Flughafen: Anwohner werden immer mehr belastet

Immer mehr Spät- und Nachtflüge am Flughbaw_homeafen in Fuhlsbüttel belasten die Anwohner unter den Start- und Landeschneisen. Das zeigen die aktuellen Auswertungen der BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Sommerzeit. Es ist die Zeit der lauen Sommerabende, vielfach wird das Wohnzimmer auf Balkon und Terrasse verlegt. Bei diesem warmen Wetter schlafen viele Anwohner auch bei offenen Fenstern. Cathrin H. zum Beispiel wohnt mit ihrer Familie nicht weit vom Naturschutzgebiet Wittmoor zwischen Lemsahl und Duvenstedt. Sie hat vor vielen Jahren diesen Wohnort bewusst ausgewählt, „Die ruhige Lage im Grünen nahe des Naturschutzgebietes und kein störender Fluglärm“, das war für die Familie ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Herzug. „Ich arbeite direkt in einer Einflugschneise und weiß was Fluglärm ist. Das wollte ich nicht zu Hause haben“. Das war vor fast 20 Jahren. Heute hat sich die Situation völlig verändert. Fluglärm findet dort statt, wo bis vor wenigen Jahren keiner war, „Das Rauschen der Bäume im Sommerwind war die einzige ‚Lärmquelle‘ hier“, erklärt H., die ihren Namen nicht nennen mag, „Gegen Fluglärm zu sein bedeutet leider auch Anfeindungen ausgesetzt zu sein“. Trotzdem engagiert sich H. seit vielen Jahren gegen Fluglärm. Der Flugverkehr ist hier überdeutlich gestiegen. Besonders die steigende Anzahl der Spät- und Nachtflüge ist unerträglich geworden. Dazu kommen neuerdings die sogenannten „Querflieger“. Das sind startende Flugzeuge, die in niedriger Höhe und in kurzem Bogen umkehren und gegen die Startrichtung weiterfliegen. Die Flugzeuge verlassen dabei die vorgeschriebenen Flugbahnen und kürzen quer über das Hamburger Stadtgebiet mit lautem Getöse ab. Von diesen Querfliegern werden täglich bis zu 50 gezählt. „Der Flugbetrieb in Hamburg ist ein rechtloser Raum geworden. Es gilt allein das Recht des Stärkeren und die Regierung lässt uns mit dem Problem alleine“, klagt H. an.

Fluglärm hat sich verdoppelt

Martin Mosel, Sprecher der BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein, kann das nur bestätigen, „Unsere Auswertungen der Verkehrszahlen von Flughafen und Behörde zeigen eine dramatische Zunahme des Flugbetriebes, besonders in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr. Ein Nachtflugverbot existiert nicht für den Hamburger Flughafen. Fluggesellschaften im regelmäßigen Linienverkehr und der Pauschalreiseverkehr dürfen bis Mitternacht in Hamburg starten und landen. Darüber hinaus dürfen genehmigungsfrei Ambulanz- und Polizei- bzw. Militärflüge auch in der Zeit nach 24 Uhr stattfinden. Da bleibt nicht mehr viel, was nicht fliegen darf. Die jetzt mit großer medialer Wucht verbreitete Gebührenerhöhung für Ausnahmegenehmigungen in der Zeit nach 24 Uhr, ist eine Nebelkerze, um vom eigentlichen Versagen abzulenken. Die Erhöhung dieser Gebühren hat mit dem Fluglärm so viel zu tun, wie eine Papierschwalbe aus dem bedruckten Papier der Pressenotiz. Insgesamt wurden im Jahr 2014 gerade einmal 15 Ausnahmegenehmigungen in Anspruch genommen. Im Jahr 2015 sind es bisher 9. Für die Behörde ist das eine ‚einschneidende Nachtflugbeschränkung‘, für mich ist das eine unbestimmte Freigabe des Luftraums bei Tag und bei Nacht. Das bedeutet Fluglärm zu Zeiten, wo die Menschen schlafen müssen“, so Mosel.

Es wird nicht nur mehr geflogen, sondern es wird auch nachweislich lauter. Die offiziellen Messstationen des Flughafens zeigen deutlich steigende Pegel seit Beginn des Jahres. Die vom Deutschen Fluglärmdienst (DFLD) unabhängig betriebenen Messstellen weisen bisher das Jahr 2015 als das lauteste Jahr in den vergangenen sechs Jahren aus, in jedem einzelnen Monat. Durchschnittlich 71,5 dB(A) beträgt der Dauerschallpegel von 0-24 Uhr (Lden) im Jahr 2015, im Vorjahr 68,5 dB(A). „Diese 3 dB(A) mehr gegenüber 2014 bedeuten, dass die Lärmquelle, also der Fluglärm, sich verdoppelt hat. Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm sieht für die Schutzzonen bei bestehenden Flugplätzen Pegel von maximal 65 dB(A) vor“, erklärt Mosel.

Cathrin H. ist über die Tatenlosigkeit der Politiker entsetzt, „Bei der Wahl im Februar habe ich erstmalig meine Stimme den Grünen gegeben, weil die mir versprochen haben sich gegen den Fluglärm einzusetzen. Heute bin ich maßlos enttäuscht und ich würde am liebsten meine Stimme zurückfordern. Von den Versprechungen ist nichts umgesetzt worden, es ist eher noch viel schlimmer geworden. Denen ist vollkommen das Unrechtsbewusstsein abhanden gekommen“, ärgert sich H. Besonders diejenigen Hamburger, die im Bereich der ungenutzten vierten Start- und Landebahn wohnen und die ständig gegen die Fluglärmgegner giften und für den Hamburger Flughafen schwärmen, „weil er so toll erreichbar ist“, kann H. überhaupt nicht verstehen: „Das ist asoziale Bequemlichkeit!“

Gerichtliche Klärung

„Die Bereitschaft der Betroffenen eine juristische Klärung herbeizuführen, steigt in gleichem Maße wie die Lärmpegel“, hat Martin Mosel von der BAW festgestellt. Auch wenn, wie in der Vergangenheit, Gerichtsverfahren, die gegen Fluglärm gerichtet sind, regelmäßig scheitern, sieht Mosel wegen der besonderen Situation in Hamburg gewisse Chancen, „auch wenn die Beweislast umgekehrt worden ist. Gerade auf Grund der innerstädtischen Lage des Hamburger Flughafens sind gegenüber der Bevölkerung besondere Schutzerfordernisse vorhanden. Diese sind zum Teil auch in Regelungen umgesetzt worden. Sie werden jedoch mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Flughafens immer mehr missachtet. Die in diese Regelungen hinein formulierten Ausnahmen zu Gunsten des Flughafens, werden immer häufiger ausgenutzt. Die Ausnahme bestimmt inzwischen die Regel und auch vor dem offenen Rechtsbruch wird immer häufiger nicht mehr zurückgescheut. Ob diese Regelungen in ihrer jetzigen Ausprägung überhaupt noch Fluglärmschutz gewährleisten können, das bezweifle ich inzwischen sehr“, konstatiert Mosel und fordert insbesondere die Bahnbenutzungsregeln den erhöhten Schutzbedürfnissen der Betroffenen anzupassen. Aus der Luftverkehrsentwicklung ergibt sich ein weiterer Ansatz. Während der Flugverkehr in Hamburg gegenüber den Vorjahren, zuletzt um fünf Prozent, deutlich gestiegen ist, ist der Fluglärmschutz auf dem Basisjahr 1997 zurückgeblieben.

„Sollte sich eine Mehrheit für eine juristische Überprüfung zusammenfinden, sehen wir in der finanziellen Hürde das geringste Hindernis. Die Zeit ist reif dafür und wir von der BAW würden das in jedem Fall unterstützen“, so Mosel.
Mehr Infos und Grafiken: www.baw-fluglaerm.de/index.php/pressemitteilungen.html

Pressemitteilung BAW | Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein

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