Hat die Polizei derzeit keine anderen Sorgen? Bei den monatlichen Fahrradtouren der Critical-Mass-Bewegung (bis zu 5.000 Teilnehmende) stellt die Polizei regelmäßig Strafanzeigen. Das deckt jetzt eine Kleine Anfrage der Grünen auf. Die Polizei ermittelt gegen Unbekannt, weil sie das gemeinsame Radeln als unangemeldete Demonstration wertet. Damit kriminalisiert die Hamburger Polizei Radfahrende im großen Stil.
Bis vor kurzem wurde die Critical-Mass-Tour auch noch auf dem offiziellen Stadtportal hamburg.de positiv beworben, dann verschwand der Artikel aus dem Netz. Die Grünen fordern Senat und Polizei auf, die Kriminalisierung der friedlichen Radfahrerinnen und Radfahrer sofort zu stoppen.
Dr. Till Steffen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion, erklärt dazu: „Eine Fahrradtour ist eine Fahrradtour und keine Demonstration. Bei dem gemeinsamen Fahrradfahren der Critical Mass werden keine Protestkundgebungen laut und keine Schilder hochgehalten. Den Menschen dort geht es um das gemeinsame Fahrerlebnis. Warum dies regelmäßig Anzeigen gegen Unbekannt auslöst, ist nicht nachvollziehbar. Die Polizei schießt hier mit Kanonen auf Spatzen und kriminalisiert die Radfahrenden. Hamburgs Polizei sollte wirklich andere Sorgen haben als gegen Radfahrer zu ermitteln. So eine staatliche Drohgebärde ist völlig überzogen und zeigt deutlich, als was Radverkehr in dieser Stadt von der Polizei wahrgenommen wird: als Bedrohung.“
Aus der Schriftlichen Kleinen Anfrage der Grünen geht hervor, dass sich der Senat als solches noch nicht mit der Critical Mass beschäftigt hat und Polizei und Innenbehörde hier ganz alleine agieren. „Strafandrohungen und polizeiliche Ermittlungen halten die Menschen von einer Teilnahme ab, dabei kann man auf einer Critical-Mass-Tour gut lernen, was es bedeutet, auf dem Rad bequem und sicher auf der Straße zu fahren. Der Senat sollte die friedliche Radtour mit bis zu 5000 Teilnehmern als bereicherndes Event begrüßen und sich freuen, dass so viele Menschen in dieser Stadt gemeinsam Radfahren. Statt dessen agiert er hier mit Desinteresse und Ablehnung. Ein positiver Artikel über die Critical Mass auf dem Stadtportal hamburg.de wurde auf Intervention der Senatspressestelle wieder gelöscht, der Senat scheint sich also von der Critical Mass zu distanzieren. Damit macht sich der Senat endgültig unglaubwürdig in Sachen Radverkehrsförderung.“
Hintergrund
Die Critical Mass-Idee entstand 1993 in San Francisco. Der Grundgedanke ist das gemeinsame Radfahren im Stadtgebiet, um zu zeigen, dass Radfahrende ein Teil des Verkehrs sind. Seit 2011 wird die Critical Mass in Hamburg dokumentiert. Jeden letzten Freitag im Monat wird um 19:00 Uhr gemeinsamen durch die Stadt gefahren. Mit bis zu 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist sie die nach eigener Aussage die größte in Deutschland. Es gibt keinen verantwortlichen Veranstalter und es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Demonstration. Die zusammenkommenden Menschen eint die Freude und Lust am Radfahren. Mehr dazu unter: http://criticalmass-hh.de/faq/. Bis zum 29. September 2014 gab es unter hamburg.de einen Artikel mit dem Titel „Fahrräder und Autos auf Augenhöhe“ über die Critical Mass, der diese Veranstaltung positiv beschrieb und als touristisches Event bewarb (siehe Anhang). Auf Betreiben der Senatspressestelle wurde der Artikel gelöscht, auch auf Nachfrage der Grünen wurde der Text jetzt nicht mehr herausgegeben.
Pressemitteilung GRÜNE Bürgerschaftsfraktion