Das heute von BUND und der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) zusammen mit weiteren Umwelt- und Naturschutzverbänden vorgestellte Luftverkehrskonzept der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) findet bei der BAW eine breite Zustimmung.
Das NGO-Konzept ist geprägt von der Forderung eines umweltverträglichen Luftverkehrs in Deutschland, lässt dabei aber die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit nicht aus dem Auge. Besonders für den Luftverkehrsstandort Hamburg gilt das unbedingte Zusammenspiel der Faktoren Mensch, Umwelt und Wettbewerb, hin zu einem vom ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken geprägten Flughafen. Der Flughafen in Hamburg ist einer der wenigen innerstädtischen Großflughäfen mit tagtäglicher schädigender Auswirkung auf Mensch und Umwelt.
Insbesondere für den Standort Hamburg stellen die vorgestellten Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz des Flughafens bei den vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürgern aber auch des Flugverkehrs insgesamt dar. In Deutschland wurden im Jahr 2014 21 Prozent der deutschen Bevölkerung von Fluglärm gestört. Hervorzuheben für den innerstädtischen Großflughafen Hamburg ist insofern die Forderung nach der Einführung einer strikten Nachtruhe von mindestens 8 Stunden. Nach Ermittlungen der WHO beträgt das tägliche Schlaf- und Ruhebedürfnis eines Neugeborenen 16,5 Stunden und sinkt auf 7,5 Stunden für einen Erwachsenen. Die sogenannte „Kernnachtzeit“ von 0:00 bis 5:00 Uhr reicht zur Erfüllung dieses Grundbedürfnisses bei weitem nicht aus. Störungen der Nachtruhe durch Spät- und Nachtflüge erhöhen letztlich das Risiko an Herz- und Kreislauferkrankungen um bis zu 80 Prozent. In Hamburg hat insbesondere der Spät- und Nachtflugverkehr in der Zeit zwischen 22:00 und 24:00 Uhr mit 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr gravierend zugenommen.
Mit der Priorisierung des aktiven Fluglärmschutzes wird die Stellschraube dort angezogen, wo der Fluglärm entsteht. „Das ziellose Herumdoktern am überbordenden Fluglärm muss endlich beendet werden. Das Mittel der Zeit ist die Vermeidung von Fluglärm an der Quelle durch alle Instrumentarien des aktiven Fluglärmschutzes“, so Martin Mosel, Sprecher der BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Über den 16-Punkte-Plan gegen Fluglärm, hat sich Hamburg einer stärkeren gesetzlichen Verankerung des Fluglärmschutzes verpflichtet und soll auch mit eigenen Vorlagen hierzu beitragen. Die besonderen Anforderungen an den Lärmschutz eines innerstädtischen Großflughafens müssen hierbei Berücksichtigung finden. „Der Hamburger Senat hat es nun in der Hand mit dem NGO-Konzept als Vorlage seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und dem Bürger sein echtes Interesse an einem Gelingen von Fluglärmschutz in Hamburg aufzuzeigen. Er muss diesen dezidierten Vorstoss der Umweltverbände und Schutzorganisationen auf der Bundesebene auf das politische Tapet heben. Besonders Hamburg muss das nachdrückliche Bestreben haben den Spagat zwischen Mensch und Umwelt einerseits sowie Politik und wirtschaftlicher Prosperität andererseits zu schaffen“, fordert Mosel, gerichtet an den Hamburger Senat.
Hintergrund:
Zurzeit erarbeitet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend das im Koalitionsvertrag vereinbarte Luftverkehrskonzept der Bundesregierung. Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind an dem Prozess beteiligt, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF). Aus Sicht dieser und weiterer NGOs aus den Bereichen Umweltschutz, Lärmschutz und Entwicklungszusammenarbeit vernachlässigt das BMVI die Klimaschutzziele und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. BUND, BVF, Brot für die Welt, Deutscher Naturschutzring (DNR), Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), Klima-Allianz, Robin Wood und der ökologische Verkehrsclub VCD legen daher ein Luftverkehrskonzept auf Grundlage eigener Datenauswertungen vor. Aus dem NGO-Konzept geht hervor, dass es in Deutschland entgegen Verlautbarungen der Luftverkehrswirtschaft keine Infrastrukturengpässe, sondern eine zu große Flughafenkapazität gibt. Statt weiter auszubauen, sollten die sechs großen Flughäfen mit ihren regionalen Nachbarn und mit der Bahn kooperieren, um die Potenziale für die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auszuschöpfen, empfehlen die NGO. Außerdem fehle ein Gesamtkonzept, das wirksame Maßnahmen für Klimaschutz und effektiven Lärmschutz enthalte. Die NGOs fordern, im Luftverkehrskonzept der Bundesregierung global wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu verankern, darunter eine Klimaabgabe von zehn Euro auf jede Tonne CO₂-Äquivalent im Luftverkehr ab dem Jahr 2020. Diese müsse bis 2030 schrittweise auf 80 Euro erhöht werden.
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/mobilitaet/150804_bund_mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf
Pressemitteilung BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein 5.8.2015
NGO-Allianz stellt Luftverkehrskonzept vor und fordert verpflichtende Klima-Abgabe
Selbst bei steigenden Passagierzahlen und Flugbewegungen muss die Nachtruhe geschützt werden
Berlin: Zurzeit erarbeitet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend das im Koalitionsvertrag vereinbarte Luftverkehrskonzept der Bundesregierung. Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind an dem Prozess beteiligt, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF). Aus Sicht dieser und weiterer NGOs aus den Bereichen Umweltschutz, Lärmschutz und Entwicklungszusammenarbeit vernachlässigt das BMVI die Klimaschutzziele und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. BUND, BVF, Brot für die Welt, Deutscher Naturschutzring (DNR), Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), Klima-Allianz, Robin Wood und der ökologische Verkehrsclub VCD legen daher ein Luftverkehrskonzept auf Grundlage eigener Datenauswertungen hervor.
Aus dem NGO-Konzept geht hervor, dass es in Deutschland entgegen Verlautbarungen der Luftverkehrswirtschaft keine Infrastrukturengpässe, sondern eine zu große Flughafenkapazität gibt. Statt weiter auszubauen, sollten die sechs großen Flughäfen mit ihren regionalen Nachbarn und mit der Bahn kooperieren, um die Potenziale für die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auszuschöpfen, empfehlen die NGO. Außerdem fehle ein Gesamtkonzept, das wirksame Maßnahmen für Klimaschutz und effektiven Lärmschutz enthalte. Die NGOs fordern, im Luftverkehrskonzept der Bundesregierung global wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu verankern, darunter eine Klimaabgabe von zehn Euro auf jede Tonne CO2-Äquivalent im Luftverkehr ab dem Jahr 2020. Diese müsse bis 2030 schrittweise auf 80 Euro erhöht werden.
Als echten deutschen Standortvorteil nennen die NGOs die sechs wirtschaftlich tragfähigen und schon jetzt oder in wenigen Jahren gut an die Schiene angebundenen Flughäfen Frankfurt/Main, München, Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Diese wickeln nach Berechnungen der NGOs fast 85 Prozent des Flugverkehrs ab. “Sechs Flughäfen sichern den Anschluss an interkontinentale Verbindungen, die nur zehn Prozent aller Flüge ausmachen”, sagte Werner Reh, Luftverkehrsexperte des BUND. “Nirgendwo in Deutschland gibt es Bedarf für neue Start- und Landebahnen. Überall in der Bundesrepublik wurden Kapazitäten massiv ausgebaut, doch an 20 Flughäfen ist der Flugverkehr rückläufig. Fehlplanungen müssen korrigiert und unnötige Flughäfen dürfen nicht mehr staatlich alimentiert werden”, kritisierte Reh. Das NGO-Luftverkehrskonzept zeige auch deutlich, dass von einer Benachteiligung des Luftverkehrs in Deutschland und Kapazitätsengpässen nicht die Rede sein könne. Flughafenkooperationen mit nicht ausgelasteten Flughäfen wie Nürnberg, Köln/Bonn und Leipzig/Halle seien die richtige Strategie.
200.000 im NGO-Konzept konkret benannte Flüge könnten nach den Berechnungen der NGOs in den nächsten Jahren ohne Zeitverlust für Passagiere und ohne neue Investitionen in die Infrastruktur auf die Schiene verlagert werden. “Das Airrail-System erweist sich als gute Lösung und kann auf die dafür geeigneten Strecken ausgeweitet werden. Flughäfen, Airlines und Bahn-Fernverkehr müssen viel enger kooperieren. Der Gepäcktransport für Zubringer- und Verteilverkehr zu Drehkreuzflughäfen und das Bahnangebot insgesamt müsste durch Sprinterzüge und mehr Zuverlässigkeit und Komfort optimiert werden”, sagte Michael Müller-Görnert vom VCD.
Helmut Breidenbach, Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF), forderte schnell wirksame und effektive Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms. “Durch den Einsatz größerer Flugzeugmuster und dichtere Bewegungsfolgen nimmt Fluglärm sogar wieder zu. Wir brauchen Lärmminderungskonzepte an den Flughäfen mit konkreten Reduktionszielen, die zunächst durch Obergrenzen den Lärm limitieren und dann in Jahresschritten senken. Bis zum Erreichen dieser Ziele müssen verstärkt Betriebsbeschränkungen greifen, vor allem in der Nacht und den Nachtrandstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr. Wir brauchen auch eine Reform der Lärmentgelte. Sie machen nur ein Prozent der Betriebskosten der Airlines aus und sind deshalb bisher wirkungslos”, sagte Breidenbach.
Besondere Bedeutung misst das NGO-Luftverkehrskonzept der Einführung einer Klimaabgabe zu. Die Einnahmen daraus müssten zu einem festgelegtem Anteil für die UN-Klimafonds “Green Climate Fund” oder “Adaptation Fund” verwendet werden. “Damit können Programme zur Minderung von Treibhausgasemissionen und Klima-Anpassungsmaßnahmen in den wirtschaftsschwächsten und vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern finanziert werden”, sagte Annegret Zimmermann, Referentin für Klimagerechtigkeit von “Brot für die Welt”. Non-CO2-Emissionen, also Klimaeffekte durch weitere Emissionen, die in höheren Luftschichten eine besonders schädliche Klimawirkung haben, müssten schrittweise einbezogen werden.
Das Konzept “Carbon Neutral Growth” der Luftverkehrswirtschaft, das zurzeit in der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation (ICAO) verhandelt wird, bewerten die NGOs als klimapolitisch untauglich, da es keine Reduzierung der klimawirksamen Emissionen des Luftverkehrs bewirke und Non-CO2-Emission nicht einbeziehe. Auch die vorgesehene Nutzung von Biomasse in großem Umfang lehnen die Verbände aus ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Gründen ab. “Wir dürfen nicht die Jahresproduktion von Biomasse, die einen Menschen ein Jahr lang ernährt, in wenigen Flugminuten verbrennen”, warnte Monika Lege, Verkehrsreferentin von Robin Wood.
Pressemitteilung BUND 4.8.2015