Die Naturschutzgesetzgebung der EU soll auf den Prüfstand: Bis zum 24. Juli haben alle Bürger in den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, sich zur Bedeutung und zu einer möglichen „Modernisierung“ der zwei wichtigsten EU-Gesetze für den Natur- und Artenschutz zu äußern: der Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) -und der Vogelschutzrichtlinie.
Mit der Aktion „Naturschätze retten“ stellt der NABU jede Woche unter www.NABU.de/naturschaetze ein Gebiet, eine Art oder einen Lebensraum vor, die vom Schutz der EU profitieren oder ohne diesen verloren gehen könnten.
Der Kiebitz zählt in Deutschland zu den stark gefährdeten Vogelarten. In der Folge sind für den bedrohten Zugvogel besondere Schutzgebiete nach der EU-Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen worden. Von diesen EU-Vogelschutzgebieten hat der Kiebitz profitiert. Auch die Jagd auf Kiebitze wurde mit der EU-Vogelschutzrichtlinie eingeschränkt. Allerdings ist sie in einigen Mitgliedsstaaten, zum Beispiel in Frankreich, immer noch zulässig. Trotz des Schutzes durch die EU-Richtlinien hat sich der Brutbestand des Kiebitzes in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren halbiert. „Ohne die EU-Vogelschutzrichtlinie würde es um den Kiebitz in Deutschland noch schlechter stehen“, sagte Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. Ein Grund für die starke Abnahme liege im unzureichenden Management vieler EU-Vogelschutzgebiete durch die Landesregierungen.
Insgesamt lebt knapp ein Prozent des nationalen Kiebitzbestandes in Hamburg. Seit Ende der 1980er Jahre hat sich der Bestand in der Hansestadt aber von 1500 bis 2000 Brutpaare um über 50 % Prozent auf 600 Paare reduziert. „Dies sind alarmierende Zahlen“, so der NABU-Chef. „Auch wenn punktuell Erfolge erzielt werden, so brauchen wir dringend viel stärkere Anstrengungen für den Schutz der Kiebitz-Bestände und deren Lebensräume.“ Denn von den Schutzmaßnahmen für den Kiebitz profitierten zusätzlich eine Reihe gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wie Trauerseeschwalbe, Knäkente, Kammmolch, Krebsschere und Sumpfblutauge. Als positives Beispiel nennt Porschke die Entwicklung eines großen Feuchtgrünlandgebietes von ca. 276 ha in Neuland, das die Abteilung Naturschutz der Umweltbehörde betreut. Dort hat sich der Bestand an Kiebitzen und Rotschenkeln nach einer Vernässung von Grünlandflächen und der Anlage von Kleingewässern erhöht. Infolgedessen haben sich sogar die Knäk- und Löffelente angesiedelt. Von der offenen Kulturlandschaft in diesem Gebiet profitieren zudem Feldlerche und Wiesenpieper in hohen Dichten. „Am Beispiel Neuland zeigt sich, dass großflächige Vernässungen und die Schaffung von offenen Land-schaftsstrukturen sich positiv auf die Wiesenvogelbestände auswirken und die Le-bensgemeinschaft des Feuchtgrünlandes hier nachhaltig gefördert und gesichert werden können“, erklärte Marco Sommerfeld, Vogelexperte des NABU Hamburg. „Auf diesen Erfolgen darf man sich aber nicht ausruhen. Denn trotz dieser positiven Entwicklung in Neuland besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf.“
Der Kiebitz zählte noch vor wenigen Jahren zu den weit verbreiteten Vogelarten auf Wiesen und Feldern in ganz Deutschland. Hauptgrund für den Rückgang des Kiebitzes innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Über Jahrzehnte wurden Bruthabitate im Grünland durch Trockenlegung zerstört oder in Äcker umgewandelt. Durch die zeitliche Überschneidung von Brutzeit und Grünland-Bewirtschaftung gingen immer wieder Gelege und Küken verloren. Auch Äcker sind oft keine Alternative. Sie bieten Küken oft nicht genug Nahrung. Auf Maisäckern, die inzwischen häufig von Kiebitzen als Brutplatz genutzt werden, sind die Gelege zudem häufig Opfer der Bewirtschaftung.
Mit Blick auf die EU-Bürgerbefragung zum „Fitness-Check“ möchte der NABU zahlreiche Menschen dazu bewegen, sich für starke Naturschutzgesetze in der Europäischen Union auszusprechen. Der Schutz von allein in Deutschland über 5.000 Natura-2000-Gebieten könnte damit geschwächt werden. Die Jagd auf Zugvögel und Wölfe, der Schutz von Fledermäusen, Bibern und Buchenwäldern stünde wieder zur Debatte. Der NABU fordert nicht nur den Erhalt der EU-Vogelschutz- und FFH-Richtlinie, sondern auch eine konsequentere Durchsetzung und Finanzierung der geltenden Naturschutzstandards. „Wenn die EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten es ernst meinen mit dem Stopp des Artensterbens bis 2020, wozu sie sich verpflichtet haben, dann muss eine breit angelegte Naturschutzoffensive eingeleitet werden. Das bedeutet: mehr Geld und mehr Personal für die Naturschutzverwaltungen, aber auch klare Bestimmungen für Schutzgebiete sowie empfindliche Strafen für illegales Töten von Zugvögeln in der ganzen EU“, so der NABU-Vorsitzende Alexander Porschke.
Unter www.NABU.de/naturschaetze bietet der NABU weitere Informationen zum Fitness-Check und zur EU-Online-Konsultation. Außerdem können Bürger dort für den Erhalt der Naturschutzrichtinien abstimmen.
Pressemitteilung NABU Hamburg