Am 24. September wird der neue Bundestag gewählt. 61,5 Millionen Wahlberechtigte sind aufgefordert, ihre Kreuzchen auf dem Stimmzettel zu machen. Wer wissen will, wie die Hamburger Bundestagskandidaten zu Natur- und Umweltschutz stehen, kann sich mit Hilfe der „Wahlprüfsteine“ des NABU Hamburg ein Bild machen.
Der Landesverband hat alle Parteien zu verschiedenen umweltpolitischen Themen befragt. Die Aussagen sind auf der Website des Verbandes zu finden unter www.NABU-Hamburg.de/wahl
Im Vorwege der Bundestagswahl hat der NABU Hamburg die Bundestags-Kandidatinnen und Kandidaten von SPD, CDU, FDP, Grünen, Linken und AfD zu ausgewählten umweltpolitischen Themen befragt. Bis auf die AfD nahmen alle Parteien Stellung. Die gestellten Fragen betrafen unter anderem die Verteidigung des aktuellen Verbandsklagerechts der Umweltverbände, die Unterstützung einer ökologischeren landwirtschaftlichen Förderpolitik, Verkehrspolitik, die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen großer Containerschiffe oder die Gefahr ultrafeiner Partikel durch die Seeschifffahrt. Nach Einschätzung des NABU Hamburg haben sich die angefragten Parteien in sehr unterschiedlicher Art und Weise mit den Fragen befasst. „Es ist bemerkenswert, dass es manchen Parteien offensichtlich schwerfällt, sich klar zu ökologischen Fragen zu positionieren. Da ist es kein Wunder, dass der ökologische Fortschritt so langsam vorangeht“, bemerkt Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. So hat sich beispielsweise bei der Frage, ob sich die Parteien neben Feinstaub darum bemühen wollen, zukünftig krebserregende ultrafeine Partikel gesetzlich zu regeln, einzig eine Partei fachlich, klar und kurz geäußert.
Alle Fragen und Antworten können unter www.NABU-Hamburg.de/wahl auf der Website des NABU Hamburg abgerufen werden.
Pressemitteilung NABU Hamburg
Die Wahlprüfsteine des NABU Hamburg
1. Verbandsklagerecht
Bei Konflikten zwischen Naturschutz- und anderen Interessen wurde in der Vergangenheit von den (aus guten Gründen hierarchisch organisierten) Behörden immer wieder der Natur- und Umweltschutz gegenüber anderen Interessen zurückgestellt. Das ging so weit, dass auch geltendes Natur- und Umweltschutzrecht nicht mehr ausreichend beachtet wurde. Vor diesem Hintergrund wurde schon durch die Aarhus-Konvention vorgegeben, dass die Nationalstaaten die Rechte der anerkannten Naturschutzverbände stärken müssen. Seit Natur- und Umweltschutzverbände nun die Möglichkeit haben, Entscheidungen der Verwaltung zu beklagen, wurden Verstöße gegen Natur- und Umweltschutzrecht an vielen Stellen aufgedeckt. Die damit verbundenen Verzögerungen werden jedoch teilweise nicht den fehlerhaft planenden Vorhabenträgern, sondern den anerkannten Naturschutzverbänden zur Last gelegt. Deshalb sind bereits Stimmen hörbar, die das Verbandsklagerecht wieder einschränken wollen.
Frage: Werden Sie das Verbandsklagerecht der anerkannten Naturschutzverbände verteidigen?
2. Luftverschmutzung
Nach Erkenntnissen der Wissenschaft hat es im Jahr 2012 in Deutschland 59.500 vorzeitige Todesfälle wegen Partikelemissionen und 10.400 vorzeitige Todesfälle wegen Luftverunreinigung durch Stickoxid-Emissionen gegeben. Auch in Hamburg ist die Luftreinhaltung, schon mit Bezug auf die im Vergleich zu den Erkenntnissen der World Health Organisation (WHO) recht großzügigen europäischen Grenzwerten, noch immer nicht gewährleistet. Ein besonderes Problem ist dabei, dass für die besonders kleinen Partikel (kleiner als 2,5μm), die wegen ihrer Lungengängigkeit besonders leicht ins Blut aufgenommen werden und dort Schäden auslösen können, noch immer keine Grenzwerte existieren.
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch für die Partikel kleiner als 2,5μm an Vorsorgemaßstäben orientierte Grenzwerte in Deutschland eingeführt werden?
3. Mega-Frachter auf Kosten der Allgemeinheit
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Größen von Containerschiffen mehr als verdoppelt. Diese rasante Entwicklung der Schiffsgrößen stellt beinahe alle europäischen Seehäfen vor enorme Herausforderungen. Dabei geriet aus dem Auge, ob und in wie weit die durch das Schiffsgrößenwachstum ausgelösten Investitionen tatsächlich nachhaltig sind. Denn obwohl die Mehrzahl der Häfen unter der Schiffsgrößenentwicklung leidet, gibt es erst seit rund einem Jahr eine wirklich kontroverse Debatte über die vielfältigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen. Dabei wurde das Rennen, von dem vor allem die Reedereien profitieren, von der Sorge der Häfen um Ladungsverluste getrieben.
Mit fast jeder wachsenden Schiffsgeneration wurden Kaianlagen und Kräne an privaten und öffentlichen Terminals optimiert, öffentliche Hafenhinterland-Infrastruktur (Straße, Bahn, Wasserwege)- oft mit Einflüssen auf Natur und Umwelt- ausgebaut und Arbeitszeiten modifiziert. Um diesen kaum nachhaltigen Kreislauf zu durchbrechen, fordern die Verbände von der Bundespolitik: eine Begrenzung der Schiffsgrößen für die deutschen Seehäfen, um weitere unter Umständen entbehrliche Anpassungen der Hafensupra- und Infrastruktur zukünftig zu unterbinden eine europäische Initiative mit einer gemeinsamen Position zu starten, um den Anpassungsdruck der Seehäfen zu reduzieren eine Beteiligung der Reedereien, an den durch sie ausgelösten Folgekosten (u.a. Anpassung Hafensupra- und Hafeninfrastruktur) ökologische Auswirkungen durch Anpassungen dann zu vermeiden, wenn adäquate Alternativen möglich sind soziale Auswirkungen wachsender Ladungsmengen (punktuelle zeitliche Mehrbelastungen beim Be- und Entladen) zu minimieren und auf dem heutigen Stand einzufrieren.
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundespolitik in diesem Sinne aktiv wird?
4. Begrünung der Landwirtschaftsförderung
Die derzeit ganz überwiegend intensive, konventionelle Landwirtschaft hat wild lebende Tieren und Pflanzen, die ihre Erträge schmälern könnten, mit ihren wirkungsvollen Methoden massiv in ihren Beständen reduziert. Sie dürfte damit den größten Einzelbeitrag zum Artensterben in Deutschland leisten. Diese Landwirtschaft wird auch aufgrund falscher Förderpolitik so betrieben.
Es muss daher prioritäres Ziel der kommenden Bundesregierung sein, die GAP grundlegend zu reformieren, bedingungslose Direktzahlungen zu beenden und durch ein Fördersystem nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld (nur) für öffentliche Leistungen“ zu ersetzen. Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode sind zudem agrarpolitische Maßnahmen einzuleiten, die der landwirtschaftlichen Intensivierung und dem vermehrten Pestizideinsatz entgegenwirken und stattdessen Lebensräume und Nahrung, zum Beispiel von Vögeln und Fledermäusen, erhalten.
Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass naturschädliche Subventionen in der EU und in Deutschland endlich, wie global vereinbart, bis zum Jahr 2020 abgebaut werden, und eine ausreichende Finanzierung des Naturschutzes durch einen eigenen EU-Fonds in Höhe von mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr sichergestellt wird.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung in diesem Sinne tätig wird?
5. Verkehrswende für den Klimaschutz
Auf der Ebene der Ankündigungen hat auch die Bundesregierung die Notwendigkeit einer erheblichen Minderung des Ausstoßes von Treibhausgas erkannt. Es ist klar erkennbar, dass wirkungsvoller internationaler Klimaschutz und eine Führungsrolle Deutschlands dabei nur wirksam werden kann, wenn Deutschland tatsächlich eine durchgreifende Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen im zugesagten Umfang erreicht.
Tatsächlich ist der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland trotz erheblichem Ausbau der erneuerbaren Energie-Anlagen gerade wieder angestiegen. Dabei wurde deutlich, dass insbesondere der Verkehrsbereich kaum zu den Emissionsminderungen der Vergangenheit beigetragen hat. In dieser Situation noch neue Autobahnen zu bauen, erscheint deshalb hoch anachronistisch.
Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Investitionen in neue Autobahnen beendet und stattdessen eine wirkungsvolle Verkehrswende voran gebracht wird?
Agrar-, Verkehrs- und Klimapolitik ohne Weitblick
Die Umweltverbände ziehen vor der Bundestagswahl Bilanz
Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) hat gemeinsam mit BUND, Greenpeace, NABU und WWF eine Bilanz der Umweltpolitik in der zurückliegenden Legislaturperiode gezogen und zentrale Forderungen an die künftige Bundesregierung vorgestellt.
Mehr Infos unter: https://www.nabu.de/news/2017/09/23054.html