… gegen „Nord Stream 2“-Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) prüft, Beschwerde gegen das gestrige „Nord Stream 2“-Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Das hat die Umweltorganisation heute bekanntgegeben. Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Greifswald am Dienstag die Klage der DUH gegen das Bergamt Stralsund auf Überprüfung der Klimawirkung von Nord Stream 2 zurückgewiesen.
Die DUH will erreichen, dass die extrem klimaschädlichen Methan-Emissionen aus der Lieferkette des Erdgases untersucht werden. Dazu erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH:
„Auch wenn das Gericht unsere Klage insgesamt zurückgewiesen hat, konnten wir in wichtigen Punkten Teilerfolge erringen. So haben die Richter die Tür für die Überprüfung von Klima- und Umweltfolgen im Ausland geöffnet: Die Zulässigkeit unserer Klage in Bezug auf die Methan-Emissionen in Russland haben sie ausdrücklich bestätigt. Damit können Umweltorganisationen nun Emissionen und Umweltschäden, die in der Lieferkette von Großprojekten in Deutschland entstehen, per Rechtsweg überprüfen lassen. Dies ist insbesondere für den Klimaschutz entscheidend: Treibhausgasemissionen wirken global, deshalb müssen die Folgen von Projekten in Deutschland auch global betrachtet werden. Dies ist insbesondere bei den Methan-Emissionen aus der Erdgas-Lieferkette der Fall, so wie wir es bei Nord Stream 2 beanstanden. Wir müssen nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, prüfen aber in jedem Fall eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.“
Prüfung der Klimawirkung von Nord Stream 2 abgelehnt
Deutsche Umwelthilfe kündigt weitere rechtliche Schritte an, um klimapolitischen Blindflug zu stoppen
Die Klimawirkung des größten fossilen Projekts Europas bleibt weiter ungeprüft. Eine entsprechende Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald heute (16.11.) zurückgewiesen.
Mit der Klage gegen das Bergamt Stralsund als eine der zuständigen Genehmigungsbehörden wollte die DUH eine Überprüfung der Bau- und Betriebsgenehmigung erreichen. Dies ist aus Sicht der Umweltorganisation erforderlich, weil nach der Genehmigung der Pipeline neue Erkenntnisse über Umfang und Wirkung von Methan-Emissionen aus der Erdgas-Lieferkette bekannt wurden. Dies hat im bisherigen Genehmigungsverfahren gar keine Rolle gespielt. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und extrem klimaschädlich.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Das heutige Urteil ist ein Rückschlag für den Klimaschutz. Nord Stream 2 steht für mehr als 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Hinzu kommen extrem klimaschädliche Methan-Emissionen aus Förderung, Verarbeitung und Transport von Erdgas in unbekanntem Ausmaß. Was dies für die Erreichung unserer Klimaziele bedeutet, darf nicht länger im Dunkeln bleiben. Wir werden weiter alle rechtlichen Schritte ergreifen, um die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu verhindern und diesen klimapolitischen Blindflug zu stoppen. Die Ampel-Parteien fordern wir auf, die Inbetriebnahme der Pipeline zu stoppen und das derzeit laufende Verfahren zur Zertifizierung der Pipeline auszusetzen, solange die Klimafolgen nicht geklärt sind.“
Zurückgewiesen hat das OVG Greifswald die Klage nach einer langen und intensiven Verhandlung. Im Zuge der Verhandlungen hatte das Gericht der DUH sowie der Nord Stream 2 AG einen Vorschlag für eine einvernehmliche Einigung unterbreitet: Demnach sollte die Nord Stream 2 AG eine unabhängige Überprüfung der Methan-Emissionen zulassen. Dies lehnte der Anwalt des Unternehmens jedoch ab, während sich die DUH auf diesen Vorschlag eingelassen hätte.
Sascha Müller-Kraenner: „Die Ablehnung des Vorschlags zeigt, dass der Nord Stream 2 AG nicht an Transparenz und Aufklärung in Sachen Klimawirkung gelegen ist. Offenbar traut sich das Unternehmen nicht, mit offenen Karten zu spielen. Das ist schade, denn die Klimawirkung der Methan-Emissionen ist ganz entscheidend für die Klimabilanz des Projektes.“
Die DUH ist auch weiter der Überzeugung, dass Bau und Betrieb von Nord Stream 2 dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021 widersprechen. Die Nutzung von Erdgas auszuweiten ist unvereinbar mit dem 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens und gefährdet die Grundrechte der jungen Generation.
Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin: „Das Klimaschutzgebot aus Artikel 20a des Grundgesetzes bindet alle staatliche Gewalt, also Exekutive und Judikative genauso wie den Gesetzgeber. Das Bundesverfassungsgericht hat überdies unmissverständlich klargestellt, dass dem verfassungsrechtlich verankerten Klimaschutzgebot zwingend auch eine internationale Komponente immanent ist, das heißt, eine allein nationale Betrachtungsweise der Klimaauswirkungen eines Projektes kommt nicht länger in Betracht. Deutschland ist vielmehr mit dem Betrieb von Nord Stream 2 für die in Russland freigesetzten Methanemissionen unmittelbar verantwortlich. Mit der heutigen Entscheidung ist es versäumt worden, diese rechtlichen Anforderungen in die Praxis umzusetzen.“
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse schätzen zudem die Klimawirkung von Methan-Lecks bei Förderung, Verarbeitung und Transport von Erdgas deutlich höher ein als zum Zeitpunkt der Genehmigung von Nord Stream 2 angenommen. Die Internationale Energieagentur geht aufgrund neuer Messungen davon aus, dass die Methan-Emissionen der Öl- und Gasindustrie aktuell um bis zu 80 Prozent unterschätzt werden.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Beim Weltklimagipfel in Glasgow hat sich Deutschland noch öffentlichkeitswirksam dem „Global Methane Pledge“ angeschlossen – und jetzt sollen bei der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 klimaschädliche Methan-Lecks aus der gesamten Erdgas-Lieferkette ignoriert werden? Das torpediert sämtliche Klimaschutz-Bemühungen. Der Weltklimarat IPCC hat unmissverständlich klargemacht: Ohne eine Reduktion der Methan-Emissionen können wir das 1,5-Grad-Limit nicht einhalten. Von der Nord Stream 2 AG können wir hier offenbar weder Transparenz noch ein Entgegenkommen erwarten. Deshalb werden wir hartnäckig bleiben und alle rechtlichen Möglichkeiten zum Stopp der Mega-Pipeline ausschöpfen.”
Hintergrund:
Bereits im Juli 2020 hatte die DUH beim OVG Greifswald Klage auf Überprüfung und Erweiterung des Planfeststellungsbeschlusses aus Klimaschutzgründen gegen das Bergamt Stralsund eingereicht. Das Bergamt Stralsund ist für die Genehmigung von Nord Stream 2 in den Küstengewässern zuständig. Daneben klagt die DUH vor dem Verwaltungsgericht Hamburg gegen das ebenfalls zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.
Methan ist das zweitwichtigste Treibhausgas nach CO2. Es ist laut Weltklimarat für etwa 0,5 Grad Celsius globaler Erwärmung verantwortlich. Über 20 Jahre betrachtet ist es 83-Mal klimaschädlicher als CO2.
Bundesnetzagentur stoppt Zertifizierung von Nord Stream 2
– Ampel-Parteien müssen dem fossilen Megaprojekt jetzt eine Absage erteilen
Zur Aussetzung der Zertifizierung der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe:
„Es ist völlig richtig, dass die Bundesnetzagentur die Zertifizierung von Nord Stream 2 stoppt. Wir haben bereits früh darauf hingewiesen, dass dem Verfahren die Rechtsgrundlage fehlt. Es geht aber nicht nur um die Rechtsform des Unternehmens, sondern auch um die Fristen im Energiewirtschaftsgesetz: Diese sind längst abgelaufen. Die Zertifizierung kann erst weitergehen, wenn der Bundestag neue Fristen beschließt. Die Ampel-Parteien müssen diesen Spielraum nun nutzen und die Inbetriebnahme des größten fossilen Projekts Europas ganz absagen – ansonsten sind die Klimaziele Deutschlands und Europas in Gefahr.“
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