Deutsche Umwelthilfe zum Solarpaket I

Überfällige Verbesserungen, gravierende Leerstellen und massive Aufweichungen bei Umweltstandards
Voraussichtlich Ende der Woche soll der Bundestag das Solarpaket I verabschieden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet das Vorhaben überwiegend positiv, kritisiert jedoch gravierende Leerstellen bei den Themen Solarstandard für Gebäudedächer und Energy Sharing sowie den Abbau von Umweltstandards bei der Windenergie auf See. Konkret begrüßt die DUH Verbesserungen für Mieterstromprojekte, Balkonkraftwerke und Biodiversitätsstandards bei Freiflächenanlagen.

So wird die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mit Solarenergie zahlreiche Mieterstromprojekte wirtschaftlich machen, insbesondere bei Mehrfamilienhäusern. Die DUH begrüßt auch die Vereinfachungen im Bereich Balkonkraftwerke: vereinfachte Anmeldung, Erhöhung der Leistungsgrenze auf 800 Watt und übergangsweise Duldung rückwärtslaufender Zähler. Weiterhin überfällig bleibt ein umfassender bundesweiter Solarstandard für Gebäude, um die Ausbaugeschwindigkeit auf ungenutzten und versiegelten Dachflächen zu erhöhen. Die DUH fordert, den Solarstandard für alle Gebäudetypen (Gewerbe, Wohngebäude und öffentliche Gebäude) früher und umfassender als in der EU-Gebäuderichtlinie vorgesehen umzusetzen: im Neubau und bei Vollsanierungen ab sofort. Auch Energy Sharing – das gemeinschaftliche Erzeugen und Verbrauchen von erneuerbarem Strom unter Nutzung des öffentlichen Netzes – wurde im Solarpaket I ausgeklammert und kann daher so keinen Beitrag leisten zum dezentralen Ausbau und der Akzeptanz der Erneuerbaren.

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Bei aller verständlichen Euphorie zur lang ersehnten Verabschiedung des Solarpakets I: Dieser Gesetzesentwurf ist nicht der dringend benötigte große Wurf. Das Gesetz war bereits vor über einem Jahr angekündigt worden. Und jetzt klaffen trotzdem große Leerstellen im Gesetzesvorschlag: Der fehlende Solarstandard für Gebäudedächer und die von vorneherein ausgeklammerte Regelung zum Energy Sharing sind zwingend notwendig, um den Solar-Turbo am Gebäude zu zünden. Und auch die sehr guten Vereinfachungen für Balkonkraftwerke haben leider einen entscheidenden Haken: Die Zustimmungspflicht durch die Vermieterinnen und Vermieter bleibt bestehen. In dem separaten Gesetzesvorhaben des Bundesjustizministeriums sind keine ausreichenden Kriterien definiert, was legitime Gründe für die Ablehnung eines Balkonkraftwerks sein können und was nicht. Das Solarpaket II muss diese Lücken in dieser Legislaturperiode schließen.“

Für den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es Licht und Schatten im Solarpaket I: Klar begrüßenswert ist die Einführung eines Biodiversitätsstandards für Freiflächen-Solaranlagen, der eine solide Grundlage legt, Natur- und Klimakrise Hand in Hand zu lösen. Gleichzeitig sind in letzter Minute weitreichende Änderungen für Windenergie an das Solarpaket angehängt worden: Das betrifft den Ausbau an Land und insbesondere auf See. Fast alle ausgewiesenen Flächen werden in „Beschleunigungsgebiete“ umgewandelt, wodurch im Zulassungsverfahren die Prüfungen der Umweltverträglichkeit und des Artenschutzrechts dauerhaft entfallen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Es ist gut, dass das Solarpaket I für PV-Freiflächenanlagen endlich Mindestanforderungen für Naturschutz und Artenvielfalt auf den dadurch genutzten Flächen enthält. Problematisch ist, dass mit dem Solarpaket in letzter Minute umfassende ‚Beschleunigungsgebiete‘ für Windenergie eingeführt wurden, in denen notwendige Umweltprüfungen zukünftig weitgehend entfallen. Das betrifft Windenergie an Land und im besonderen Maße den Ausbau auf See, wo die selbst von der Industrie geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt. Der Fokus zur Beschleunigung von Offshore-Wind sollte vielmehr auf dem Ausbau der Stromleitungen für die Netzanbindung liegen.“

Um den weitreichenden Entfall von Umweltprüfungen im Hauruck-Verfahren zu stoppen, fordert die DUH, die Paragrafen §6a Windflächenbedarfsgesetz und §8a Windenergie-auf-See-Gesetz ersatzlos aus dem Solarpaket zu streichen.

Pressemitteilung DUH


Solarpaket hebelt Diskussion zum naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie aus
Krüger: Stoppschild für Offshore-Paragraf 8a und Ausbau europarechtskonform gestalten
Derzeit laufen in Bundestag und Bundesrat zwei Gesetzgebungsverfahren für den Ausbau der Offshore-Windenergie, um die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) umzusetzen. Die Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) soll Offshore-Vorhaben beschleunigen, das überfällige Solarpaket die Nutzung der Sonnenenergie fördern. Beides wird nun durch das Wirtschaftsministerium vermischt, indem das Solarpaket in Paragraf 8a WindSeeG die Offshore-Vorhaben des Flächenentwicklungsplans pauschal zu Beschleunigungsflächen erklärt und damit der parlamentarischen Befassung zum WindSeeG vorgreift. In diesen Flächen drohen die Umweltverträglichkeitsprüfung und die artenschutzrechtliche Prüfung zu entfallen, selbst in ökologisch unverzichtbaren Flächen, auf Kosten von Seevögeln und Schweinswalen. Im Übrigen sieht das Solarpaket trotz eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens auch für Windenergie an Land Regelungen zu Beschleunigungsgebieten vor.

Dazu NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Unter dem Radar und unter unnötigem zeitlichem Druck sollen Tatsachen geschaffen werden. Gemäß RED III können nur Flächen, die bereits nach nationalem Recht für einen beschleunigten Ausbau vorgesehen sind, als Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden. Doch die gibt es auf See nicht. Erneut schießt das Wirtschaftsministerium über europäische Vorgaben hinaus und macht Energiepolitik gegen Europarecht und gegen die Natur. Ohne beschleunigende Wirkung beschneidet das Solarpaket Umweltstandards nach dem Rasenmäherprinzip und schränkt die parlamentarischen Beteiligungsmöglichkeiten massiv ein. Genug ist genug. Der Bundestag muss ein Stoppschild aufstellen und § 8a WindSeeG aus dem Solarpaket streichen.“

Selbst in nachweislich kritischen Ausbauflächen der Offshore-Windenergie soll künftig auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden, ohne die dafür notwendigen Kriterien festzulegen und die durch RED III geforderten Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Wie riskant das ist, zeigt eine Studie des NABU zur Anwendung des Ökosystemansatzes in der Raumplanung. Auch zahlreiche Unternehmen der Windenergiebranche plädieren seit längerem aus Gründen der Rechts- und Investitionssicherheit für die Beibehaltung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Kritik kommt auch aus den Bundesländern.

„Die Hemdsärmeligkeit des Wirtschaftsministeriums leistet einen Bärendienst für die Energiewende und konterkariert demokratische Prozesse. Es ist jetzt an den Abgeordneten des Bundestags, einen transparenten Prozess mit ausreichend Zeit und Beteiligung einzufordern. Die Energiewende ist zu wichtig, um sie Aktionismus und Symbolpolitik zu opfern”, so Krüger.

Hintergrund:

Gemeinsames Statement von NABU, WWF, DUH, Orsted, Vattenfall und RWE zum Erhalt der UVP-Pflicht: https://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/http/index.php?popup=true&show=40142&db=presseservice

NABU-Ampelstudie zur naturschutzfachlichen Eignung von Offshore-Wind-Flächen: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/offshore-windparks/33162.html

Pressemitteilung NABU

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