Der Lottbeker Teich – ein Krötengrab

Trockenheit und verspätetes Einschreiten führen zum Erdkrötensterben
Vom Lottbeker Stauteich ist außer einem mittigen Rinnsal und einer Pfütze kurz vor dem Stauwehr nichts mehr übrig. Schuld ist nicht nur das Wetter, das schon seit Ende April kein Wasser mehr von oben liefert, sondern auch ein defektes Wehr, das den Teich stetig leerlaufen lässt. Für Spaziergänger ist das schade, für die Tiere, die auf das Wasser angewiesen sind, ist es fatal.

 

Für Hunderttausende Kaulquappen der Erdkröte, die seit Tagen unter zu warmem und sauerstoffarmem Wasser leiden, schlägt die letzte Stunde. Pfützenreste, in denen morgens noch Massen von Kaulquappen schwach zappeln, sind am Abend ausgetrocknet. Immer mehr von ihnen drängen sich im kleinen Rest des Teiches. Ein großer Teil der Kaulquappen ist bereits verendet, die meisten waren in dem Stadium, in dem sie erst ihre Hinterbeine ausgebildet haben und noch auf Wasser angewiesen sind. Inzwischen erfolgt aufgrund des Austrocknungsprozesses bei vielen eine Art Notreifung, aber die wenigsten Miniatur-Kröten schaffen es in die Vegetation bevor sie in der Sonne vertrocknen
Ein feiner Verwesungsgeruch hängt in der Luft und Krähen freuen sich über die toten Fische. Neben den Amphibien sind auch Weichtiere betroffen: Wie ein Blasen­teppich bedecken unzählige Wasserschnecken die Schlammfläche, darunter auch die große Spitze Sumpfdeckelschnecke, eine Art der Roten Liste.

Bereits im Januar dieses Jahres hatte ein Betreuer des schleswig-holsteinischen Naturschutzgebietes Heidkoppelmoor und Umgebung auf den zu niedrigen Wasserstand aufgrund des defekten Stauwehrs hingewiesen. Der Wasserspiegel im Teich lag auch im letzten Winter ständig deutlich unter der festgelegten Stauhöhe. Vor über sechs Wochen, am 17. April schickte dann der für Biodiversität und Naturschutz zuständige Referent des NABU Schleswig-Holstein eine Mail mit einer Warnung vor einem drohenden Lurchsterben an die Behörden in Hamburg und Schleswig-Holstein. Er wies darauf hin, dass die Laichplätze der Grasfrösche bereits trockengefallen seien und der für ein Frühjahr viel zu niedrige Wasserstand des Teiches einen für die Region sehr bedeutsamen Bestand an Erdkröten bedrohe.
Er vermutete, dass der niedrige Wasserstand absichtlich herbeigeführt wurde, als vorgezogene Maßnahme zur Teichentschlammung. Dies verneinte die Wandsbeker Behörde mit Hinweis auf das trockene Wetter. Sie wolle jedoch das Stauwehr noch einmal kontrollieren.
Am 2. Juni schließlich erfährt der NABU Ammersbek vom NABU Hamburg, dass die Behörde ansatzweise aktiv geworden ist, denn das Bezirksamt Wandsbek informiert in einer Pressemitteilung: „Bei einer Untersuchung wurde eine Leckage in der Bohlwand, die im sogenannten Mönchbauwerk den Wasserstand einstellt, festgestellt.“ Es wird auch berichtet, dass aufgrund des niedrigen Wasserstandes einige Fische und Muscheln in ein anderes Gewässer umgesetzt wurden.
Das ist schön für die wenigen Fische und Muscheln. Für den Erhalt der Krötenpopulation wäre es jedoch notwendig gewesen, dass zeitiger auf Warnungen von Menschen vor Ort und die seit fast sechs Wochen anhaltende Trockenheit reagiert worden wäre. Es wäre ein Leichtes gewesen, kurzfristig ein paar defekte Bohlen auszutauschen, zumal Wandsbek bereits im April auf die Undichtigkeit im Wehr aufmerksam gemacht worden war.

Die obere Häfte des Stauteichs flankieren zwei Naturschutzgebiete (NSG), auf die die Lottbek und ihr Stau einen bedeutenden Einfluss hat: das schleswig-holsteinisches NSG „Heidkoppelmoor und Umgebung“ – es wird von Fachleuten des NABU Ammersbek betreut – und das Hamburger NSG „Duvenwischen“, das vom Botanischen Vereins zu Hamburg fachlich betreut wird. Die Vorsitzende des NABU Ammersbek, Petra Ludwig-Sidow, bedauert, dass, nach gutem Informations­fluss zu Planungsbeginn 2020 und 2021, wo sich Wandsbek mit den Schutzgebiets­betreuenden austauschte, der NABU Ammersbek in den Folgejahren über den Planungsstand fast nur aus der Presse erfuhr: „ein regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe nicht nur zu Planungsbeginn hätte vielleicht ein paar Tausend Erdkröten gerettet“.
Nun aber ist die Katastrophe eingetreten, täglich sterben viele Tausend junger Erdkröten im Schlamm des trockenfallenden Teiches.
Erst wenn die letzte Kaulquappe verendet ist, wird festgestellt, was vor Ort alle schon wussten: Ein Loch ist im Wehr, der Stauteich läuft leer.

Zum Hintergrund:
Nach europäischer Wasserrahmenrichtline (WRRL) sollen alle natürlichen Gewässer in einen guten Zustand versetzt werden und eine wichtige Maßnahme dafür ist die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit von Fließgewässern. Fische und wirbellose Kleinlebewesen soll ungehindert stromauf und stromab zwischen ihren typischen Nahrungs-, Laich- und Rückzugslebensräumen wandern können. Deshalb sollen Querbauwerke zurückgebaut und dort, wo es nicht möglich ist, naturnahe Aufstiegsanlagen oder kleine Umleitungen, sogen. Umgehungsgerinne angelegt werden.
Im Bereich der Lottbek begann die Planung unter der Ägide der Wasserbehörde des Bezirksamtes Wandsbek im April 2020. Um den Untersuchungsrahmen und -raum abzustecken, wurden u.a. auch intensive Gespräche mit den beteiligten Naturschutzverbänden geführt.
Um den Bach durchgängig zu machen, war zu dem Zeitpunkt geplant, den Teich aufzugeben. Naturschutz und Hochwasserschutz standen im Focus: Feuchtbiotope wie die orchideenreiche Buschwiese, die Gewässerränder mit Röhricht und Schwertlinien oder der Au- und Bruchwald spielten eine Rolle genauso wie Retention und Drosslung oder Dämpfung zuführender Entwässerungen im Oberlauf bei Hochwasser.
Im Juni 2021 wechselte die zuständige Mitarbeiterin in Wandsbek. Die neue Ansprechpartnerin sucht Kontakt den Naturschutzverbänden und macht deutlich, was die Maßnahme für Frösche und Kröten bedeuten würde: „Die Planungen haben gezeigt, dass die Anlage dauerhaft wasserführender Amphibienbecken nicht machbar ist, da das im Zulauf des Teiches ankommende Wasser ins Fließgewässer geführt wird.“ Da die Lottbek aber „vergleichsweise wenig Wasser führt, in den Sommermonaten trocken fällt, das Artenspektrum eingeschränkt ist“ stellt sich ihr die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Sie will also prüfen, ob die Vorteile des Fließgewässers die Aufgabe des Stauteichs lohnen und fragt deshalb bei den Schutzgebietsbetreuern nach unserer Meinung und unseren Informationen.
Im Juli 2021 erfolgt findet ein Ortstermin am Lottbeker Teich statt und die Schutzgebietsbetreuer des NABU Ammersbek machen der Wandsbeker Behörde gegenüber deutlich, dass in der Abwägung zwischen Wasserrahmenrichtlinie und Naturschutzbelangen aus ihrer Sicht der Erhalt des Stauteichs prioritäres Ziel sein sollte. Als Gründe führen sie auf: Sommerliches Austrocknen des Bachlaufs, keine Durchgängigkeit der Lottbek oberhalb des Teiches, kein Entwicklungspotential im Oberlauf aufgrund von Trockenheit und mangelhafter Strukturqualität. Den Teich zu erhalten würde die gewachsenen Sumpfwaldgebiete und die beiden Naturschutzgebiete auf natürlich Weise schützen. Das regional bedeutsames Laichhabitat für Erdkröten bliebe erhalten und auch der Wert für Naherholung und Besucherlenkung.

Mehr Infos: www.nabu-ammersbek.de

Pressemitteilung NABU Ammersbek

Foto: Der Lottbeker Teich ca. Anfang Juni (Foto © Bezirksamt Wandsbek)
Siehe auch: /2023/06/niedriger-wasserstand-am-lottbeker-teich/

Dieser Beitrag wurde unter Natur, Walddörfer / Ammersbek veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.