Seit 2005 gibt es in Hamburg sogenannte Bettelampeln. Das sind Lichtsignalanlagen an Kreuzungen, bei denen Radfahrende und Fußgänger*innen erst eine sogenannte Anforderungstaste drücken müssen, um Grün zu erhalten – und zwar selbst dann, wenn der parallel fahrende Autoverkehr ohnehin Grün erhält. Umgekehrt erhält »selbstverständlich« der Autoverkehr automatisch Grün, wenn es Fuß- oder Radverkehr angefordert haben.
»Dass Fußgänger*innen und Radfahrer*innen nicht automatisch Grün haben, sondern darum betteln müssen, ist eine erhebliche Benachteiligung des klimafreundlichen Verkehrs«, meint Wiebke Hansen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Wer als Radfahrer*in vor einer Kreuzung sieht, dass die Autofahrer*innen Grün bekommen, erwartet auch für sich Grün. Da niemand aber den Taster gedrückt hat, bleibt die Bettelampel für Radfahrer*innen Rot. Erst nach langem Warten bekommen sie dann beim nächsten Phasenumlauf ebenfalls Grün.
Seit 15 Jahren bremsen solche Bettelampeln Hamburgs Radfahrende aus und nehmen ihnen an vielen Stellen die Möglichkeit zu flüssigem Fahren. Das Anpassen der Geschwindigkeit an die Ampelschaltungsfolge auf einer Strecke wird so unmöglich. Stattdessen müssen sie oft abstoppen, obwohl der parallele Autoverkehr weiterfahren kann.
»Metropolen weltweit schaffen jetzt in der Corona-Krise verstärkt bessere Bedingungen für klimafreundliche Mobilität und sorgen so auch dafür, dass es weniger Verkehrsunfallopfer gibt«, so Hansen. »Nur die Hamburger Verkehrsbehörde sieht keinen Handlungsbedarf, sondern gibt den Menschen Tipps, wie sie die Ampeltasten am besten ohne Hautkontakt berühren können«. Auf Twitter rät sie aktuell, Radfahrer*innen sollten einen Handschuh oder den Jackenärmel für den Ampeltaster benutzen.
»Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, dass Hamburgs Verkehrsbehörde die Bettel- und Anforderungsampeln abschaltet«, so Hansen. »Sie passen nicht zum Anspruch, Fahrradstadt werden zu wollen, sondern sind Ausdruck autofixierter Verkehrsplanung«. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sollten automatisch Grün erhalten, wenn der parallele Autoverkehr ebenfalls Grün erhält. Im Zeitalter der Digitalisierung dürfte eine schnelle Abschaltung auch technisch kein Problem sein.
Die nicht kreuzungsgebundenen Bedarfsampeln zählt der ADFC übrigens nicht zu den Bettelampeln. An diesen Anforderungsampeln auf der Strecke wäre »Sofortgrün« – das Grünsignal kommt wenige Sekunden nach Anforderung – ein geeignetes Mittel. So könnten selbstständig geführte Velorouten und Verbindungen entlang von Hamburgs Grünwegen attraktiver werden. Ein »schnelles Grünsignal« an Anforderungsampeln führt auch zu größerer Akzeptanz dieser Anlagen und damit zu mehr Verkehrssicherheit. Auch diese Ampeln sollten in Corona-Zeiten einen automatischen Takt erhalten, um kontaktloses Überqueren der Straße zu ermöglichen.
Weitere Informationen: hamburg.adfc.de/ampel
Pressemitteilung ADFC HH