Deutsche Umwelthilfe zwingt Bundesregierung vor Gericht zur Aufstellung von wirksamen Klimaschutz-Sofortprogrammen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat mit zwei Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das nächste bahnbrechende Klima-Urteil erstritten: Die Richterinnen und Richter bestätigen, dass die Bundesregierung gegen das Bundesklimaschutzgesetz verstößt und verurteilen sie dazu, schnellstmöglich wirksame Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude vorzulegen.
Das Gericht gibt mit seiner heute Morgen verkündeten Entscheidung der DUH in beiden Verfahren Recht. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert die Ampel-Regierung auf, umgehend Notfallmaßnahmen wie ein Tempolimit, den Abbau der 65 Milliarden schweren klimaschädlichen Subventionen und eine Sanierungsoffensive etwa für Schulen und Kindergärten zu beschließen. In einem weiteren Verfahren hatte neben der DUH auch der BUND geklagt und ebenfalls Recht bekommen.
Klimaschutz-Sofortprogramme sollen die Einhaltung der jährlichen Emissionsgrenzen im Klimaschutzgesetz sicherstellen. Diese waren in den Sektoren Verkehr und Gebäude in den letzten Jahren wiederholt gerissen worden. Für die DUH ist dieses Urteil erst der Anfang zur Korrektur der deutschen Klimapolitik durch Gerichte: Am 1. Februar 2024 werden drei weitere Klimaklagen des Verbands gegen die Bundesregierung verhandelt, in denen es darum geht, die Regierung zum Beschluss ausreichender Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren bis zum Jahr 2030 zu zwingen.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Dieses Urteil ist der richterliche Doppel-Wumms für den Klimaschutz und eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung wegen ihrer katastrophalen Klimapolitik. Die Bundesregierung muss angesichts der heute startenden Weltklimakonferenz ein Zeichen für einen Neustart im Klimaschutz setzen und als einzige sofort wirksame Maßnahme ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 für die Stadt umsetzen. Damit lassen sich jährlich über 11 Millionen Tonnen CO2 und damit ein Drittel des Fehlbetrages im Verkehrssektor einsparen. Zudem müssen endlich die zahlreichen klimaschädlichen Subventionen im Verkehr gestrichen werden, die die Gesellschaft jedes Jahr über 30 Milliarden Euro kosten. Allein mit der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs spart die Ampel-Koalition auf einen Schlag bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 und viele Milliarden Euro. Die Maßnahmen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Die Regierung wollte einfach nicht. Mit diesem Urteil zwingen wir sie nun zum Klimaschutz.“
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Drei Mal hat der Gebäudesektor die Klimaziele verfehlt. Mit der aktuell völlig kopflosen und verantwortungslosen Gebäudepolitik von Kanzler Scholz, Bauministerin Geywitz und Klimaminister Habeck steuert Deutschland auf eine riesige Zielverfehlung zu, die nicht nur ein klimapolitisches Desaster ist, sondern auch in Kauf nimmt, dass Millionen Menschen in Deutschland ihre Energiekosten nicht mehr werden bezahlen können. Jetzt schiebt das Gericht dieser politischen Fehlleistung einen Riegel vor und zwingt die Bundesregierung ein echtes Sofortprogramm vorzulegen nach dem ‚Nutella-Prinzip‘: Was drauf steht muss auch drin sein. Dazu gehören Maßnahmen wie die Sanierung der schlechtesten Gebäude zuerst, eine Sanierungsoffensive für Kitas und Schulen und der klimazielkompatible Neubau. Das ist eine gute Nachricht für die Menschen in Deutschland, die mit dieser Gerichtsentscheidung ein wenig mehr Sicherheit für die Zukunft gewonnen haben.“
Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren juristisch vertritt: „Klimaschutz ist eine Rechtspflicht, kein politisches ‚Nice-to-have‘. Dies hat das Gericht heute in aller Deutlichkeit klargestellt. Klimaschutzziele sind auch keine unverbindlichen Empfehlungen. Es sind rechtsverbindliche Vorgaben, an die sich die Bundesregierung zu halten hat. Die Urteile geben uns Rückenwind für unsere Klagen auf gesetzeskonforme Klimaschutzprogramme, die am 1. Februar 2024 verhandelt werden.“
Hintergrund:
Das Bundes-Klimaschutzgesetz legt jahresscharfe Obergrenzen für klimaschädliche Emissionen für einzelne Sektoren fest. Werden diese gerissen, wie in den letzten Jahren in den Sektoren Gebäude und Verkehr, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm erarbeiten. Die Bundesregierung muss das entsprechende Sofortprogramm danach beschließen. Die Maßnahmen des Sofortprogramms müssen laut Klimaschutzgesetz so ausgestaltet sein, dass sie die Einhaltung der gesetzlichen CO2-Vorgaben in den folgenden Jahren sicherstellen. Laut dem aktuellen Projektionsbericht wird allein der Verkehrssektor bis 2030 über 200 Millionen Tonnen CO2 mehr emittieren als das Klimaschutzgesetz erlaubt. Angesichts des Urteils fordert die DUH als erste Notmaßnahme ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und einer verbindlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. Weitere nötige Maßnahmen sind unter anderem die Abschaffung der über 30 Milliarden teuren klimaschädlichen Subventionen im Verkehr und eine CO2-basierte Neuzulassungssteuer für Pkw.
Laut dem aktuellen Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen wird der Gebäudebereich sein Treibhausgasbudget bis 2030 um mindestens 35 Millionen Tonnen überschreiten. Trotzdem hat die Bundesregierung der sozialgerechten Wärmewende in diesem Jahr mit dem verwässerten Gebäudeenergiegesetz und ihrem desaströsen 14-Punkte-Plan für die Bau- und Immobilienbranche eine Absage erteilt.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe
BUND-Klimaklage: Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Bundesregierung versagt beim Klimaschutz und bricht geltendes Gesetz
Umweltverband mit Klimaklage für die Sektoren Verkehr und Gebäude erfolgreich
BUND begrüßt, dass damit Handlungsdruck für mehr Klimapolitik entsteht
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil auf die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eingereichte Klage hin die Bundesregierung erneut zu mehr Klimaschutz aufgefordert.
Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin: „Mit dem heutigen Urteil ist die Bundesregierung dazu verpflichtet worden, beim Klimaschutz nachzulegen. Gebäude- und Verkehrssektor brauchen ein Klimaschutz-Update. Nachweislich ungenügende Maßnahmen reichen nicht. Es müssen konkrete Sofortprogramme her, die wirksam auf die Klimaziele einzahlen.“
Laut dem Urteil ersetzen die bisher vorgelegten Maßnahmen und Programme der Regierung ein Sofortprogramm nach § 8 Klimaschutzgesetz (KSG) nicht. Der BUND hatte zudem angeführt, dass die bisherigen Maßnahmen die eklatante Klimaschutz-Lücke nicht schließen. Dem ist das Gericht gefolgt und hat die Anforderungen an die Programme nach dem KSG konkretisiert.
Von Broock: „Das Gericht hat dem Klimaschutz den Rücken gestärkt. Das klimapolitische Versagen der Bundesregierung ist gesetzeswidrig. Von den Ministern Wissing, Geywitz und Habeck erwarten wir jetzt rasch ambitioniertere Maßnahmen, um auf Klimakurs zu kommen. Das heißt: Tempolimit jetzt, Dienstwagenprivileg abschaffen, Steuervorteile für Diesel und Kerosin beenden und klare Vorgaben für die energetische Modernisierung von Gebäuden.“
Die Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wurde rechtlich vertreten von der langjährig im Umweltrecht tätigen Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß, ihrer Kollegin Lisa Hörtzsch, jeweils Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbH, und Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt aus Leipzig. Heß und Ekardt haben bereits die 2021 erfolgreiche BUND-Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht gemeinsam rechtlich vertreten.
Hörtzsch und Ekardt erklären zum Urteil: „Das Klimaschutzgesetz ist eindeutig. Es steht nicht im Belieben der Bundesregierung, ob sie bei Überschreitungen von Jahresemissionsmengen durch einzelne Sektoren ein Sofortprogramm aufstellt oder nicht. Das gilt umso mehr, als gemessen am Verfassungsrecht und an der 1,5-Grad-Grenze aus dem Pariser Klima-Abkommen die deutschen Klimaziele weiterhin unzureichend sind. Wenn schon diese unzureichenden Ziele verletzt werden, musste das bei Gericht Folgen haben.“
Hintergrund:
Der BUND hat die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Treibhausgas-Sektorziele für Verkehr und Gebäude verklagt. Der Umweltverband verlangte in seiner beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Klage den Beschluss von Sofortprogrammen, wie sie das KSG vorsieht (Paragraf 8). Diese Sofortprogramme müssen Maßnahmen zur Einhaltung der jährlichen Sektor-Ziele beinhalten. Eine vorherige Aufforderung des Verbandes, ein wirksames Sofortprogramm vorzulegen, ließ die Bundesregierung ungenutzt verstreichen.
Pressemitteilung BUND
Nach Klima-Urteil gegen die Bundesregierung: VCD fordert Tempolimits und den Abbau klimaschädlicher Subventionen
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat heute entschieden, dass die Bundesregierung gegen das Klimaschutzgesetz verstößt. Das Urteil verpflichtet die Regierung, schnellstmöglich wirksame Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude vorzulegen. Für Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, ist klar: Minister Wissing muss schleunigst effektive Maßnahmen vorlegen.
„Bundeskanzler Scholz besucht die Weltklimakonferenz in Dubai, während ihm zuhause ein Gericht das Versagen seiner eigenen Klimapolitik attestiert. Vor allem im Verkehr muss die Regierung handeln. Das von Minister Wissing im letzten Jahr vorgelegte Sofortprogramm ist weder dazu geeignet, die Klimalücke im Verkehr zu verringern, noch erfüllt es die Anforderungen des Klimaschutzgesetzes.
Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, Herr Wissing muss endlich liefern. Was nötig ist, liegt seit Jahren auf dem Tisch: Unumgänglich ist der Abbau der Steuerprivilegien im Verkehr. Rund 30 Milliarden Euro entgehen dem Staat jährlich durch Dienstwagenprivileg und ermäßigte Dieselsteuer, durch Entfernungspauschale und Steuerbefreiungen in der Luftfahrt. Auch Kfz-Steuer und Luftverkehrsteuer bedürfen dringend einer Reform nach ökologischen Maßstäben.
Subventionsabbau und Steuerreform zusammen schaffen Spielräume im Haushalt für eine nachhaltige und sozial gerechte Transformation. Dies gilt umso mehr nach dem Verfassungsgerichts-Urteil zum Klima- und Transformationsfonds.
Als Sofortmaßnahme darf auch das Tempolimit nicht länger tabu sein. Tempo 120 auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen entlasten das Klima jährlich um mindestens sieben Millionen Tonnen CO2, gleichzeitig machen sie die Straßen sicherer. Auch innerorts dient Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einem besseren Klima, schützt Rad- und Fußverkehr und verringert Lärm und Luftverschmutzung.
All das ist bekannt und belegt. Nun muss Herr Wissing es umsetzen – die Zeit des Aussitzens ist vorbei.“
Mehr Infos: https://www.vcd.org
Pressemitteilung VCD