“Bau der U-Bahn U5 wird nicht klimaschonend”

Maßnahmen zur CO2-Vermeidung sind sinnvoll, Abscheidung löst Probleme nicht / Emissionen müssen durch Einsparungen im Straßenverkehr ausgeglichen werden

 

Aus Sicht des BUND Hamburg sind die heute von Verkehrssenator Anjes Tjarks und Hochbahn-Vorstand Henrik Falk vorgestellten Klimaschutzmaßnahmen keine ausreichende Lösung für das Problem der enormen CO2-Emissionen beim Bau der U-Bahn U5. Insbesondere bei der genannten CO2-Abscheidung in der Zementindustrie und der Verpressung unter die Erde sei nicht absehbar, wann diese Technik überhaupt zur Verfügung stehen würde. Außerdem sei die unterirdische Einlagerung derzeit rechtlich nicht möglich. Gerade vor wenigen Tagen habe der Landtag von Schleswig-Holstein fraktionsübergreifend die CCS-Technologie unter dem Gebiet der Nordsee, das für die CCS-Technik besonders im Fokus steht, abgelehnt.

„Alle Maßnahmen zur Vermeidung von CO2 durch materialreduzierte und effiziente Bauweise sind zu begrüßen, da sie die Klimabilanz der U5 verbessern. Die CO2-Abscheidung und Verpressung bei den Zementherstellern ist aber weder ausreichend erforscht noch würde sie in die Hamburger Klimabilanz eingehen“, kritisiert Lucas Schäfer, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Dazu komme, dass die Technik selbst große Mengen an zusätzlicher Energie verbrauche und damit deren Klimabilanz verschlechtere.

Auch die Verwendung von „grünem“ Stahl, der mit Hilfe von Wasserstoff produziert werde, verbessere die CO2-Bilanz des U-Bahn-Baus nur auf dem Papier. „Grüner“ Wasserstoff werde aus regenerativem Strom hergestellt und solange dieser nicht in ausreichender Menge vorhanden sei, also 100 Prozent des deutschen Strommixes ausmache, seien darin die CO2-Emissionen der Kohle- und Gaskraftwerke sowie vorläufig sogar Atomstrom enthalten.

Der BUND fordert deshalb, dass die gesamten durch den Bau der U5 verursachten CO2-Belastungen im Klimaplan und im Klimaschutzgesetz berücksichtigt und im Sektor Verkehr ausgeglichen werden. „Dies kann nur gelingen, wenn wir auf andere Großprojekte wie den Neubau der Autobahn A26-Ost und den Ausbau der A1 im Hamburger Südosten verzichten“, so der BUND-Geschäftsführer.

Pressemitteilung BUND Hamburg


NABU-Kommentierung zur CO2-Einsparung bei der U5

Siegert: „Blaupause für andere Projekte, aber kein Freifahrtschein“

Auf der heutigen Landespressekonferenz hat Verkehrssenator Anjes Tjarks vorgestellt, wie beim Bau der U5 bis zu 70% der CO2-Emissionen eingespart werden könnten. Der NABU Hamburg begrüßt die Bestrebungen von Verkehrsbehörde und Hochbahn, die Emissionen möglichst im Einklang mit den Zielen des Klimaschutzes so stark wie möglich zu reduzieren. Eine umfangreiche Ökobilanzierung inklusive einer Erhebung der Lebenszyklusemissionen und der Prüfung von Einsparpotenzialen sollte Pflicht für jedes große Infrastrukturvorhaben sein.

Dazu Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg:

„Für eine klimaneutrale Zukunft brauchen wir einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Die Untersuchung zu den CO2-Einsparpotenzialen bei der U5 ist vorbildlich und eine Blaupause für andere Infrastruktur- und Bauprojekte. Die Chancen, die klimafreundlicheres Bauen potentiell ermöglichen, dürfen jedoch nicht dazu führen, dass weiterhin auf Kosten von Umwelt und Natur Flächen in Anspruch genommen werden – nur weil es klimaneutral ist. Denn: der Kröte ist es im Zweifel egal, ob ihr Lebensraum von klimaneutralem oder konventionellem Beton zugepflastert wird. Das Artensterben wird sich weiter verstärken, wenn wir einfach so weiter Fläche in Anspruch nehmen wie bisher. Die Zukunft des Bauens muss deshalb nicht nur klima- sondern dringend auch naturverträglich sein.“

Pressemitteilung NABU Hamburg


U5 wird Leuchtturmprojekt für klimaschonenden Bau

– CO2-Emissionen im Bau können um 70 Prozent gesenkt werden

– Klimaverantwortung: CO2-Emissionen aus Lieferketten berücksichtigt

Hamburgs erste vollautomatische U-Bahn-Linie U5 wird Realität. Als Kernelement der Mobilitätswende in der Stadt wird sie Fahrgästen künftig einen Mobilitätskomfort auf höchstem Niveau bieten. Durch den automatischen Betrieb besonders leistungsfähig, mit flexiblen Zuglängen und einer Taktfolge von bis zu 90 Sekunden. Betrieben mit 100 Prozent Ökostrom bietet sie künftig 180.000 Hamburgerinnen und Hamburgern erstmalig einen fußläufigen Zugang zum U-Bahn-System. 270.000 Fahrgäste werden die neue Linie täglich nutzen und damit im Jahr rund 105 Millionen Pkw-Kilometer einsparen.

Auch im Bau wird die U5 neue Maßstäbe setzen. Die Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) und ihre Tochtergesellschaft HOCHBAHN U5 Projekt GmbH (U5 GmbH) haben sich das Ziel gesetzt, mit dem Bau der U5 ein neues Kapitel in der Errichtung von Verkehrsinfrastruktur aufzuschlagen und dabei das Thema Klimaverantwortung in den Mittelpunkt der Planungen zu stellen. Erstmals bei einem solchen Infrastrukturprojekt sollen nicht nur die vor Ort entstehenden CO2-Emissionen, sondern auch die komplette Lieferkette berücksichtigt werden. So soll die klimaschonendste U-Bahn Deutschlands entstehen. Die strategische Ausrichtung beinhaltet aber nicht nur das Heben heute möglicher Reduktionspotentiale. Auch künftige technische Fortschritte im Bereich klimafreundlichen Bauens sollen genutzt werden. Um diesen Prozess zu initiieren und zu beschleunigen, stehen HOCHBAHN und U5 GmbH in einem engen Austausch mit Unternehmen und Verbänden der Stahl-, Beton- und Zementindustrie.

Das Ergebnis: 70 Prozent der CO2-Emissionen, die bei einem heute üblichen Bauverfahren entstehen würden, lassen sich durch die Reduktionsstrategie einsparen. Zwei unabhängige Gutachten haben die Ergebnisse bestätigt und als „eher defensiv“ gewertet.

Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende: „Der Bau der U5 ist ein Jahrhundertprojekt. Die hochmoderne, automatisch und mit Ökostrom fahrende Linie wird die Mobilität für sehr viele Menschen in Hamburg verändern. Wir wollen aber nicht nur im Betrieb, sondern auch beim Bau eine Vorreiterrolle einnehmen. Deshalb haben wir die CO2-Emmissionen beim Bau erstmals zum wesentlichen Bewertungskriterium gemacht. Gemeinsam mit den Partnern aus der Industrie sollen so die CO2-Emmissionen beim Bau um 70 Prozent gesenkt werden und während der Bauzeit pro Jahr durchschnittlich weniger als 0,4 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes Hamburgs ausmachen. Das ist ein sehr starkes Zeichen: Wir stellen uns der Verantwortung, die mit dem Bau einer U-Bahn-Linie einher geht.“

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der HOCHBAHN: „Der Bau der U5 läutet eine neue Zeit ein. Erstmalig nehmen wir dabei den gesamten Prozess in den Blick und übernehmen Verantwortung für wirklich alle entstehenden CO2-Emissionen. Besonders wichtig ist der Austausch mit der Industrie, um gemeinsam einen Markt für CO2-arme Baustoffe und -prozesse zu entwickeln. Das wird neue Maßstäbe für den Bau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland setzen.“

Eine Reduktionsstrategie für die U5

Vor allem durch den Einsatz von Stahl und Beton entstehen beim Bau der U5 große Mengen an CO2. Mit Hilfe einer umfassenden Reduktionsstrategie sollen diese CO2-Emissionen massiv verringert werden. HOCHBAHN und U5 GmbH haben dafür zusammen mit dem Ingenieurbüro LPI aus Hannover eine Strategie für die U5 erarbeitet, die sich auf zwei wesentliche Säulen stützt. Die erste Säule umfasst die Optimierung aller Planungsleistungen, um zum Beispiel den Einsatz der Baustoffe zu verringern, die zweite die CO2-Minimierung im eigentlichen Bauprozess.

Entscheidend für die Reduktionsstrategie sind vier Grundpfeiler: 1. Es darf keine Abstriche hinsichtlich Funktionalität und Nutzungsdauer der U5 geben. 2. CO2 wird zu einem Bewertungskriterium für den Bau – genau wie Zeit und Kosten. 3. Auch die CO2-Emissionen, die an einem anderen Ort oder beim Transport der Baumaterialien entstehen, werden erfasst, die Klimabilanz deckt also den kompletten Herstellungsprozess ab. 4. Es sollen nicht nur die heute bestehenden Möglichkeiten zur Emissionsverringerung genutzt werden, sondern es soll ein Prozess zur Weiterentwicklung emissionsarmer Herstellungsverfahren vor allem im Beton-, Zement- und Stahlbereich initiiert werden.

Klaus Uphoff, technischer Geschäftsführer U5 GmbH: „Wir wollen die Klimaverantwortung für die gesamte U5 übernehmen. Damit schauen wir noch früher und ganzheitlicher hin und erfassen auch CO2-Emissionen, die außerhalb unseres eigentlichen Bauprojekts entstehen. CO2 wird zu einem Bewertungskriterium wie Zeit und Kosten. Damit steuern wir das Projekt in Richtung klimaschonender Bau der U5.“

Die Planung reduziert Materialmengen, passt Bauweisen und Bauprozesse an, installiert ein möglichst emissionsarmes Bodenmanagement (Logistik) und sorgt für eine Auftragsvergabe nur an Unternehmen, die umweltschonende Baustoffe herstellen bzw. verwenden. Zudem wird auch im Bauprozess ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen genutzt. Das gilt beispielsweise auch für den Betrieb der Tunnelbohrmaschine, die beim Bau der U5 zum Einsatz kommen wird.

Als Deutschlands größtes innerstädtisches Infrastrukturprojekt schafft die U5 mit dieser Strategie auch einen relevanten Markt für klimaschonend hergestellte Baustoffe. Nachhaltigkeit wird ein wesentliches Kriterium für den Einsatz von Baustoffen und die Auftragsvergabe. Und auch die Industrie hat erkannt, dass die Herstellung von Baustoffen umweltschonender werden muss. Schon der bisherige Austausch mit der Industrie bei der Erarbeitung der Reduktionsstrategie hat gezeigt, dass vor allem im Stahlbau und bei der Produktion von Zement und Beton deutliche CO2-Einsparpotenziale zu erwarten sind.

Henrik Falk: „Wir wollen hier ganz bewusst in die Treiberrolle gehen, wie wir es auch schon bei der Beschaffung der E-Busse gemacht haben. Wir können es uns schlicht nicht leisten zu warten, ob irgendwann ein Markt für CO2-arme Baustoffe entsteht. Mit der klaren Ausrichtung der U5 auf eine klimaschonende Bauweise setzen wir ein deutliches Signal an die Industrie, dass es hier eine relevante Nachfrage nach entsprechenden Vorprodukten gibt.“

Für das Zielszenario setzt die U5 GmbH schon heute nur noch klinkerarme Zemente beim Bau der U5 ein. Ab 2025 kommt dann CO2-reduzierter Stahl hinzu und ab 2028 sollen nur noch Zemente mit anteiliger CO2-Abscheidung (Abspaltung und Speicherung von CO2) im Herstellungsprozess verbaut werden. 2035 sollen dann schon Zemente mit 100%-CO2-Abscheidung im Herstellungsprozess verfügbar sein. Mit diesen Einsparungen auf Materialebene kann der CO2-Ausstoß des Baus der gesamten U5 auf rund 850.000 Tonnen verringert werden. Würde die U5 ohne die jetzt eingeleitete Reduktionsstrategie gebaut, hätte der Wert der CO2-Emissionen bei etwa 2,7 Millionen Tonnen gelegen.

Die Annahmen und das Vorgehen der Reduktionsstrategie und die zu erwartenden industriellen Entwicklungen sind von zwei externen Gutachten der Uni Innsbruck und der STUVA unabhängig überprüft und als realistisch bestätigt worden. Beide Gutachten gehen sogar davon aus, dass die Einsparungen von rund 70% durch noch stärkere Fortschritte in der industriellen Entwicklung, als in der Strategie unterstellt, noch übertroffen werden können.

Steuerung und Transparenz durch Monitoring

Für eine wirkungsvolle Steuerung und eine hohe Transparenz soll der tatsächliche CO2-Ausstoß des Baus über die gesamte Bauzeit genau überwacht werden. Die CO2-Bilanzierungsprognose erfolgt auf Basis der tatsächlichen Daten, Optimierungen und industriellen Entwicklungen. Damit wird das Monitoring der CO2-Emissionen Teil des Risikomanagements für die U5. Es handelt sich dabei um einen laufenden Prozess, der sich dynamisch den Planungstiefen der Teilprojekte anpassen muss und durch neue Erkenntnisse fortgeschrieben wird. So soll die neue U-Bahn nicht nur durch den modernsten und klimaschonenden Betrieb neue Maßstäbe setzen, sondern auch durch einen Bau, der alle Möglichkeiten zur CO2-Reduktion heute und in der Zukunft nutzt.

Aktueller Projektstand

Für den ersten Abschnitt der U5 von Bramfeld in die City Nord laufen aktuell die Leitungsverlegungen als vorbereitende Arbeiten für den Bau des Tunnels und der Haltestellen. Am 30. September erfolgt der feierliche Spatenstich für Hamburgs neue U-Bahn-Linie. Der Probebetrieb auf dem ersten Abschnitt ist für Ende 2027 geplant.

Die Reduktionsstrategie „Neubauprojekt U5 Hamburg – THG-Bilanzierung und Roadmap“ ist online unter https://www.hochbahn.de/de/projekte/u-bahn-ausbau/die-u5-fuer-hamburg abrufbar.

Pressemitteilung Hamburger Hochbahn AG und Behörde für Verkehr und Mobilitätswende


Klimabilanz der neuen U5

Botzenhart: „Ein Meilenstein für zukünftige Projekte dieser Art“

Im Rahmen der heutigen Landespressekonferenz wurde vorgestellt, wie ein klimaschonender Bau der neuen U-Bahn-Linie U5 gelingen kann. So ist es laut zweier Gutachten möglich, sowohl in der Lieferkette als auch bei der eigentlichen Errichtung die emittierten Mengen an CO2 deutlich zu reduzieren. Bis zu 70 Prozent der Emissionen, die bei einem konventionellen Bau entstehen würden, werden so eingespart.

Dazu Eva Botzenhart, Sprecherin für Verkehr der Grünen Fraktion Hamburg: „Die U5 wird in einigen Jahren ein zentraler Teil von Hamburgs Mobilität. Sie ist das größte Infrastrukturprojekt der Stadt und muss selbstverständlich klimaschonend sein. Dass es nun gelingen wird, die sonst bei solchen Bauvorhaben üblichen Klimaschäden erheblich abzuschwächen und die CO2-Emissionen um bis zu 70 Prozent zu reduzieren, ist daher eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen die Klimakrise. Die von der Hochbahn heute vorgelegten Konzepte zur Bilanzierung und Reduzierung der Emissionen sind bisher einmalig und damit ein Meilenstein für zukünftige Projekte dieser Art. Mit dem Zurückgreifen auf grünen Stahl und klimafreundlichen Beton gehen wir in Hamburg den richtigen Weg. Zudem beruht ein Teil der Einsparungen auch auf konkreten Prozessoptimierungen in der Industrie, die wir somit in die Pflicht nehmen. So schaffen wir qualitätsvollen öffentlichen Nahverkehr für alle Hamburger*innen – mit deutlich weniger schädlichen Emissionen als bisher erwartet.“

Pressemitteilung Grüne Fraktion Hamburg

Foto: U5 Visualisierung Musterhaltestelle © Hochbahn Hamburg

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