Flughafen und Fliegen können nicht CO2-neutral sein / Zertifikat wird von Lobbyorganisation der Flughafen-Industrie ausgestell
Mit großem Aufzug und den Senatoren Dressel und Westhagemann feiert der Hamburger Senat heute seinen Flughafen. Als erster großer deutscher Flughafenbetrieb soll der Airport das Zertifikat „CO2-Neutralität“ erhalten. Wie der Senat mitteilt, erfolgt die Zertifizierung durch die „unabhängige, weltweite Airport Carbon Accreditation“.
„Das Label ‚CO2-neutraler Flughafen‘ ist eine riesige Mogelpackung, ein Greenwashing, wie es perfider kaum geht“, empört sich der stv. Vorsitzende des BUND Hamburg, Martin Mosel. „Angesichts der sich massiv aufdrängenden Erfordernisse für einen wirksamen Klimaschutz sind wir entsetzt, dass der rot-grüne Senat die Relevanz des Flugverkehrs in der Klimakrise völlig ausblendet. Der Flugverkehr genießt in Hamburg das große klimapolitische Privileg der Unantastbarkeit, jetzt soll noch der Eindruck vermittelt werden, dass Fliegen klimaneutral geht“, so Mosel weiter.
Die Hamburger Umweltbehörde weist mit Ihrer Energie- und CO2-Bilanz des Statistikamtes Nord jährlich das Aufkommen und die Verursachung von CO2 nach bundeseinheitlichen Regularien nach. Im Vor-Corona-Jahr 2019 stand der Hamburger Flughafen global verantwortlich für mehr als zwei Millionen Tonnen CO2, einschließlich der Nicht-CO2-Effekte des Luftverkehrs (RFI). In der Rangliste der klimaschädlichsten deutschen Flughäfen ist der Hamburger Flughafen auf Platz 5 gelistet.
Die jetzt proklamierte CO2-Neutralität bezieht sich laut BUND auf die betriebsbedingten Emissionen des Flughafens in der Größenordnung von rund 10.000 t CO2, mithin weniger als ein Prozent der Gesamtemissionen. Diese sollen mit Baumpflanzungen und dem Kauf von Klimazertifikaten ausgeglichen werden. Wolle man die tatsächliche Klimalast des Flughafens kompensieren, müssten über 200 Mio. Bäume gepflanzt werden.
Der BUND stellt auch die Unabhängigkeit der „Airport Carbon Accreditation“ infrage. Das Zertifikat der CO2-Neutralität werde von einem Projekt ausgestellt, dass direkt an den Flughafen-Lobbyverband ACI Europe angebunden sei. ACI Europe steht für 500 Flughäfen in 55 Ländern und sieht sich führend in der europäischen Flughafenindustrie.
„Helmut Schmidt, der Namenspatron des Hamburger Flughafens, hat in hanseatischer Tradition ‚Auszeichnungen fremder Herren‘ abgelehnt. Der rot-grüne Senat hingegen schreckt in seiner klimapolitischen Erfolglosigkeit auch vor Auszeichnungen nicht zurück, die auf offenkundigen Fake-News basieren“, resümiert Martin Mosel.
Pressemitteilung BUND Hamburg
NABU-Kommentierung zu CO2-Neutralität des Hamburg Airport
Siegert: „Fliegen bleibt weiterhin die klimaschädlichste Form des Reisens“
Der Hamburg Airport hat heute als erster großer Flughafen in Deutschland eine Zertifizierung seiner CO2-Neutralität erhalten. Grundsätzlich begrüßt der NABU Hamburg die Anstrengungen des Flughafens im Bereich Klima- und Umweltschutz. Die Erfolge in der Emissionsreduzierung am Boden dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fliegen nach wie vor die klimaschädlichste Form des Reisens darstellt und auf Grund technischer Möglichkeiten und wenig ambitionierter Regulierung auch langfristig bleiben wird.
Dazu Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg:
„Dass Flugzeuge am Flughafen Hamburg beispielsweise ihre Turbinen ausstellen und am Boden mit grünem Strom versorgt werden, hat Vorbildcharakter. Es muss aber trotzdem klar sein, dass ein Flug immer noch einen beträchtlichen ökologischen Schaden hinterlässt. Es darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, dass Fliegen kein Problem mehr sei, nur weil der Flughafen selbst klimaneutral operiert. Vor diesem Hintergrund gilt es daher Flüge zu reduzieren. Deswegen ist es absolut unvereinbar mit den klimapolitischen Zielen des Senats auf ein Wachstum am Flughafen zu setzen, an dem die Stadt beteiligt ist. Das politische Ziel muss sein, Flugpassagiere auf die Schiene zu bekommen sowie auf einzelne Reisen ganz zu verzichten. Hierzu zählten vor allem Kurztrips oder auch Geschäftsreisen, die in vielen Fällen durch digitale Meetings ersetzt werden könnten.“
Die Corona-Pandemie ist eine Zäsur für die Branche. Nun aber darauf zu setzen, dass es so wird wie früher, ist eine vertane Chance und führt direkt in die nächste Krise. Der NABU Hamburg erwartet vom Senat eine klimapolitisch verantwortungsvolle Ausrichtung des Flughafens am Boden aber auch im Sinne einer integrierten, nachhaltigen Verkehrspolitik.
Pressemitteilung NABU Hamburg
Hamburg Airport ist nicht CO2-neutral und erst recht nicht klimaneutral
Luftverkehrsinitiativen kritisieren Showveranstaltung als Augenwischerei
Die im Initiativkreis Klima- und Fluglärmschutz (IK.) sowie in der Arbeitsgruppe Luftverkehr (AGL) zusammengeschlossenen Fluglärmschutz-Initiativen und -Vereine aus Hamburg und Schleswig-Holstein kritisieren die Ausweisung des Hamburg Airports als angeblich „CO2-neutral“. Es handelt sich hierbei um eine Showveranstaltung, die in keiner Weise der Klimakrise gerecht wird. Mit Wirtschaftssenator Westhagemann und Finanzsenator Dressel bekräftigt der Hamburger Senat seine Ignoranz gegenüber der nachgewiesenen Umwelt- und Klimalast des Flughafenbetriebes. Es gibt keinen Zweifel, dass der Luftverkehr, der mit weitem Abstand klimaschädlichste Verkehrsträger ist.
Nach der aktuellen Hamburger Energie- und CO2-Bilanz für 2020, ermittelt durch das Statistikamt Nord, steht der Hamburger Flughafen in Verantwortung für 463.000 Tonnen CO2-Emissionen. Dies entspricht einer Klimalast von 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Vor der Coronavirus-Pandemie war der Hamburger Flughafen sogar für 2,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr verantwortlich. Nach offiziellen Ermittlungen des International Council on Clean Transportation (ICCT) gehört der Hamburger Flughafen mit dieser Klimalast zu den fünf klimaschädlichsten deutschen Flughäfen.
„Der Hamburger Senat überreicht heute ein fragwürdiges Zertifikat für eine angebliche CO2-Neutralität des Hamburg Airports. Es ist erschreckend, mit welcher Ahnungslosigkeit sich die Senatoren Westhagemann und Dressel – stellvertretend für den Hamburger Senat – von der Flughafen-Lobby einspannen lassen. Eine Klimalast von 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent lässt sich jedoch nicht so einfach ‚wegzertifizieren‘, nur weil die CO2-Bilanz des Flughafenbetreibers am Boden, d.h. unter Ausblendung des eigentlichen Flugbetriebes, scheinbar ausgeglichen ist. Statt die angebliche Klimaneutralität zu beklatschen, sollten die anwesenden Senatoren erklären, wie sie zu dem generationsübergreifenden Klimaschaden von fast 770 Millionen Euro stehen, den der Flughafenbetrieb 2020 verursacht hat“, so die Initiativenvertreter von IK und AGL
Das Zertifikat wird vom Projekt Airport Carbon Accreditation (ACI Europe) ausgestellt, dem Lobbyverband der europäischen Flughafenbetreiber.
Gemeinsame Pressemitteilung der im
Initiativkreis Klima- und Fluglärmschutz (IK.) sowie
in der Arbeitsgruppe Luftverkehr (AGL) zusammengeschlossenen
Fluglärmschutz-Initiativen und -Vereine aus Hamburg und Schleswig-Holstein
Hamburg Airport ist CO2-neutral – als erster großer Flughafen in Deutschland
Norddeutschlands größter Flughafen übernimmt Vorreiterrolle beim Reduzieren von CO2-Emissionen // Offizielle Zeremonie mit Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann
Hamburg Airport ist der erste große Verkehrsflughafen in Deutschland, der CO2-neutral wirtschaftet. Damit erfüllt Hamburg Airport die strengen Anforderungen des europäischen Flughafenverbands Airports Council International Europe (ACI) für das Zertifikat der CO2-Neutralität. Norddeutschlands größter Flughafen baut seine Vorreiterrolle im Klimaschutz weiter aus. Die Bausteine zum CO2-neutralen Flughafenbetrieb sind: weniger Energieverbrauch, innovative Technologien, Naturschutzprojekte und hochwertige Ausgleichszertifikate.
In Anwesenheit von Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann erhielt Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport, heute die gutachterliche Bestätigung zur Erlangung der CO2-Neutralität nach den Richtlinien der Airport Carbon Accreditation. Erreicht werden konnte dies durch zahlreiche eigene Maßnahmen und Waldprojekte. Der Hamburger Flughafen optimiert laufend die technische Gebäudeinfrastruktur, zum Beispiel mit effizienten raumlufttechnischen Anlagen, dem Ausbau des Nahwärmenetzes und der konsequenten Umstellung auf LED-Beleuchtung, die in den Terminals und auf den Betriebsflächen deutlich weniger Energie verbraucht und Emissionen einspart.
In den Terminals sorgt ein Thermolabyrinth für eine umweltfreundliche Klimatisierung. In rund 11 Metern Tiefe wird die angesaugte Außenluft auf natürliche Weise vorgekühlt oder vorgewärmt, bevor sie in die Klimaanlagen der Terminals gelangt. Hamburg Airport deckt rund 70 Prozent seines Wärmeenergiebedarfs mit einem flughafeneigenen Blockheizkraftwerk ab. Dieses ist hocheffizient und wird mit Erdgas betrieben. Der zugekaufte Grünstrom wird zudem zu 100 Prozent nachweislich CO2-neutral hergestellt.
Seit über fünf Jahren ohne einen Tropfen fossilen Diesel
Die Fahrzeugflotte auf dem Vorfeld wurde nahezu vollständig auf alternative Antriebe und Kraftstoffe umgestellt. Am Hamburger Flughafen fahren Flugzeugtreppen mit Solarkraft, Schlepper mit Erdgas (und zukünftig mit Wasserstoff) und E-Autos. Seit über fünf Jahren arbeitet der Flughafen ohne fossilen Diesel. Als erster internationaler Verkehrsflughafen stellte Hamburg Airport bereits Ende 2016 alle dieselbetriebenen Fahrzeuge auf einen synthetischen, emissionsarmen Kraftstoff um. Auf seinem über 750 Hektar großen Waldgelände in Kaltenkirchen pflanzt der Flughafen aktuell zusätzlich über 50 Hektar Neuwald – mit ausgesucht klimastabilen Arten.
Ziel: Flughafen will komplett auf CO2-Ausstoß verzichten
Seit dem Jahr 2009 hat Hamburg Airport seine jährlichen CO2-Emissionen um knapp 80 Prozent – von 40.000 Tonnen auf 8.700 Tonnen – reduziert. Um auch den restlichen CO2-Ausstoß vollständig zu kompensieren, muss Hamburg Airport derzeit noch in hochwertige Ausgleichszertifikate investieren: Mit diesen Zertifikaten werden in Zusammenarbeit mit FirstClimate ökologische Projekte unterstützt, die CO2-Emissionen im globalen Kreislauf nachweislich reduzieren. Werden durch eigene Maßnahmen weitere CO2-Einsparungen erreicht, sinkt auch der Anteil der zugekauften Ausgleichszertifikate schrittweise. Langfristig ist es das Ziel, gänzlich auf den Ausstoß von Kohlendioxid zu verzichten.
Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport: „Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die Corona-Pandemie haben wir unsere Klimaschutz-Ziele mit höchster Priorität vorangetrieben. Wir freuen uns sehr, als erster großer deutscher Flughafen die CO2-Neutralität zu erreichen. Dabei kommt uns heute zugute, dass von unserem engagierten Experten-Team am Flughafen bereits seit über drei Jahrzehnten innovative Umweltarbeit geleistet wird. Die CO2-Neutralität konnte nur bereits jetzt erreicht werden, weil wir schon vor über zehn Jahren begonnen haben, konsequent darauf hinzuarbeiten. So gehen wir als städtisches Unternehmen mit gutem Beispiel voran und leisten unseren Beitrag zum Erreichen der Hamburger Klimaschutz-Ziele.“
Dr. Andreas Dressel, Senator der Behörde für Finanzen, Freie und Hansestadt Hamburg:
„Unser Hamburger Flughafen geht in Punkto Klimaschutz mit großen Schritten voran und ist bundesweit Vorreiter. Auch im Konzern Hamburg ist die mehrheitlich städtische Flughafen-Gesellschaft Taktgeber – schließlich wollen wir bei unseren öffentlichen Unternehmen spätestens innerhalb der kommenden zwei Dekaden bilanziell Klimaneutralität erreicht haben. Das Thema Energiewende und Klimaschutz ist wesentlicher Schwerpunkt und ein gemeinsamer Kompass für alle unsere öffentlichen Unternehmen – das gilt angesichts von Corona-Krise und Ukraine-Krieg noch mehr als vorher!“
Michael Westhagemann, Senator der Behörde für Wirtschaft und Innovation, Freie und Hansestadt Hamburg:
„Hamburg hat als einer der größten internationalen Luftfahrtstandorte eine besondere Verantwortung. Ziel ist die Transformation des Flugverkehrs hin zu einer CO2-freien und leiseren Luftfahrt. Die Krise bietet die Chance, diesen Prozess auf allen Ebenen anzustoßen und mit entsprechenden Förderprogrammen zu begleiten. Der Hamburger Flughafen geht diesen Weg sehr konsequent mit. Hamburg Airport strebt nun an, bis 2035 als nächste Stufe gänzlich ohne CO2 Emissionen im Flughafenbetrieb auszukommen. Ich bin überzeugt, dass das gelingen wird.“
Pressemitteilung Flughafen Hamburg