspruchs das Nachsehen gegenüber der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Diese födert pauschal und ineffizient den Besitz großer Flächen, stellt aber viel zu wenig finanzielle Mittel für eine naturverträgliche Landbewirtschaftung und das Ereichen der Naturschutzziele der EU bereit. Deshalb fordert der NABU zusammen mit den anderen deutschen Umweltverbänden unter anderem, dass im Zuge der aktuell diskutierten Neuausrichtung der gemeinsamen EU-Agrarpolitik ein jährlicher Betrag von 15 Milliarden Euro für den Naturschut!
z ausgewiesen wird.
Mehr Infos: www.NABU.de/vogelschutzrichtlinie
Studie: www.nabu.de/news/2015/07/19252.html
Mehr Infos zur Agrarkampagne: www.NABU.de/agrar
Pressemitteilung NABU HH