Davos und die Ökonomie der Ökologie

NABU lobt Weitsicht des Weltwirtschaftsforums: Auch Umwelt- und Naturschutz sind Thema in Davos. Von der Politik werden die Auswirkungen der Biodiversitätskrise auf die Wirtschaft augenscheinlich noch nicht erkannt.

Vom 20. bis zum 24. Januar 2025 treffen sich auch in diesem Jahr wieder Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bei der einladenden Stiftung World Economic Forum (WEF – Weltwirtschaftsforum) im schweizerischen Davos. Hierbei kommen zahlende Mitglieder, international führende Wirtschaftsexpert*innen, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, gesellschaftliche Akteur*innen und Journalist*innen zusammen, um über aktuelle globale Fragen zu diskutieren. Während traditionell die Wirtschaftspolitik das Forum dominierte, spielen seit einigen Jahren zunehmend Themen wie soziales Unternehmertum und vor allem auch Umwelt- und Naturschutz eine Rolle. Aus gutem Grund.

Denn jährlich erstellt das WEF den „Global Risk Report“, bei dem vor allem mittel- und langfristige wirtschaftliche Risiken beschrieben werden. Während das Thema Biodiversität – der Dreiklang aus Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt – auch im Bericht 2024 noch jenseits der Top 20 Prioritäten rangiert, wird die Biodiversität laut WEF binnen einer Dekade unter den Top 3 zu finden sein. Das ist quasi morgen. Die Natur stellt unter anderem durch sauberes Wasser, gute Luft, die Filterfunktion von Bäumen, die Bestäubungsleistung von Insekten oder fruchtbare Böden kostenfreie so genannte „Ökosystemleistungen“ zur Verfügung. Durch die Lebensweise des Menschen mit einem rasanten Raubbau an der Natur vor allem durch ungebremsten Flächenverbrauch oder eine die Gewässer und Böden beeinträchtigende Luftverschmutzung werden diesen Ökosystemleistungen erheblich eingeschränkt oder sogar völlig zerstört. Mit unter Umständen extremen mittel- und langfristigen Folgen, da der Mensch sich zwar dem Klima halbwegs anpassen kann, ohne funktionierende und vielfältige Biodiversität jedoch kaum auf dem Planeten zurechtkäme.

„Das World Economic Forum hat schon lange erkannt, dass Naturschutz die beste Wirtschaftspolitik ist. Für politisch Handelnde und weite Teile der Gesellschaft ist Natur jedoch weiterhin eher eine nette Sache und vor allem ein Spielfeld der Naturschutzverbände. Da sagen wir: Augen auf bei den Prioritäten. Denn gefährlich ist, dass auch die deutsche Politik auf allen Ebenen die Bedeutung der Biodiversität bisher überhaupt nicht auf dem Zettel hat, obwohl der Handlungsdruck unmittelbar besteht und wir uns Nachlässigkeiten wie beim Klimaschutz nicht leisten können. Doch ausgerechnet bei den Parteien, die sich selbst die größte Wirtschaftskompetenz zuschreiben, sucht man in den Wahlprogrammen Hinweise und Begrifflichkeiten auf den Wert der Natur, die Bedeutung des Naturschutzes oder der Biodiversität mehr oder weniger vergebens. Das ist eine fatale Ignoranz und sollte vor allem denen zu denken geben, die bisher der Meinung waren, dass Naturschützer*innen den Fortschritt verhindern würden. Denn wir sind die, die Fortschritt und Entwicklung auch über eine Wahlperiode hinaus im Auge haben“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg.

Insofern wäre es mit Blick auf den Global Risk Report nach Auffassung des NABU zwingend, Vorhaben wie die geplanten Autobahnen A 26 Ost oder A 20 auf den Prüfstand zu stellen, weil sie großflächig Moore und Feuchtwiesen zerstören. Es wäre sinnvoll, geplante Gewerbe- oder Wohngebiete wie Oberbillwerder oder Fischbeker Reethen auf bereits versiegelten Flächen zu bauen, statt weiterhin ins Grüne. Es wäre nach Ansicht des NABU überfällig, sich von Seiten der Politik ernsthaft mit den ökologischen und ökonomischen Wechselwirkungen zu beschäftigen, statt weiterhin mit Scheuklappen „business as usual“ zu betreiben. Denn jenseits des politischen Raumes befassen sich nicht nur das WEF, sondern ebenso zahlreiche Wirtschaftsinstitute wie Ernst&Young oder die Boston Consulting Group bereits intensiv mit der Ökonomie der Ökologie. Auch die Europäische Zentralbank EZB stellt in einem Paper von 2023 heraus, dass 75 Prozent aller europäischen Unternehmen von mindestens einer Ökosystemleistung abhängig sind- immerhin rund drei Millionen. Diesen Organisationen lasse sich kaum eine große Nähe zum Naturschutz unterstellen.

„Aber kluge wirtschaftliche Vordenkende haben die enormen wirtschaftlichen Risiken unseres Lebensstils erkannt. Es nutzt nichts, es muss sich bei den Prioritäten etwas ändern. Statt ungebremstem Flächenverbrauch braucht es dringend einen sinnvollen Flächenschutz und die Entwicklung großer zusammenhängender Naturräume. Deswegen ist das Wiederherstellungsgesetz der Natur, die EU Restauration Law, von so großer Bedeutung. Es geht nicht um Gedöns, es geht um viel. Die Entscheider*innen müssen die Bedeutung der Biodiversität verstehen und Natur nicht nur am Amazonas schützen und entwickeln wollen, sondern auch bei uns vor der Tür!“

Pressemitteilung NABU Hamburg

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