Branche am Abgrund: Luftverkehr wird immer mehr zur Qual

Am morgigen Freitag trifft sich auf Einladung von Hamburgs Ersten Bürgermeister, Dr. med. Peter Tschentscher, die Deutsche Luftverkehrslobby im Hamburger Rathaus, um über das überbordende Verspätungsdebakel zu sprechen – Stichwort: „Stau am Himmel“

 

Konkret geht es bei dem Treffen darum, den Flugverkehr für die Passagiere wieder zuverlässiger und bequemer zu machen. Vertreter für die vom Fluglärm und Flugdreck betroffenen Bevölkerung, z.B. die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Fluglärmkommissionen (ADF) sowie der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF), sind hingegen nicht eingeladen genauso wenig wie die Vertreter von den Gewerkschaften der Luftverkehrsbranche.

Bereits jetzt steht die mediale Botschaft „wir kümmern uns“ und das tatsächliche Ergebnis „wir ändern nichts“ fest. Gleichsam zu den unzähligen weiteren politisch motivierten sogenannten Gipfeln (z.B. zum Diesel-Abgasbetrug), werden bei nüchterner Betrachtung keine wirksamen Minderungsmaßnahmen (z.B. eine Slotabsenkung, d.h. die Reduzierung der Anzahl an Starts- und Landungen pro Stunde) beschlossen.

„Das vorhandene Übermaß an verspäteten Flugbewegungen ist ein Zeichen für eine deutliche Überhitzung im gesamten System“, zeigt Martin Mosel, Sprecher der Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW), einen entscheidenden Aspekt auf. „Fliegen ist und bleibt die klimaschädlichste Mobilitätsform, mit der steilsten CO2-Wachstumskurve. Lediglich ein Zehntel der Weltbevölkerung fliegt mindestens einmal im Leben. Dieses Zehntel belastet das Weltklima jedoch weit überproportional. Beispielsweise verursacht ein Hin- und Rückflug von Hamburg nach Palma de Mallorca mit ca. 1.000 kg CO2-Ausstoß pro Passagier bereits die Hälfte dessen, was für einen klimabewussten Menschen als Jahresbeitrag zu Buche stehen sollte. Die Politik muss endlich diese Realität akzeptieren und die bestehenden ungebührlichen Privilegien der Luftverkehrsbranche beenden. Der Luftverkehr muss wirksam begrenzt werden. Hierzu zählt auch, dass bestehende Schutzbestimmungen für die Bevölkerung konsequent eingehalten werden. In Hamburg wird beispielsweise die Nachtflugbeschränkung nur in jeder neunten Nacht eingehalten. Wenn Regeln permanent gebrochen werden, bedarf es konkreter Verbote“, betont Mosel den massiven Missstand.

Pressemitteilung Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW vom 4.10.)


Die Zuverlässigkeit des Luftverkehrs stärken

Gemeinsame Erklärung zum hochrangigen Treffen „Fortschrittstreiber Luftfahrt: Ein Schwerpunkt der deutschen Verkehrspolitik“ am 05. Oktober 2018 in Hamburg

Der Luftfahrtsektor ist als Fortschrittstreiber und wichtiger Wirtschaftsfaktor zentraler Gegenstand der deutschen Verkehrspolitik. Es liegt im Interesse von Wirtschaft und Verbrauchern, den Luftverkehrsstandort Deutschland zu stärken und sein nachhaltiges Wachstum zu fördern. Das Luftverkehrskonzept des BMVI beschreibt dazu die wichtigsten Maßnahmen, und deren Umsetzung ist Teil des Koalitionsvertrages für die laufende Legislaturperiode.

Es ist ein zentrales Interesse Aller, die Zuverlässigkeit des Luftverkehrs zu gewährleisten. Das Ausmaß der in diesem Jahr aufgetretenen Flugausfälle und Verspätungen muss in Zukunft reduziert werden. Dabei besteht Einigkeit, dass diese Situation ein gemeinsames Problem darstellt, das nur gemeinsam gelöst werden kann, sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene.

Auf Initiative des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie der Freien und Hansestadt Hamburg als Vorsitzland der Verkehrsministerkonferenz haben Bund, Länder, Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugsicherungsorganisationen und Verbände gemeinsam Maßnahmen vereinbart, um für den deutschen Luftverkehr eine Steigerung der Leistungsfähigkeit, eine stärkere Zuverlässigkeit, eine verbesserte Pünktlichkeit und den Abbau von Engpässen bei gleichzeitiger Gewährleistung des hohen Sicherheitsniveaus zu erreichen. Dies liegt nicht nur im Interesse der Passagiere, der Unternehmen und ihrer Beschäftigten, sondern auch der Flughafenanwohner.

Als Ergebnis der Beratungen haben sich die Teilnehmer des hochrangigen Treffens „Fortschrittstreiber Luftfahrt: Ein Schwerpunkt der deutschen Verkehrspolitik – Zuverlässigkeit des Luftverkehrs stärken“ auf die nachfolgenden Maßnahmen verständigt:

Bund und Länder

· Derzeit stehen in einzelnen Flugsicherungssektoren nicht genügend Fluglotsen zur Verfügung. Um zukünftig eine bedarfsgerechtere und kosteneffiziente Personalplanung zu ermöglichen, wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Verkürzung des Regulierungszeitraums und eine Überarbeitung des Regulierungsrahmens einsetzen.“

· Die Bundesregierung wird sich für eine Verbesserung der Flugsicherungskapazitäten im europäischen Luftraum einsetzen, u.a. durch eine wirkungsvollere grenzüberschreitende Zusammenarbeit und durch die Schaffung von Voraussetzungen für einen flexibleren sektorübergreifenden Einsatz von Fluglotsen, sowie – auf Basis der Ergebnisse aus EU-Forschungsvorhaben (SESAR) – für eine stärkere Automatisierung der Flugsicherungsdienste.

· Bund und Länder werden gegenüber den Flughafenbetreibern darauf hinwirken, dass durch die Gestaltung der Entgeltbestandteile nicht nur Anreize geboten werden, lärmarmes Fluggerät einzusetzen, sondern auch zur Steuerung der Nutzung der Infrastruktur an den Tagesrandzeiten; dabei sollen Starts und Landungen, die verspätungsbedingt außerhalb der Slot-koordinierten Betriebszeiten durchgeführt werden, nicht von Rabatt- oder Förderprogrammen in den Entgeltordnungen profitieren können.

· Die Bundesregierung wird die diesjährigen Erfahrungen mit den zahlreichen Flugverspätungen und Flugausfällen in ihre Verhandlungen über den Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung der EU-Fluggastrechte-Verordnung einfließen lassen.

· Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, Kurzstrecken- und Zubringer-Flugverkehr auf die Schiene zu verlagern und die intermodale Anbindung der wichtigen internationalen Verkehrsflughäfen zu verbessern.

· Entsprechend des Koalitionsvertrages wird die Bundesregierung schnellstmöglich eine Begutachtung der bestehenden Organisation, Aufgabenwahrnehmung und -verteilung der Luftsicherheit an den Flughäfen und die Erarbeitung konzeptioneller Vorschläge vornehmen, um diese effizienter zu gestalten. Alle Beteiligten erkennen dabei an, dass ein höchstmögliches Sicherheitsniveau jederzeit gewährleistet sein muss. Bei der Begutachtung müssen die Diversität der Flughäfen und die Länderinteressen berücksichtigt werden, um Möglichkeiten für eine Lösung zu eröffnen, welche die jeweiligen Besonderheiten berücksichtigt.

· Künftige Weiterentwicklungen der Kontrolltechnik für die Passagier- und Handgepäckkontrolle werden, soweit mit den Sicherheitsanforderungen vereinbar, auch für eine Effizienzsteigerung der Luftsicherheitskontrollen genutzt. Wir setzen auf eine Innovationsstrategie bei der Passagier-Kontrolltechnik.

· Der Personaleinsatz der Grenzkontrollen wird im Hinblick auf bedarfsgerechte Kapazitätsanforderungen optimiert, unter anderem auch mit Hilfe automatisierter Grenzkontrollen und beschleunigter Datenbank-Zugriffe für Grenzbeamte.

Flugsicherungsorganisationen

· Der obere Luftraum soll vorübergehend dadurch entlastet werden, dass für den Übergangszeitraum des Kapazitätsaufbaus auch niedrigere Flughöhen genutzt werden. So kann insbesondere in den Kontrollzentralen für den oberen Luftraum in Karlsruhe und Maastricht die Pünktlichkeit erhöht werden.

· Fluglotsen sollen soweit wie möglich von Sonderaufgaben entlastet werden. Gleichzeitig soll das vorhandene Personal flexibler eingesetzt werden, indem Dienstpläne und Arbeitszeiten weniger starr gestaltet werden. Darüber hinaus soll durch freiwillige Überstundenregelungen zusätzliche Kapazität geschaffen werden.

· Um die Planungssicherheit für die Flugsicherungsorganisationen zu erhöhen, werden Flüge grundsätzlich stärker auf der im übermittelten Flugplan angemeldeten Strecke geführt („fly as filed“). Damit werden nicht planbare Überlastsituationen in einzelnen Sektoren vermieden. Einzelfreigaben im Streckenflug sollen auf ein Minimum beschränkt werden.

· Um die Komplexität der Arbeit der Fluglotsen zu verringern und damit die Kapazität im Luftraum zu erhöhen, soll der Verkehr zukünftig stärker gebündelt und damit standardisiert werden. Die Verkehrsströme werden somit gleichsam auf „Autobahnen der Lüfte“ gelenkt.

· Aufgrund der derzeit angespannten Personalsituation werden die Flugsicherungsorganisationen ihre maximale Ausbildungskapazität ausnutzen, um für die betroffenen Sektoren mittel- und langfristig mehr Fluglotsen bereitstellen zu können.

· Die bestehenden Strukturen für die Lotsenarbeit sollen so verändert werden, dass durch neue Technik und Verfahren eine Vergrößerung der Sektoren und damit perspektivisch ein flexiblerer Einsatz möglich wird. Dadurch können Lotsen leichter und kurzfristiger dort eingesetzt werden, wo Bedarf besteht. Darüber hinaus wird ein Berechtigungssystem der Lotsen angestrebt, das an die genutzte Flugsicherungstechnik und nicht mehr an den kontrollierten Luftraum anknüpft.

Flughäfen

· Optimierte Zuführung der Fluggäste zu allen Kontrollstellen einschließlich sog. „fast lanes“, um die vorhandenen Kontrollkapazitäten allen Fluggästen bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen und so die Wartezeiten insgesamt zu minimieren.

· Verspätete Flüge werden gemeinsam mit den Fluggesellschaften im Rahmen eines Monitoring-Verfahrens analysiert und darauf aufbauend die Vorfeldorganisation sowie -koordination gemeinsam mit allen beteiligten Dienstleistern optimiert.

· Für die Sicherheitskontrollen werden, wo erforderlich, zusätzliche Flächen bereitgestellt.

· Das Flughafenpersonal und das der Bodenverkehrsdienstleister wird in Spitzenzeiten verstärkt, auch z.B. durch flexible und anreizbasierte Dienstplangestaltung.

Fluggesellschaften

· Zeitkritische Flüge werden von den Fluggesellschaften stärker überwacht, verspätete Flüge werden nach Möglichkeit schneller durchgeführt und der Turnaround am Flughafen beschleunigt.

· Verspätungsanfällige Flüge werden durch kurz- und langfristigen Abgleich des Flugplans mit den Ist-Werten ermittelt, um dann ggf. einen Teil der geplanten Flugzeugrotation herauszulösen und die Übernahme des Fluges durch ein anderes Flugzeug zu ermöglichen. Weiterhin erfolgt vor diesem Hintergrund, wo zielführend, eine Entzerrung der Flugpläne.

· Die Fluggesellschaften prüfen und nutzen die Möglichkeiten, die ihnen EU-rechtliche Vorgaben für den Verzicht auf die Entladung von unbeabsichtigt unbegleitetem Gepäck gewähren, um Verspätung wegen der Entladung zu vermeiden.

· Flugreisende werden umfassend und frühzeitig Informationen zu Verspätungen und Annullierungen mittels der bei Flugbuchung hinterlegten Kontaktdaten erhalten, auch im Sinne eines Frühwarnsystems. Dazu werden die relevanten Daten offen bereitgestellt.

· Soweit nicht vorhanden, werden von jeder Fluggesellschaft zentrale und kompetente Anlaufstellen für Reisende zur Informationsweitergabe bei Verspätungen, der Abwicklung von Entschädigungsansprüchen sowie zur Entgegennahme von Beschwerden eingerichtet, auch unter Nutzung technischer Hilfsmittel, wie z.B. den jeweiligen Smartphone Apps der Fluggesellschaften. Der Online-Zugang zu Informationen hinsichtlich Entschädigungen, Beschwerden und Schlichtung wird übersichtlich gestaltet.

· Technische Störungen des Fluggeräts werden durch optimierte vorausschauende Wartung minimiert.

Vor dem Hintergrund aller oben genannten Maßnahmen werden die beteiligten Akteure gemeinsam zur präziseren Erfassung der Ursachen von Verspätungen und Flugausfällen an der verbesserten Auswertung statistischer Grundlagen mitwirken. Darüber hinaus werden in regelmäßigen Abständen die weitere Entwicklung und die Wirksamkeit der Maßnahmen mit Hilfe eines gemeinsamen Monitorings bewertet.

Teilnehmer des Spitzengesprächs zum Luftverkehr am 5. Oktober 2018 in Hamburg

Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen
Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft und Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG
Dr. Stefan Schulte, Vorsitzender des Vorstands der Fraport AG
Filip Cornelis, Direktor für Luftfahrt in der Europäischen Kommission
Andreas Rieckhof, Staatsrat der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation
Tarek Al-Wazir, Hessischer Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Energie
Guido Beermann, Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur
Gerd Billen, Staatssekretär des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz
Hans-Peter Böhner, Ministerialdirigent (Schiene/Luftverkehr) im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr
Ines Jesse, Staatssekretärin des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg
Thomas Jarzombek, Mitglied des Deutschen Bundestages, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt
Thorsten Dirks, Mitglied des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG, verantwortlich für das Vorstandsressort Eurowings & Aviation Services
Michael Hoppe, Generalsekretär des Board of Airline Representatives in Germany (BARIG)
Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Hamburg GmbH
Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Flughafen München GmbH
Thomas Ellerbeck, Mitglied des Group Executive Committee TUI GROUP, Mitglied des Aufsichtsrates der TUIfly GmbH sowie Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft
Kay Lindemann, Leiter der Konzernpolitik Deutsche Lufthansa AG
Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern
Christian Schmitt, Geschäftsführer Operations und Accountable Manager bei der Condor Flugdienst GmbH
Thomas Schnalke, Geschäftsführer Flughafen Düsseldorf und Vizepräsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV)
Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)

Mitteilung der Senatspressestelle

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