Bohrstart für saisonalen Aquiferwärmespeicher

Klimaneutrale industrielle Abwärme nutzbar machen
Auf dem Gelände des Heizkraftwerks Tiefstack startet heute (30.12.) die erste Bohrung für einen unterirdischen, hydrothermischen Aquiferwärmespeicher. Künftig soll hier im Sommer überschüssige Abwärme aus regionalen Industrie- und Abfallverwertungsbetrieben tief unter der Erde eingespeichert werden. Als Trägermedium dient das Thermalwasser in der Gesteinsschicht.

 

Bei Bedarf kann die eingespeicherte Wärme im Winter wieder hochgepumpt werden, um Hamburger Haushalte über das Fernwärmesystem mit CO2-freier Wärme zu versorgen. Mit diesem Projekt wollen die Hamburger Energiewerke erste Betriebserfahrungen sammeln und die Eignung des Hamburger Untergrunds für diese Technologie erproben. Derzeitige Berechnungen gehen von einer Speicherleistung von 2,6 Megawatt und einer Kapazität von circa fünf Gigawattstunden im Jahr aus, wodurch etwa 1.400 Tonnen CO2-Emissionen in der Fernwärmeversorgung eingespart werden können.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Mit dem Bohrstart für den Aquiferwärmespeicher setzen wir einen weiteren Baustein der Hamburger Energiewende an seinen Platz. Statt industrielle Abwärme im Sommer ungenutzt verpuffen zu lassen, wollen wir sie tief unter der Erde speichern – um sie im Winter in Form von klimaneutraler Fernwärme zum Heizen zu nutzen. Hamburg geht bei Projekten wie diesem ehrgeizig voran. Hier trifft Klimaschutz Versorgungssicherheit, und das ist gut! Die Auswirkungen des Angriffskrieges auf die Ukraine führen uns allen schmerzlich vor Augen, dass Deutschlands Energieversorgung aus eigener Kraft stehen können muss. Unsere öffentlichen Energieversorger in Hamburg tragen mit Projekten wie dem Aquiferwärmespeicher einen großen Teil dazu bei.“

Kirsten Fust, Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke: „Wir werden in den kommenden Jahren den Anteil klimaneutraler Fernwärme kontinuierlich steigern. Eine Herausforderung ist der hohe Wärmebedarf unserer Metropole im Winter. Mit dem Aquiferwärmespeicher erproben wir im großtechnischen Maßstab, wie wir Wärmeenergie flexibel und saisonal unter der Erde einspeichern können. Sollte sich der Aquiferspeicher als effizient erweisen, dann können wir industrielle Abwärme besser ausnutzen, indem wir sie im Sommer für den Bedarf in der Heizperiode zwischenspeichern. So geht uns keine wertvolle CO2-freie Abwärme für unsere Wärmeversorgung verloren.“

Technik des Aquiferwärmespeichers

Aquiferspeicher sind unterirdische Speicher innerhalb von wasserführenden Gesteinsschichten. Sie bestehen aus einer Brunnendublette, also zwei Bohrungen, den späteren Hilfs- und Produktionsbrunnen, sowie einer oberirdischen Technikzentrale. Die Bohrungen in Tiefstack werden bis auf eine Tiefe von zirka 1.300 Meter niedergebracht. Dort rechnen die Experten mit den gleichen thermalwasserführenden Schichten aus Sandsteinen, die bereits am Geothermie-Standort Wilhelmsburg umfangreich untersucht wurden. Mittels eines Fördertests wird jede Bohrung hinsichtlich der erreichbaren Förderrate überprüft. Eine gute Förderrate in beiden Bohrungen ist erforderlich, um den Speicher betreiben zu können. Die zweite Bohrung erfolgt erst, sofern der Fördertest in der ersten erfolgreich ist. In den Sandsteinschichten liegen die beiden Bohrungen zirka 1.100 Meter auseinander, damit dazwischen ausreichend Wärme eingespeichert werden kann.

In der Einspeicherphase werden zuerst Thermalwässer aus dem Hilfsbrunnen nach oben gefördert, durch die klimaneutrale industrielle Abwärme auf Temperaturen von bis zu 85 Grad Celsius erwärmt und über den Produktionsbrunnen in die Sandsteinschicht, die als Wärmespeicher fungiert, hinuntergeleitet. Dort bildet sich um dieProduktionsbohrung eine Wärmeblase aus, innerhalb derer die Wärme in der Gesteinsschicht gespeichert wird. Bei Bedarf wird in der Heizperiode das heiße Thermalwasser zurückgefördert, die Wärme über einen Sekundärkreislauf an das Fernwärmenetz übertragen und den Kunden zur Verfügung gestellt. Der Sekundärkreislauf ist das Bindeglied zwischen Thermalwasser- und Fernwärmenetz und stellt sicher, dass diese beiden Medien nicht in Kontakt kommen. Das abgekühlte Thermalwasser wird in einem geschlossenen Kreislauf wieder in den Hilfsbrunnen zurückgeleitet. Sollten die Fördertests in beiden Bohrungen erfolgreich sein, ist oberirdisch der Bau einer Technikzentrale mit der Anbindung an das Fernwärmenetz geplant. Die Inbetriebnahme des Aquiferwärmespeichers soll dann in 2024 erfolgen.

Energiepark Tiefstack: Aquifer soll Abwärme besser ausnutzen

Der Aquiferwärmespeicher ist Teil des Konzepts Energiepark Tiefstack, mit dem das letzte Hamburger Kohlekraftwerk bis spätestens 2030 durch verschiedene klimaneutrale Wärmelösungen ersetzt werden soll. Dazu gehören vor allem Flusswasserwärmepumpen, die Wärme aus der Norderelbe und der Bille gewinnen sollen. Zusätzliche Wärmelieferungen kommen aus Abwärme der Kupferhütte Aurubis sowie der Müllverwertung Borsigstraße, die durch technologische Innovationen die Wärmelieferung künftig deutlich erhöhen kann. Zur Absicherung der Wärmeversorgung in Spitzenlastzeiten wird das bestehende Heizkraftwerk Tiefstack auf den wahlweisen Einsatz von Erdgas oder nachhaltiger Biomasse aus Rest- und Schadholz umgestellt. Eine neue Wind-zu-Wärme-Anlage, ein großer Wärmespeicher sowie der saisonale Aquifer, mit dem die Abwärme besser genutzt werden soll, runden das Konzept ab.

Der Aquiferwärmespeicher ist ein Teilvorhaben des Norddeutschen Reallabors (NRL), einem Verbundprojekt, das neue Wege zur Klimaneutralität erprobt und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Die Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU) führt die wissenschaftliche Begleitforschung für das untertägige Arbeitsfeld des Aquifers durch, die Technische Universität Hamburg (TUHH) für das obertägige Arbeitsfeld.

Weitergehende Informationen  unter www.norddeutsches-reallabor.de

Pressemitteilung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) und der Hamburger Energiewerke GmbH

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