Anhörung zum Klimaschutzgesetz im Bundestag

Deutsche Umwelthilfe ruft Abgeordnete auf, Entkernung des Klimaschutzgesetzes zu verhindern
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die Abgeordneten des Bundestags auf, die von der Bundesregierung gewollten Änderungen des Klimaschutzgesetzes zurückzuweisen. Die Anhörung dazu findet heute im Bundestag statt. Die vorgesehenen Änderungen würden das Klimaschutzgesetz weitgehend entkernen und nach Auffassung der DUH gegen den historischen Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verstoßen.

 

Die gesetzlich verbindlichen CO2-Obergrenzen für alle Sektoren und die jährliche Nachsteuerung bei Zielverfehlungen sollen abgeschafft werden. Zudem werden starke Anreize geschaffen, dringend nötige Klimaschutzmaßnahmen auf das Ende des Jahrzehnts zu verschieben. Die Bundesregierung will mit dieser Novelle ihren wiederholten Rechtsbruch verschleiern. Insbesondere der Verkehrssektor hat bislang keinerlei wirksame Sofortmaßnahmen umgesetzt, trotz mehrmaliger Verfehlung der gesetzlichen CO2-Vorgaben.

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer, der heute als Sachverständiger in der Anhörung spricht: „Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren wiederholt das Klimaschutzgesetz gebrochen. Ihre Antwort darauf ist nicht etwa mehr Anstrengung beim Klimaschutz, sondern im Gegenteil eine massive Abschwächung des Gesetzes: ‚Lästige‘ Sektorvorgaben sollen gestrichen, Verantwortlichkeiten verwischt und dringend nötige CO2-Einsparungen in die ferne Zukunft verschoben werden. Dabei ist das Gesetz schon jetzt nicht annähernd mit der 1,5-Grad-Grenze kompatibel. Mit dieser Scharade verabschiedet sich Deutschland endgültig vom Pariser Klimaschutzabkommen und verliert jede klimapolitische Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene – und das wenige Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Dubai. Der Bundestag darf nicht zulassen, dass das Klimaschutzgesetz zum Papiertiger wird. Wir fordern alle Abgeordneten auf, das Herzstück der deutschen Klimapolitik zu retten!“

Die Bundesregierung will die Änderungen im Eiltempo durch den Bundestag peitschen. Bereits in der kommenden Woche sollen die zweite und dritte Lesung stattfinden und das Gesetz vom Bundestag verabschiedet werden.

Hintergrund:

Die Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes 2019 war ein Meilenstein der deutschen Klimapolitik, den die Klimabewegung durch jahrelanges Engagement und beharrlichen Druck möglich gemacht hat. Im Frühjahr 2021 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz in einem epochalen Beschluss für teilweise verfassungswidrig – wegen unzureichender Vorgaben zum Emissionsreduktionspfad musste die Große Koalition das Gesetz nachbessern. Gerade einmal zwei Jahre später will die Ampelkoalition es nun massiv abschwächen. Die DUH fordert die Stärkung des Klimaschutzgesetzes im Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze, die Beibehaltung gesetzlich bindender Sektorvorgaben, robuste Nachsteuerungs- und Sanktionsmechanismen und den Ausschluss politischer Einflussnahme auf Emissionsprognosen.

Link zur Stellungnahme zum Klimaschutzgesetz: https://l.duh.de/p231107b

Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe


Aufforderung zur Unterschrifts-Verweigerung unter 2. Novelle Klimaschutzgesetz – offener Brief an Bundespräsident Steinmeier

Parents for Future Deutschland fasste Anfang Oktober den Entschluss, der Abschwächung des Klimaschutzgesetzes (KSG) durch Aufhebung der Sektorenziele entgegenzutreten. In der Erwartung, dass der Bundestag der 2. Novelle des KSG in einer Klimaschutz abschwächenden Form zustimmen wird, appelliert die Gruppe an Bundespräsident Steinmeier, seine Unterschrift zu verweigern. Dann würde das Gesetz nicht in Kraft treten.

Deutschland hat 2015 völkerrechtlich bindend entschieden, alles zu tun, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen [1]. Dieses Versprechen wurde 2021 in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in den Verfassungsrang gehoben und die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen rechtsverbindlich eingefordert [2]. Im Jahr 2022 hob das BVerfG die Bedeutung der Sektorenziele im KSG, in einem Nichtannahmebeschluss zu Verfassungsbeschwerden gegen Landesklimaschutzgesetze, hervor [3]. Mit der Novellierung ist nun eine Aufweichung der Sektorziele geplant. Dies führe, darüber ist sich ein Expertenkonsortium von 60 Professorinnen und Professoren für Völker- und Verfassungsrecht [4] sowie der Expertenrat für Klimafragen einig [5], zu einer Verlangsamung von Klimaschutz. Das dürfe nicht passieren, da bereits jetzt klar sei – auch von der Regierung bestätigt -, dass die Ziele des Pariser Abkommens nicht mehr erreichbar seien. Die Regierung halte sich nicht an die Anforderungen des Urteils des BVerfG. Damit liege eine Verfassungswidrigkeit vor. Der offene Brief folgt eben dieser Argumentationslinie.

„In Zeiten, in denen 11.000 Menschen in Libyen ertrinken, unsere Gemüseernten auf der iberischen Halbinsel vertrocknen und in Griechenland die Wälder brennen, ist es ein erschreckend falsches Signal Klimaschutzgesetze abzuschwächen. Es braucht eine 180 Grad Wende. Wir brauchen wirksameren Klimaschutz und zwar jetzt.“, so Hans Beuter, Mitautor des offenen Briefes.

Mittlerweile habe sich ein breites Bündnis hinter den Brief gestellt. Viele For Future Gruppierungen und auch Klima-NGO-Größen sowie Initiativen der christlichen Kirchengemeinden gehören bereits zu den Unterstützenden.

„Wir bitten den Bundespräsidenten nicht nur seine Unterschrift zu dem Rückschritt für Klimaschutz zu verweigern, sondern sich auch die gesellschaftliche Debatte zur notwendigen Transformation hin zur Klimaneutralität moderierend zu begleiten“, so Beuter weiter.

„Wenn der Bundespräsident seine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert, ist das so etwas wie eine gesetzgeberische Notbremse. Genau die brauchen wir. Wir bedanken uns für die große Zustimmung vieler zivilgesellschaftlicher bundesweiter Organisationen, die sich unserem Appell angeschlossen haben. So haben wir jetzt die Möglichkeit zu verhindern, dass eine Klimaschutz-Verwässerung in Stein gemeißelt wird.“, meint Falco Weichselbaum, der auch Mitglied im Koordinationsteam der Parents for Future ist.

Eine Übergabe an Bundespräsident Steinmeier in Berlin ist geplant.

Quellen:
[1] Abkommen von Paris – BMWK https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html#:~:text=Mittlerweile%20haben%20180%20Staaten%20das,v%C3%B6lkerrechtlichen%20Pflichten%20f%C3%BCr%20alle%20Staaten.
[2] Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich – Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 29. April 2021

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html
[3] In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden – BVerfG https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/01/rk20220118_1bvr156521.html

[4] https://verfassungsblog.de/fur-eine-volker-und-verfassungsrechtskonforme-klimaschutzpolitik/
[5] Stellungnahme Prüfbericht Klimaschutzprogramm – Expertenrat Klima https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2023/08/ERK2023_Stellungnahme-Klimaschutzprogramm_Pruefbericht-2023-Gebaeude-Verkehr_Pressemitteilung.pdf

Pressemitteilung Parents for Future vom 25.10. (https://www.parentsforfuture.de/de/)

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