Anlässlich der bevorstehenden Bezirkswahlen unterstreicht der NABU die Bedeutung der Bezirke für den Erhalt der Artenvielfalt. Der NABU bemängelt, dass gerade auf Bezirksebene der Naturschutz nicht selten einen zu geringen Stellenwert hat und fordert angesichts des fortschreitenden Artensterbens, dass die Bezirke umgehend ihrer Verantwortung gerecht werden.
„Die Weichen für den Schutz der Biologischen Vielfalt werden zwar auf Bundes-, Landes- und Europäischer Ebene gestellt, aber die Züge fahren vor Ort in den Bezirken“, sagt Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. „Wir haben deshalb schon sehr früh unsere Kernforderungen an alle Parteien in den sieben Bezirken verschickt und diese aufgefordert, sie in ihre Wahlprogramme einzuarbeiten und nach der Wahl umzusetzen.“
Dass der Handlungsbedarf groß ist, verdeutlichen die folgenden Zahlen: Über die Hälfte der Farn- und Blütenpflanzen Hamburgs sind in der Roten Liste als gefährdet oder vom Aussterben bedroht genannt. Bei den Brutvögeln sind es 34%, bei den Amphibien 62%. Am schlimmsten steht es um die Tagfalter. Von ihnen stehen 83% auf der Roten Liste.
Die Bezirke treffen mittlerweile viele Entscheidungen, die unmittelbar Einfluss auf die Artenvielfalt in ihrem Einzugsgebiet haben. „Doch statt die bezirklichen Möglichkeiten zu nutzen, fehlt es an allen Ecken und Enden an den nötigen Aktivitäten zum Schutz von Tieren und Pflanzen“, kritisiert Porschke. „Wir brauchen gerade in den Bezirken den politischen Willen, sich auch in Zeiten knapper Kassen für den Erhalt der Artenvielfalt einzusetzen. Das bedarf nur einer entsprechenden Prioritätensetzung.“
Handlungsbedarf gibt es aus Sicht des NABU bei der Pflege der Naturschutzgebiete. „Hier stehen z.B. in Bergedorf bei einem Bedarf von jährlich ca. 600.000 € nur 21.000 € für die Pflege der bezirklichen Naturschutzgebiete zur Verfügung.“, so der NABU-Chef. „Beim Gewässerschutz haben wir ebenfalls ein Vollzugsdefizit zu beklagen. Von 92 bis Ende 2012 vorgesehenen Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung sind stadtweit gerade mal 16 umgesetzt. Ein Armutszeugnis, in Anbetracht dessen, dass Hamburg durch eine europäische Vorgabe verpflichtet ist, seine Gewässer in einen guten Zustand zu bringen.“
Nicht weniger dramatisch ist die Lage bei der Pflege der öffentlichen Grünanlagen und Parks: In einer immer dichter besiedelten Stadt stellen sie noch letzte Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen dar. „In vielen Fällen drohen diese aber durch Baumfällungen und Kahlschlag der Strauchvegetation vernichtet oder zumindest eingeschränkt zu werden“, so Porschke. „Wir fordern, dass die Bezirke stattdessen sich viel stärker einer naturnahen Pflege verschreiben. Vorschläge dafür liegen schon seit langem auf dem Tisch.“ Mit dem Verlust von rund 6.000 Bäumen pro Jahr geht weiterer Lebensraum verloren. Der NABU fordert, dass für jede Fällung zeitgleich mindestens ein neuer Baum nachgepflanzt werden muss.
Auch der Bau von Wohnungen, Straßen und Gewerbe, ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Bezirke, schränkt den Lebensraum von Tieren und Pflanzen mehr und mehr ein. Dadurch gehen Freiflächen verloren, Grünachsen werden zerschnitten oder Pufferzonen zu Grünflächen beseitigt: Nach der Auswertung von 70 Bebauungsplänen, an denen der NABU zwischen 2011 und 2013 beteiligt war, sind in diesem Zeitraum in Hamburg rund 172 ha Grün (Grün- u. Gehölzflächen, Brachen, etc.: 77 ha = 45 %, Kleingärten: 50 ha = 30 %, Landwirtschaft: 45 ha = 26 %), das entspricht in etwa der Fläche der Außenalster, verloren gegangen. Zur selben Zeit fielen über 1.700 Bäume neuen Bauprojekten zum Opfer. „Das ist nur die Spitze des Eisberges“, so Porschke. „Bei unserer Auswertung sind die Baustufenpläne und Planfeststellungsverfahren noch gar nicht berücksichtigt. Wir gehen von viel größeren Verlusten aus.“ Der ehemalige Umweltsenator verlangt daher, dass die Bezirke bei Bauvorhaben ökologische Aspekte viel stärker einbeziehen als bisher: „Wenn wir aber schon Naturverluste durch Bauvorhaben hinnehmen sollen, müssen diese selbstverständlich zeitnah ausgeglichen werden.“
Doch selbst hier hapert es in den Bezirken: Von den festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen seit 1991 sind heute gerade mal 60 Prozent umgesetzt, 14 Prozent wurden noch nicht einmal begonnen. „Dieses Defizit ist völlig inakzeptabel“, ist der NABU-Chef empört. „Mit der Festsetzung ist genau geregelt, was für die Natur getan werden muss, und das Geld für die Umsetzung ist auch vorhanden. Und doch passiert zu wenig oder zu langsam. Hieran zeigt sich die Geringschätzung des Naturschutzes in den Bezirken leider allzu deutlich!“
Hamburg hat 2010 die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ unterzeichnet. Der NABU fordert, dass sich jetzt endlich auch die Verantwortlichen auf bezirklicher Ebene mit der Umsetzung befassen und in der nächsten Legislaturperiode dringende Maßnahmen umsetzen müssen. „Die Deklaration kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Bezirke mitmachen“, sagt der NABU-Vorsitzende Porschke.
„Hier sind alle Parteien gefordert.“ Bislang spielten Natur- und Umweltschutz in vielen Bezirken eine zu geringe Rolle. Vorbildliche Beispiele zeigten aber, dass die Bezirke sich vor Ort für die Bewahrung der Schöpfung noch viel stärker einsetzen könnten. Der NABU Hamburg hat deshalb freiwillige Bezirksaktionstage initiiert, an denen NABU Mitglieder und andere Naturfreunde praktisch für den Naturschutz in den Bezirken tätig werden. „Dort, wo sich Schmetterlinge, Wildblumen und Grünspecht wohlfühlen, fühlen sich auch Menschen wohl“, meint Porschke.
Weitere Infos gibt es unter www.NABU-Hamburg.de/stadtnatur.
Pressemitteilung NABU HH