Tag des Artenschutzes am 3. März 2024
Artenvielfalt im Boden am höchsten – aber ebenso stark bedroht / Belastung durch Pestizide und Überdüngung forcieren Artensterben / Ökologische Landwirtschaft und weniger Pestizideinsatzes entscheidend für Erhalt fruchtbarer Böden
Die größte Artenvielfalt findet man im Boden: Fast zwei Drittel aller bekannten Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen untertage. Doch in vielen Böden ist dieser Artenreichtum bedroht oder bereits verschwunden. Vor allem intensive Landwirtschaft mit hohem Pestizid- und Mineraldüngereinsatz setzt dem Leben in den Böden zu und macht sie langfristig auch für den Menschen immer schlechter nutzbar.
Tobias Witte, BUND-Experte für Boden- und Moorschutz: „Der Artenreichtum im Boden ist das Fundament des Lebens. Wenn hier die Vielfalt schwindet, können Nahrungsketten abbrechen. Ohne Bakterien, Regenwürmer und Insekten verschwinden auch Vögel und Säugetiere. Das Ökosystem ist vor allem in Folge der Industrialisierung der Landwirtschaft in Schieflage geraten mit Folgen auch für den Menschen. Denn die Lebewesen im Boden sind entscheidend für die Bildung von Humus und Nährstoffen für das Pflanzenwachstum und damit letztlich für die Ernteerträge.“
Rund 50 Prozent der Fläche Deutschlands sind landwirtschaftliche Flächen. Deshalb sind diese von besonderer Bedeutung für den Schutz der Artenvielfalt auch im Boden. Um die Böden wieder lebendiger werden zu lassen und damit dauerhaft fruchtbar zu erhalten, fordert der BUND den sozial-ökologischen Umbau der Landwirtschaft. Schon eine reduzierte Bodenbearbeitung und die Reduzierung des Pestizideinsatzes um 50 Prozent bis 2030 würden helfen, die Artenvielfalt im Boden deutlich besser zu schützen. Extensive Grünlandwiesen und -weiden sind zum Beispiel im Vergleich zu intensiver Grünlandwirtschaft nicht nur besser für den Erhalt der Biodiversität, sondern speichern auch mehr klimawirksames CO2.
Witte: „Der Mensch hat die Eigenschaften und Funktionsfähigkeit der Böden durch industrielle Landwirtschaft bereits erheblich verändert. Vielerorts bringen Böden immer weniger Ertrag und können nur durch extreme Düngermengen weiter genutzt werden. Mit den bekannten Folgen für die Gewässer und das Grundwasser. Wenn wir diesen Teufelskreis durchbrechen wollen, müssen wir ökologische Anbauweisen fördern und den Anteil tierischer Produkte in unserer Ernährung verringern. Nur dann können wir das Ökosystem Boden retten und die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten.“
Doch auch private Gärten sind mit mehr als 900.000 Hektar in Deutschland wichtige Partner für das Leben im Boden. Wer hier auf chemische Pestizide verzichtet, auf heimische Pflanzen setzt, wilde Ecken zulässt und torffreie Erden nutzt, schützt die Artenvielfalt unter und über Tage. Mehr Infos und Tipps im aktuellen BUND-Magazin mit Titelthema „Naturnah Gärtnern“.
Hintergrund:
Boden ist mehr als der Dreck unter unseren Füßen. Im vergangenen Jahr hat eine vielbeachtete Studie aus der Schweiz festgestellt, dass fast zwei Drittel aller weltweit bekannten Arten im Boden beheimatet sind. Das ist deutlich mehr als die bisher angenommenen ein Viertel bis ein Drittel.
Der im Januar veröffentlichte Bodenatlas 2024 von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung und TMG-Thinktank for Sustainability beleuchtet die Bedeutung des Ökosystems Boden und wieso gesunde Böden für Mensch und Natur überlebenswichtig und zugleich umkämpft sind. Er erklärt auch, warum intakte Böden für den Klimaschutz und die Anpassung an die Klimakrise essenziell sind. Er zeigt, wie ein langfristiger Bodenschutz in der Landwirtschaft gelingen kann und welche politischen Rahmenbedingungen es dafür braucht.
Pressemitteilung BUND
Tag des Artenschutzes: Einzelne Arten zu schützen reicht nicht mehr aus
Politik ist gefordert wirksame Schutzgebiete umzusetzen, um Naturkrise abzuwenden
Eigentlich sind Feiertage ein Anlass zum Feiern. Aber am Internationalen Tag des Artenschutzes (3.3.) für den Schutz der wildlebenden Flora und Fauna ist das, trotz einzelner Erfolge, immer weniger der Fall. Weltweit nimmt die Vielfalt der Arten, Lebensräume und der Genetik auf unserem Planeten ab. Das gilt auch in Deutschland, wie man der stetig länger werdenden Roten Liste bedrohter Arten entnehmen kann.
NABU-Bundegeschäftsführer Leif Miller: “Seit 125 Jahren setzt sich der NABU für den Schutz der Natur ein. Doch die Anstrengungen der Zivilgesellschaft reichen nicht, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Viele Arten sind weiterhin bedroht. Weltweit stehen rund zwei der geschätzten acht Millionen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten kurz vorm Aussterben. Allein in Deutschland ist in den letzten 27 Jahren die Biomasse aller Insekten um 75 Prozent zurückgegangen. Etwa die Hälfte der Wildbienenarten in Deutschland sind bestandsgefährdet oder schon für immer verschwunden.”
Der Verlust dieser Vielfalt bedroht das System „Natur“ als Ganzes und damit auch das Überleben des Menschen. Das Netz des Lebens wird störanfälliger, mit ungewissen Konsequenzen. Der breite Verlust an Lebensräumen und Arten, von Insekten, über Vögel und Amphibien, bis hin zu Säugetieren wie dem Feldhamster, zeigt, dass isolierter Artenschutz für einzelne Arten kein zukunftstauglicher Ansatz ist. Es braucht einen anderen Ansatz für den Biodiversitätsschutz. Einen umfassenden Schutz der Natur in all ihrer Komplexität. Dies kann nur gelingen, wenn menschliche Eingriffe reduziert werden und der Natur mehr Raum für natürliche Prozesse gegeben wird.
Aus diesem Grund setzt sich der NABU für einen verbesserten Flächenschutz ein, um Lebensräume zu sichern und so die Arten zu schützen. Bund und Länder sind aufgefordert, Schutzgebiete mit größerer Wirksamkeit umsetzen. “Die Qualität von Schutzgebieten sowie die Verwaltungskapazitäten, reichen nicht aus, um die Umsetzung vorhandener Schutzgebiete einzuhalten. Wir brauchen dringend eine bessere finanzielle und vor allem auch bessere personelle Ausstattung bei der Betreuung von Schutzgebieten,” fasst Jennifer Krämer, NABU-Referentin für Schutzgebiete und Naturschutzpolitik zusammen. Und weiter: “Zwar unterstützen die Ehrenamtlichen des NABU Tag für Tag tatkräftig bei Naturschutzmaßnahmen und begeistern für die besondere Artenvielfalt in den Schutzgebieten. Ohne Rückhalt in den Behörden ist dieses Engagement jedoch frustrierend. Noch frustrierender wird es, wenn aufgrund schlechter politischer Entscheidungen Erfolge sogar wieder zerstört werden, beispielsweise durch neue Industriegebiete in Schutzgebieten.”
Wie es besser gehen kann, wird der NABU Anfang April mit einer Studie zu nötigen Maßnahmen in bestehenden Schutzgebietskategorien für einen wirksamen Schutz der Biodiversität präsentieren.
Pressemitteilung NABU