BERTINI-Preis 2024 geht an sechs Preisträger

Am 27. Januar, dem internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, wurden Jugendliche in Hamburg zum 27. Mal mit dem BERTINI-Preis ausgezeichnet. Der BERTINI-Preis 2024 wird an 66 junge Menschen verliehen. Sie sind im Rahmen von sechs Projekten auf die Suche nach vergangenem und gegenwärtigem Unrecht gegangen und haben sich für ein gleichberechtigtes Miteinander engagiert. Beworben hatten sich 20 allgemeinbildende Schulen (darunter 7 Gymnasien, eine Campusschule, 12 Stadtteilschulen), eine berufliche Schule, zwei Jugendorganisationen, zwei Sportvereine sowie zwei junge Erwachsene.

 

Die Preisverleihung im Ernst Deutsch Theater wurde eröffnet durch Schulsenatorin Ksenija Bekeris, die Festrede hielt Filmregisseurin Mo Asumang.

Senatorin Bekeris in ihrer Rede zu Demokratiebildung: „Weil mir Demokratiebildung ein so zentrales Anliegen ist, wollen und werden wir diese weiter stärken. So entwickeln wir ein gemeinsames Leitbild, in dem wir ein grundlegendes Verständnis über Demokratiebildung in allen Lebens- und Bildungsphasen von der Vorschule bis hin zum lebenslangen Lernen konzentriert zusammenführen. Wir werden dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung und der Landeszentrale für politische Bildung ermöglichen, Schulen Projekte wie die Demokratiewerkstatt zukünftig in noch größerem Umfang als bislang anzubieten oder eigene Projekte der Demokratiebildung zu realisieren. Gleichzeitig soll die Lehrkräftequalifizierung im Bereich der Demokratiebildung deutlich ausgeweitet werden. Hamburgs Schulen müssen, mehr noch als bisher, ein Ort gelebter Demokratie werden. Hier müssen demokratische Prozesse im täglichen Miteinander erprobt und eingeübt werden. Schulen als Ort der Demokratie muss von allen Beteiligten gemeinsam, Schulen, Schulgemeinschaften, Schulbehörde, Landesinstitut sowie von Kooperationspartnern mit Tatkraft vorangetrieben werden. Dafür setze ich mich ein. Darüber hinaus will ich erreichen, dass alle Hamburger Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit eine Gedenkstätte besuchen und dort hautnah, eingebettet in ein Unterrichtskonzept, unsere lebendige Erinnerungskultur kennenlernen.“

Der BERTINI-Preis für 2024 geht an folgende sechs Projekte:

„5. Stolperstein in Eidelstedt“ ist ein Projekt von Schüler:innen der Beruflichen Schule Eidelstedt. Über ein Jahr hinweg arbeiteten die Teilnehmer:innen mit Ausdauer, Neugier und Empathie daran, das Schicksal von Leni Timm, einem Mädchen aus Eidelstedt, zu erforschen. Durch ihren Einsatz wurde die Schule Patin für einen Stolperstein, der an ihr Leben und das Unrecht der NS-Zeit erinnert.

Die Theaterperfomance „Romplay – ein Platz für die Roma unter der Sonne“ der Stadtteilschule am Hafen setzt sich mit den Erfahrungen der Roma-Community sowie der strukturellen Diskriminierung von Roma in Deutschland auseinander. Die Mitglieder des Ensembles sind junge Roma im Alter von 14 bis 21 Jahren aus Hamburg. In ihren Theaterstücken, wie „Romanilution“ und „Romplay Performance Soup“, erheben sie ihre Stimme, um auf Ausgrenzung aufmerksam zu machen und eine gerechtere Welt zu erträumen. Mit diesen Performances und Videosequenzen reflektieren sie ihren Alltag und formulieren Forderungen an die Gesellschaft und Politik.

Das „Building Bridges Tournament“ der U18-Basketballmannschaft „Wildcats“ des Niendorfer Turn- und Sportvereins (NTSV) ist mehr als nur ein sportliches Event – es ist eine Initiative, die jedes Jahr ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Unrecht und Ausgrenzung setzt. Die Jugendlichen der Mannschaft organisieren das Turnier selbst, entscheiden, welche Projekte sie unterstützen, und setzen sich leidenschaftlich für ihre Ziele ein. Im Rahmen des diesjährigen „Building Bridges“ fand ein „Refugees Tournament“ statt, bei dem Kinder und Jugendliche, darunter auch Geflüchtete, gemeinsam mit den Wildcats spielten. Dabei wurden Sprachbarrieren überwunden und Brücken zwischen den Teilnehmenden gebaut. Das Event zeige, wie Basketball als Instrument für Gemeinschaft, Freundschaft und den Abbau von Vorurteilen dienen kann.

Das neu erstellte Mahnmal „Die Kinder vom Bullenhuser Damm“ wurde im Januar 2024 von der Vielfalt-AG auf dem Schulgelände der Brecht-Schule Hamburg eingeweiht. Es erinnert an die 20 Kinder, die während der Shoah im nahegelegenen Bullenhuser Damm ermordet wurden. Die Vielfalt-AG der Schule, die sich mit Themen wie Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzt, hat dieses Mahnmal in einer intensiven Gemeinschaftsarbeit entwickelt. Das Mahnmal besteht aus Stahlfiguren, die die Leerstelle und unerfüllten Träume der ermordeten Kinder symbolisieren. Es enthält zudem eine Tafel mit einem QR-Code, der zu weiterführenden Informationen über die Geschichte der Kinder und Veranstaltungen zur Förderung von Toleranz und Menschenrechten führt. Die Entstehung des Mahnmals war ein kreativer Prozess, der mit Unterstützung des Bildhauers Ulf Petersen realisiert wurde.

„Stolpersteine in Blankenese“ ist ein Projekt von zwei Geschwistern aus Blankenese. 2019 haben sie eine Bewegung ins Leben gerufen, die den 9. November als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Stadtteil etabliert. Inspiriert durch den Stolperstein für Julius Asch und unterstützt durch ihr historisches Bewusstsein, begannen sie, den Stein zu putzen und mit Blumen und Kerzen zu schmücken. Im Laufe der Jahre erweiterten sie die Initiative, indem sie auch andere Vereine und Schulen einbezogen und eine Gedenkfeier in der Blankeneser Kirche organisierten. Seit 2021 werden an diesem Tag alle 32 Stolpersteine im Stadtteil gepflegt und geschmückt. Jugendliche und Bewohner:innen aus Blankenese kommen jedes Jahr zusammen, um der Opfer zu gedenken, deren Biografien in der Kirche ausgestellt und Kerzen für sie entzündet. Pippa und Willy haben mit ihrem Engagement ein jährliches Lichtermeer geschaffen, das nicht nur die Erinnerung wachhält, sondern auch zu einem aktiven Widerstand gegen Antisemitismus und Ausgrenzung aufruft.

Zusammenhalt zählt: Gemeinsam Obdachlosigkeit sichtbar machen ist ein Projekt von Schüler:innen der Julius-Leber-Schule. Der gesamte 10. Jahrgang setzte sich intensiv mit dem Buch „Unter Palmen aus Stahl“ von Dominik Bloh auseinander, das die Erfahrungen eines jugendlichen Obdachlosen in Hamburg schildert. Dies führte zu einem Bewusstsein für die Ausgrenzung und Diskriminierung obdachloser Menschen, die häufig übersehen werden. In Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation GoBanyo und deren Mitbegründerin Gülay Ulas starteten die Schüler:innen eine Spendenaktion für Thermosocken. Mit über 3.000 Euro sammelten sie Spenden und übergaben mehr als 1.000 Sockenpaare an Obdachlose. Die Schüler:innen kauften auch Hinz und Kunzt Zeitungen und führten Gespräche mit den Verkäufer:innen, die oft selbst obdachlos waren. Das Ziel des Projekts ist es, die Hilfsbereitschaft aufrechtzuerhalten und weiterhin auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam zu machen.

Hintergrund: Der BERTINI-Preis

Der Name des Preises geht zurück auf den Roman „Die Bertinis“, in dem der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano, angelehnt an das Schicksal seiner Familie, die Verfolgung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur schildert. Der Roman geißelt die Ausgrenzung, Verfolgung und Erniedrigung, die viele Hamburger:innen in jener Zeit erlitten, und er beschreibt Menschen, die damals wegschauten, das Unrecht duldeten oder unterstützten. Zugleich würdigt er jene, die Zivilcourage bewiesen und ihren verfolgten Mitbürger:innen– oft unter Einsatz des eigenen Lebens – geholfen haben.

Anknüpfend daran will der BERTINI-Preis Projekte fördern, die sich gegen Ausgrenzung von Menschen in Hamburg wenden. Der BERTINI-Preis leistet Erinnerungsarbeit und macht Spuren vergangener Unmenschlichkeit in Hamburg sichtbar. Er will junge Menschen würdigen, die ungeachtet der persönlichen Folgen couragiert eingegriffen haben, um Unrecht, Ausgrenzung und Gewalt von Menschen gegen Menschen in Hamburg zu verhindern.

Weitere Informationen: www.bertini-preis.de

Pressemitteilung Behörde für Schule und Berufsbildung, BERTINI-Preis e. V.

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