Das Bundesverfassungsgericht hat einen Nachtragshaushalt der Bundesregierung für das Jahr 2021 für verfassungswidrig erklärt. Damals wurden ursprünglich für die Bekämpfung der Corona-Pandemie vorgesehene Mittel in Milliardenhöhe in einen Klima- und Transformationsfonds umgeschichtet.
Anlässlich des soeben bekannt gewordenen Urteils äußert sich Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds ist gut und sollte eine dringend benötigte Reform der Schuldenbremse anstoßen. Die Versuche der Bundesregierungen in den vergangenen zwölf Jahren, die Schuldenbremse zu umgehen, haben immer absurdere Züge angenommen. Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Es ist heute dringender denn je, dass die Bundesregierung eine Investitionsoffensive für Zukunftsinvestitionen startet – in Bildung, Klimaschutz, Innovation und Infrastruktur.
Es sind noch genügend Gelder im Klima- und Transformationsfonds, sodass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar zu Problemen führen wird. Die Bundesregierung wird jedoch als Konsequenz des Urteils die Schuldenbremse mindestens für ein weiteres Jahr aussetzen müssen, um die für bereits versprochene Maßnahmen notwendigen Kredite aufnehmen zu können.
Die Bundesregierung bleibt ihr Versprechen eines Klimageldes weiterhin schuldig. Dies liegt nicht an fehlenden Einnahmen, denn das Klimageld soll durch die CO2-Abgabe finanziert werden. Allerdings gibt die Bundesregierung das versprochene Klimageld in Form massiver Subventionen für billigeren Strom nun lieber den Unternehmen. Angesichts der riesigen Hilfen für die Industrie sollte die Bundesregierung ihre Hilfen sozial ausgewogener gestalten und Menschen mit mittleren und geringen Einkommen nicht vergessen.
Mehr Infos: https://www.diw.de/de
Pressemitteilung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (15.11.)
“Umweltschädliche Subventionen müssen auf den Prüfstand”
VCD zum Klima- und Transformationsfonds: Bahn-Milliarden müssen fließen – umweltschädliche Subventionen im Verkehr abbauen
60 Milliarden Euro aus dem Corona-Notfallfonds dürfen nicht für den Klima- und Transformationsfonds verwendet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht gestern entschieden. Betroffen davon sind auch 12,5 Milliarden Euro für Sanierung und Ausbau des Schienennetzes. Der bahnpolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Alexander Kaas Elias, kommentiert:
Das Geld für die Schiene muss fließen, sonst steht der Bahnverkehr in Deutschland vor einem Desaster – und mit ihm die sozial-ökologische Verkehrswende. Deshalb sind Verkehrsminister Wissing und Finanzminister Lindner jetzt dringend gefordert, andere Geldquellen zu finden. Denn die Bahn braucht bis 2027 knapp 45 Milliarden Euro für Sanierung und Ausbau der Infrastruktur. Ohne Wenn und Aber. Auf der Suche nach diesem Geld müssen umweltschädliche Subventionen wie das Dienstwagen- und das Dieselprivileg auf den Prüfstand, aber auch Herrn Wissings ausufernde Autobahnneu- und -ausbauprojekte.
Die Bahninfrastruktur liegt danieder; sie muss schleunigst saniert und modernisiert werden. Nichtstun aus Kostengründen lässt die Kosten am Ende explodieren. Damit wäre weder künftigen Generationen noch dem Klima geholfen. Die Finanzierungsstrukturen im Verkehrsbereich sind dringend reformbedürftig: Nur ein mehrjähriger Schienenfonds wird die Finanzprobleme für die Bahninfrastruktur lösen können. Er muss vor 2025 kommen.
Pressemitteilung VCD (17.11.)
Greenpeace Stellungnahme zur Beratung des Bundeshaushalt
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Bereinigungssitzung des Bundeshaushalt heute vor erheblichen Herausforderungen. Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, fordert ein grundsätzliches Umdenken der Ampelkoalition.
„Die nun im Klimafonds fehlenden 60 Milliarden treffen nicht alleine ‘grüne Liebeleien’, wie zu lesen war, sie treffen zentrale Maßnahmen, um den drohenden Klimanotstand in Deutschland abzuwenden. Damit entlarvt sich die FDP erneut als eine Partei, die weder die sozialen Auswirkungen, noch die wirtschaftlichen Herausforderungen der Klimakrise anerkennt. Genau hierfür hat das Bundesverfassungsgericht Zukunftsinvestitionen eingefordert.
Damit sich die gefährliche Polarisierung der Bevölkerung nicht weiter beschleunigt, darf die 60-Milliarden-Lücke nicht auf Kosten der sozialen Abfederung der ökologischen Transformation gehen. Die Regierung darf nicht die Folgen ihrer eigenen Fehler auf die Menschen abwälzen, indem sie Erfolge wie das 49 Euro Ticket oder nötige Schritte wie das Klimageld streicht.
Das gestrige Urteil ist auch ein politischer Auftrag, klimaschädliche Subventionen jetzt schnell abzubauen. Dadurch kann der Haushalt um mindestens 50 Milliarden Euro entlastet werden. Weiteren finanziellen Spielraum würde ein höherer CO2-Preis, eine Reform der Schuldenbremse und ein Einfrieren der Ausgaben für die Bundeswehr schaffen. Wenn Bundeskanzler Scholz den Fortschrittsanspruch seiner Koalition ernst nimmt, muss er die Ampel schnell aus dem klimapolitischen Würgegriff der FDP befreien.”
Pressemitteilung Greenpeace (16.11.)
Änderung Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig
Die Bundesregierung darf Corona-Kreditermächtigungen nicht in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umwidmen, das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Damit ist die Finanzierung von Klimaschutzprojekten und geplanten Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft durch die Bundesregierung gekippt.
Das Urteil erfolgt einen Tag vor der entscheidenden Bereinigungssitzung, in der der Bundestag über die Verwendung des Haushalts 2024 abstimmen wird. Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, sieht Bundeskanzler Scholz (SPD) in der Pflicht, die Finanzierung des Klimaschutzes auf eine solide Basis zu stellen:
“Dieses Urteil ist ein herber Rückschlag für den Schutz des Klimas! Nun rächt sich, dass die Ampel den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft von Anfang an mit finanzpolitischen Taschenspielertricks bezahlen wollte. Bundeskanzler Scholz muss jetzt für Ordnung bei den öffentlichen Finanzen sorgen und beim Klimaschutz Farbe bekennen.
Der Bundeskanzler muss für die finanzielle Unterstützung der Bürger:innen auf dem Weg zur Klimaneutralität den gesamten haushaltspolitischen Spielraum und seine Richtlinienkompetenz nutzen. Denn wir sind bereits inmitten der Klimakrise. Kredite, neue Steuern und der Abbau klimaschädlicher Subventionen dürfen keine Tabus sein. Der Bundeshaushalt braucht eine bessere Balance zwischen militärischen Ausgaben und mehr Klimaschutz, sowie neue sozial-ökologische Instrumente in der Finanzpolitik. Nur so werden die nötigen Investitionen in Klimaschutz und soziale Ausgleichsmechanismen wie das Klimageld möglich.”
Pressemitteilung Greenpeace (15.11.)
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt:
BUND und Paritätischer Gesamtverband fordern Aussetzen der Schuldenbremse
Zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung der Corona-Hilfen in den Klima- und Transformationsfonds erklären Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Der Paritätische Gesamtverband:
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeutet, dass viele Milliarden für unabdingbare Klimaprojekte und deren sozial gerechte Ausgestaltung fehlen werden. Die Bundesregierung muss in dieser Situation eine Aussetzung der Schuldenbremse einleiten, um Zukunftsprojekte beispielsweise im Gebäudebereich und bei der Finanzierung der Erneuerbaren nicht zu gefährden.“
Pressemitteilung BUND (15.11.)
Deutsche Umwelthilfe zur Verfassungsgerichtsentscheidung zum Klima- und Transformationsfonds:
„Kostenlose Klimaschutzmaßnahmen wie Tempolimit jetzt dringender denn je!“
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass Investitionsmittel aus dem Corona-Fonds nicht in den Klima- und Transformationsfonds hätten übertragen werden dürfen, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch:
„Nach der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es zwingend notwendig, dass die Bundesregierung alle Klimaschutzmaßnahmen, die ohne Mehrkosten für den Bundeshaushalt sind oder gar diesen entlasten, sofort ergreift. Ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h außerorts sowie 30 km/h innerorts spart jährlich mehr als 11 Millionen Tonnen CO2. Der Stopp klimaschädlicher Subventionen wie die Dienstwagen- oder Dieselsubventionen entlasten den Haushalt sogar um viele Milliarden Euro. Damit lassen sich aufkommensneutral die aktuell diskutierten Unterstützungen für die Menschen bei der Gebäudesanierung und Wärmewende finanzieren. Die Bundesregierung muss das Klimaschutzprogramm endlich anpassen, sonst wird das von uns angeordnete Bundesverfassungsgericht dies einfordern.“
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe (15.11.)
Mehr Infos: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/urteil-zum-nachtragshaushalt-2240768