Rot-Grün unterbindet mit neuer Geschäftsordnung eine demokratische Debatte!
In der KW 2 beginnt die Sitzungsperiode des neuen Jahres 2024 und setzt über die verbleibenden fünf Monate zum Schlussspurt der Legislatur an. Bis zu den Bezirks-Wahlen am 9. Juni 2024 zeitgleich zu den EU-Wahlen, brechen dabei im Bezirk Wandsbek (Hamburg) völlig neue Zeiten an: Unterbindung der politisch-demokratischen Debatte, kein Rederecht und keine Wahrnehmung eines Bezirks-Direktmandates für fraktionslose Einzelmitglieder.
In der letzten Sitzung der Bezirksversammlung Wandsbek am 14.12.23 haben die Fraktionen SPD und Die Grünen als Regierungskoalition einen Antrag „Änderung der Geschäftsordnung – Zusammensetzung und Vertretung in Ausschüssen” (21-8114.1) eingebracht. Dieser besagt unter § 18 IV der Geschäftsordnung jetzt: „Fraktionslose Mitglieder können dem vorsitzenden Mitglied zwei Ausschüsse (Fachausschüsse, Regionalausschüsse oder deren Unterausschüsse, Sonderausschüsse) nennen, in denen sie ständig mitarbeiten wollen. Sie haben dort dieselben Rechte wie andere Ausschussmitglieder, jedoch kein Stimmrecht. Die Teilnahme an Sitzungen anderer Ausschüsse der Bezirksversammlung ist zulässig. Ein Rederecht zu angemeldeten Tagesordnungspunkten kann auch dort im Einzelfall zugelassen werden. Dies ist in der Regel zu gewährleisten, wenn Anträge des fraktionslosen Mitglieds behandelt werden.”
Der Antrag wurde mit den Stimmen der rot-grünen Koalition und FDP verabschiedet. Die CDU enthielt sich. Die Linke und AfD stimmten dagegen (§18 IV GO). Frauke Häger, fraktionsloses Einzelmitglied hat an der Abstimmung (bewusst) nicht teilgenommen.
Was bedeutet die Neufassung der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung (BVGO) real? Dem fraktionslosen Einzelmitglied Frauke Häger ist es nun nicht mehr möglich, das Direktmandat „Wahlkreis 5 Sasel/Wellingsbüttel“ vollwertig auszuüben. In der Bezirksversammlung wird sie weiterhin ihr Stimmrecht ausüben, Anträge und Kleine Anfragen stellen und die zugestandene Redezeit erhalten (Aktuelle Stunde und Debatte). In den zwei benannten Ausschüssen Regionalausschuss Alstertal und Ausschuss Klima Umwelt und Verbraucherschutz (KUV) ist es der Fraktionslosen möglich – wie allen andren (Fraktions-)Ausschussmitgliedern – schriftliche Anträge zu stellen und ein Rederecht auszuüben. Eine Fortsetzung der aktiven Partizipation wie Fragestellungen an Verwaltung, Ausschussmitglieder, Referent_innen, die Bewertung von Anträgen oder auch die Beantwortung von Bürgeranfragen (öffentliche Fragestunde und Eingaben), im Hauptausschuss in Anwesenheit der Bezirksamtsleitung, Planungsausschuss, Unterausschüssen für Bauangelegenheiten sowie anderen Regionalausschüssen, Sozialausschuss, Haushalt- und Kultur-Ausschuss und Jugendhilfeausschuss wird durch das Wegordnen des Rederechts (= Redeverbot) per BVGO verhindert.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die Bürger_innen im Bezirk Wandsbek und auch in der Stadt Hamburg, die von der Änderung der Geschäftsordnung und einem „Redeverbot für eine Bezirksabgeordnete (fraktionslos)” hören sind deutlich irritiert und können es nicht fassen: „Ist das denn überhaupt möglich? Das steht doch gar nicht im Einklang mit dem Grundgesetz.”
Die Betroffene Frauke Häger selbst zweifelt: „Soll ich mich geehrt fühlen, dass wegen meiner versierten Präsenz in wichtigen Ausschüssen, meinem Einsatz für Bürgeranliegen im gesamten Bezirk Wandsbek und fachlich-politischem Engagement für eine gesellschaftlich-gerechte Weiterentwicklung des Bezirkes nun die Geschäftsordnung geändert wird? Dass gerade die regierende Koalition und „liberale” FDP sich über die letzten fünf Monate vor den Bezirkswahlen nicht mehr einer fairen demokratischen Debatte stellen wollen, wundert mich schon sehr! Und es enttäuscht mich auch als Demokratin und Europäerin, die am 9. Juni 2024 zur Wahlurne schreiten will.”
Die zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke sowie Staatsrat Dr. Alexander von Vogel wurden in Ihrer Funktion als „Bezirke-Senatorin“ vom fraktionslosen Einzelmitglied Häger am 19. Dezember 2023 schriftlich um eine Stellungnahme bzgl. der nicht mehr gewährleisteten Wahrnehmung des Bezirksmandates, Grundrecht Frage-/Rederecht von Mandatsträger_innen und Partizipation für die Interessen der Bürger_innen (Wähler_innen) gebeten. Eine Lesebestätigung der Senatorin vom 19. Dezember 2023 10:23:56 liegt vor. Eine Antwort, offizielle Stellungnahme ist bisher ausgeblieben.
Kompletter Antragstext 21-8114.1 „Änderung der Geschäftsordnung – Zusammensetzung und Vertretung in Ausschüssen“ unter: https://bv-hh.de/wandsbek/documents/aenderung-der-geschaeftsordnung-zusammensetzung-und-vertretung-in-ausschuessen-antrag-der-fraktionen-spd-und-die-gruenen-169080
Geschäftsordnung der Bezirksversammlung Wandsbek (Stand 14.12.2024):
https://www.hamburg.de/wandsbek/bezirksversammlung/geschaeftsordnung/
HINTERGRUND:
Frauke Häger war seit 2011 bei den Grünen Wandsbek und in den Gremien der Bezirksversammlung Wandsbek aktiv gewesen. Im Mai 2019 erringt sie das Direktmandat als Bezirksabgeordnete der Grünen Fraktion Wandsbek. Im Bürgerschaftswahlkampf ist sie für den Wahlkreis Alstertal/Walddörfer GRÜNE Kandidatin Platz 3, erringt den 2. Platz und ist (weiterhin) Nachrückerin für die Hamburgische Bürgerschaft.
Fraktionen in der Bezirksversammlung: Im August 2020 ist Frauke Häger aus der Bezirksfraktion und dem Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Wandsbek ausgetreten. Das Direktmandat WK 5 Sasel/Wellingsbüttel führt sie seitdem fraktionslos weiter. Die Bezirksversammlung Wandsbek durchlebte in 2022/23 Mandatsverschiebungen. Zwei Austritte aus der Grünen Bezirksfraktion (J.-O. Witt, O. Schweim) sorgten zwischenzeitlich für einen Verlust der Regierungskoalition da die Nachrückerin M. von Trotha nicht der Grünen Fraktion beitrat (fraktionsloses Mandat). Im Dezember 2022 konvertierte O. Schweim zur SPD. M. von Trotha legte ihr Mandat im Dezember 2023 nieder. S. Fehlauer rückte nach und verhalf der Koalition zu einem grünen Stimmenzuwachs.
Geschäftsordnungs-Änderung im Juni 2023 (§13 + 17):
Bereits im Juni 2023 wurde die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung per Antrag verändert.
„Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung Wandsbek – Interfraktioneller Antrag der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Grünen, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion” (21-7205, BV vom 8.6.23; mehrheitlich, gegen AfD und Enthaltungen Die Linke und fraktionslose Mitglieder)
§13 a-c schränken die Zeit für mündliche Äußerungen der Bürger_innen im öffentlichen Teil/ “Fragestunde“ der Ausschusssitzungen restriktiv auf zwei Minuten ein. Fraktionslose Abgeordete dürfen erst als Letzte der Bürger_in antworten, nachdem alle Fraktionen durch max. ein Fraktionsmitglied geantwortet haben.
Pressemitteilung Frauke Häger (fraktionslos)