Greenpeace-Datenanalyse zeigt: Verkehrsdaten von acht Ausbaustrecken zeigen erstmals die überwiegend negativen Folgen zusätzlicher Autobahnspuren
Autobahnen um zusätzliche Spuren zu erweitern, senkt nicht das Risiko, in einen Stau zu geraten. In der Umgebung der Autobahnen werden Staus nach einem Ausbau sogar häufiger, zeigt eine heute veröffentlichte Greenpeace-Analyse von Informationen des Verkehrsdaten-Anbieters TomTom. Verglichen wurden Pkw-Geschwindigkeiten auf acht Ausbaustrecken im Jahr vor dem Bau und im zweiten Jahr nach dem Abschluss der Bauarbeiten. Die Analyse weist erstmals systematisch nach, dass die Beseitigung sogenannter Engpässe auf Autobahnen weitere Engpässe schafft. „Die Datenanalyse entzaubert die Mär von der Engpassbeseitigung“, sagt Benjamin Gehrs, Greenpeace-Verkehrsexperte und Autor der Analyse. „Breitere Autobahnen sorgen für mehr Verkehr und noch mehr Stau. Das schadet dem Klima und verschwendet Steuergelder, die wir dringend für den Ausbau der klimafreundlichen Bahn brauchen. Auf diesen Ausbau sollte die Bundesregierung all ihre Planungskapazitäten konzentrieren.“
Im anhaltenden Koalitionsstreit, ob Autobahnen künftig beschleunigt und so mit weniger strikten Umweltauflagen gebaut werden sollen, ist zuletzt oft von Engpassbeseitigung die Rede. Beschleunigt gebaut werden sollen demnach Autobahnabschnitte, durch die sich der Verkehrsfluss angeblich verbessert.
Ausbau von Autobahnen schadet dem Klima mehrfach
Die Analyse zeigt dagegen: Während die Durchschnittsgeschwindigkeit nach dem Ausbau insgesamt leicht stieg, ging sie bei den langsamsten fünf Prozent der erfassten Pkw in vier von acht Fällen zurück – ein Zeichen für verstärkte Staubildung nach den Erweiterungen. Auf umliegenden Hauptstraßen kam es in sechs von acht Fällen zu mehr Verkehrsstörungen.
Die Analyse untersucht die Durchschnittsgeschwindigkeit aller erfassten Pkw, die maximale Geschwindigkeit der langsamsten fünf Prozent und die minimale Geschwindigkeit der schnellsten fünf Prozent. Demnach sind die größten Profiteure eines Ausbaus Schnellfahrer:innen außerhalb der Stoßzeiten. In sieben von acht untersuchten Fällen stieg der Wert für die schnellsten fünf Prozent überdurchschnittlich. Der Ausbau von Autobahnen schadet dem Klima demnach auf mehrfache Weise: Er erzeugt zusätzlichen Verkehr, häufigere Staus und fördert außerhalb der Stoßzeiten hohe Geschwindigkeiten.
Pressemitteilung Greenpeace
Verkehrsministerium rechnet Klimaschäden durch Fernstraßen-Bau klein – BUND- und Greenpeace-Analyse: CO2-Ausstoß doppelt so hoch
Beim Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen entstehen deutlich mehr CO2-Emissionen, als der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 ausweist. Das zeigen Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Analyse.
Sie wertet Informationen zu den einzelnen Fernstraßenvorhaben aus dem Projektdossier des BVWP 2030 aus und addiert die dort hinterlegten Klimabewertungen aller etwa 600 Fernstraßenprojekte des sogenannten vordringlichen Bedarfs. Demnach liegen die CO2-Emissionen dieser Projekte bei über einer Million Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr – doppelt so viel, wie der Umweltbericht zum BVWP 2030 ausweist. Dortige Angaben gehen von lediglich 545.000 Tonnen jährlich aus.
Zudem ignorieren die Klimabewertungen des BVWP 2030 relevante Emissionsquellen: etwa steigenden Lkw-Verkehr, der durch neue Autobahnen entsteht, oder den Verlust von CO2-speichernden Senken, etwa durch die Entwässerung von Mooren. Insofern ist auch die Analyse von BUND und Greenpeace noch konservativ. Beide Verbände fordern Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf, die Planung der Verkehrsinfrastruktur an den Klima- und Naturschutzzielen auszurichten.
Lena Donat, Greenpeace-Mobilitätsexpertin: „Das Verkehrsministerium rechnet den Klimaschaden durch neue Fernstraßen systematisch klein. Die Klimabilanz für geplante Straßen ignoriert bislang zentrale CO2-Quellen. Die Klimaauswirkungen der Straßenprojekte sind mindestens doppelt so hoch, wie bisher angenommen. Immer mehr Straßen vergrößern den Klimarückstand des Verkehrs nur noch weiter. Wir brauchen eine moderne Verkehrspolitik, die konsequent auf klimaschonende Mobilität wie die Bahn setzt. Damit die Klimaziele im Verkehr erreicht werden, ist ein Klima-Check des Bundesverkehrswegeplans unumgänglich. Bis dahin sollten alle Fernstraßen-Projekte auf Eis gelegt werden.“
Antje von Broock, BUND Geschäftsführerin: „Der jetzige Bundesverkehrswegeplan ist unhaltbar. Daran lassen die drohenden Klimaschäden durch den Fernstraßen-Bau keinen Zweifel. Durch die Fernstraßenprojekte würden die CO2-Emissionen jährlich um mehr als eine Million Tonnen steigen. Die Klimaziele im Verkehr wären damit unerreichbar. Bei der aktuellen Bedarfsplanüberprüfung müssen daher die gesamten Treibhausgasemissionen umfassend ermittelt und alle Projekte mit Blick auf die Klima- und Naturschutzziele neu bewertet werden. Denn schon die offiziell ermittelten Lebenszyklusemissionen laut BVWP sind viel zu niedrig angesetzt. Die Emissionen von Neuverkehren wurden nur zum Teil, Eingriffe in natürliche Kohlenstoffsenken überhaupt nicht erfasst. Für alle Projekte, die zu höheren Treibhausgasemissionen führen, muss es klimaschonende Alternativen geben. Wenn das nicht möglich ist, müssen diese Vorhaben aus dem Plan gestrichen werden.“
Nach Analyse von Greenpeace und BUND beruhte die Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans durch den Deutschen Bundestag 2016 auf einer falschen Berechnung der Emissionen. Hinzu kommt, dass entscheidende Anteile der Emissionen durch den Bau weder im Umweltbericht noch in den Projektdossiers bisher ausreichend berücksichtigt worden sind. Zudem würden allein durch den Bau der vordringlichen Fernstraßenprojekte über 13.000 Hektar Fläche verbraucht, 250 Natura-2000-Gebiete würden möglicherweise und 87 wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt, auf rund 1000 Kilometern würden bisher zusammenhängender Großtier-Lebensräume neu zerschnitten.
„Meint es diese Bundesregierung ernst mit dem Klima- und Artenschutz, darf der Bundesverkehrswegeplan 2030 nicht so bleiben. Es ist höchste Zeit für eine zukunftsweisende Verkehrsplanung, die sich am Schutz unseres Planeten orientiert“, erklären beide Organisationen übereinstimmend.
Pressemitteilung BUND
Mehr Infos: https://www.bund.net/themen/mobilitaet/infrastruktur/fernstrassen/
https://www.greenpeace.de/klimaschutz/mobilitaet/verkehrte-verkehrsplanung