„Beschämend und kurzsichtig“: Kommentare von NABU, Greenpeace und DUH

NABU verurteilt Forderung der Autoindustrie – Rieger: Ohne Abkehr vom Verbrennungsmotor können wir den Klimawandel nicht auf ein erträgliches Maß begrenzen
Der Verband der Automobilindustrie hat erneut eine Abkehr vom Verbrenner-Aus in der Europäischen Union gefordert. Dazu kommentiert Daniel Rieger, Fachbereichsleiter Klima- und Umweltpolitik im NABU-Bundesverband:

„Der Vorstoß der Automobilbranche, das Verbrenner-Aus rückabwickeln zu wollen, ist beschämend und kurzsichtig. Weltweit sind die Würfel zugunsten der Elektromobilität gefallen. Deutsche Hersteller verlieren schon heute massiv Marktanteile und taumeln absehbar in eine existenzielle Krise, wenn sie nicht mit Hochdruck die Umstellung auf emissionsfreie Antriebe forcieren. Die Industrie wendet sich mit einer solchen Forderung von ihren bisherigen Bekenntnissen zum Klimaschutz ab und bürdet anderen zusätzliche Anstrengungen auf. Ohne eine konsequente Abkehr vom Verbrennungsmotor bei Pkw und Lkw wird es nicht gelingen, den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Ließe sich der Gesetzgeber darauf ein, müsste Deutschland Milliardenstrafen bei der Europäischen Union leisten, weil es die vertraglich vereinbarte Emissionsminderung schuldig bleibt. Geld, das an anderer Stelle fehlt. Die Bundesregierung muss diesem Ruf nach Sonderbehandlung auf europäischer Ebene eine klare Absage erteilen.“

Pressemitteilung NABU


Greenpeace zum „10-Punkte-Plan“ des VDA
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) attackiert mit einem heute veröffentlichten „10-Punkte-Plan für eine klimaneutrale Mobilität“ die europäischen Klimaschutzziele im Verkehr. Der Lobbyverband fordert, den für das Jahr 2035 beschlossenen Ausstieg aus klimaschädlichen Verbrennungsmotoren abzuschaffen. Nachweislich klimaschädliche Plugin-Hybride sollen trotz Verbrennungsmotors als Null-Emissions-Fahrzeuge deklariert werden. Um die für einen solchen Betrieb nötigen E-Fuels – im Vergleich zu Elektroautos hoffnungslos ineffizient und teuer in der Herstellung – sollen sich andere kümmern. Greenpeace Mobilitätsexperte Benjamin Stephan hält die VDA-Vorschläge für doppelt verantwortungslos:

„Der VDA lässt heute die Maske fallen und stellt sich frontal gegen das Pariser Klimaschutzabkommen. Hinter scheinheiligen Bekenntnissen zum Klimaschutz sollen CO2-Mindeststandards weiter aufgeweicht und Verbrennungsmotoren als Null-Emissions-Fahrzeuge ausgegeben werden. Antworten auf die Frage, woher die gigantische Menge ineffizienter E-Fuels kommen, und wer sich den teuren Sprit leisten können soll, bleibt der VDA schuldig. Das macht diesen Plan gleich doppelt verantwortungslos. Während die Klimakrise katastrophale Wetterextreme immer häufiger macht, stiehlt sich die Autoindustrie aus ihrer Verantwortung, den CO2-Ausstoß auf den Straßen schnell zu senken. Und mit ihren E-Fuels-Märchen lockt der VDA Autokäufer in die Verbrenner-Kostenfalle. Wenn der VDA wirklich das Vertrauen in E-Mobilität stärken will, sollte er den Menschen klar sagen, dass ein E-Autos auf Dauer im Unterhalt deutlich billiger als jeder Verbrenner wird.”

Pressemitteilung Greenpeace


Deutsche Umwelthilfe kritisiert 10-Punkte-Plan der Automobilindustrie als „Frontalangriff auf den Klimaschutz im Verkehr“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Verband der Automobilindustrie (VDA) scharf für eine beispiellose Abkehr vom Klimaschutz, die er heute in einem Wunschzettel an die Bundesregierung vorgestellt hat. Nach Berechnungen von Transport and Environment (T&E) würden die Vorschläge des VDA in Europa bis zu 1,4 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen zusätzlich bedeuten.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH:

„Die Forderungen des VDA sind ein Frontalangriff auf den Klimaschutz. Mit der geplanten Erhöhung der Pendlerpauschale und der erhöhten steuerlichen Förderung für Luxus-Dienstwagen regnet es derzeit Geschenke für die Automobilindustrie von der Bundesregierung. Erst im Mai hat die EU die CO2-Mindeststandards aufgeweicht und Strafzahlungen ausgesetzt. Dadurch fühlt sich die Autoindustrie scheinbar ermutigt, die Axt an den Verbrenner-Ausstieg zu legen. Die Forderung, auch nach 2035 noch Verbrenner neu zuzulassen, steht im Widerspruch zur dringend notwendigen Treibhausgaseinsparung im Verkehrssektor und gefährdet Deutschlands verfassungsrechtliche Pflicht zur Treibhausgasneutralität. Wenn die Bundesregierung sich darauf einlässt, beweist sie ihre Gleichgültigkeit für die Zukunft Millionen junger Menschen. Die Autoindustrie kann sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen – spätestens mit unseren Klimaklagen vor dem Bundesgerichtshof werden wir sie daran erinnern.“

Hintergrund:

EU-weit sind Automobilhersteller dazu verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu senken. Die hierbei geltenden CO2-Mindeststandards steigen dabei stufenweise an bis zu einer 100-prozentigen CO2-Einsparung im Jahr 2035, womit ab diesem Zeitpunkt keine Verbrennerfahrzeuge mehr neu zugelassen werden können. Die Hersteller hatten erst im Mai von der EU eine Fristverlängerung um zwei Jahre für die Erreichung der Mindeststandards für dieses Jahr erhalten. Gleichzeitig verzichtete die EU auf mögliche Strafzahlungen. Auf nationaler Ebene plant die Bundesregierung in ihrem Investitionssofortprogramm Steuergeschenke für die deutsche Autoindustrie. Dies geschieht alles, obwohl die Verkaufszahlen für Elektroautos derzeit deutlich steigen. Im Mai lagen sie 45 Prozent über den Zahlen des Vorjahresmonats. Trotzdem fordert der VDA nun, auch nach 2035 Verbrenner neu zuzulassen und weitreichende Ausnahmen für Plug-in Hybride und Scheinlösungen wie Agrosprit zu schaffen.

Pressemitteilung DUH

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