Dioxinfund in Boberg

Beim Dioxinfund in der Boberger Niederung deuten erste Hinweise auf chemische Abfallprodukte aus der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln. Umweltbehörde und Polizei ermitteln. Neben der Suche nach der Quelle laufen seit dem 25. Oktober 2018 die Erkundungen auf der Fläche, um das Ausmaß der Altlast abzuschätzen. Ergebnisse soll es im Januar geben. Anwohnerinnen und Anwohner sind zu einer Infoveranstaltung am 13. November 2018 eingeladen.

 

Jens Kerstan, Umweltsenator, erklärt dazu: „Den Dioxinfund in Boberg nehmen wir sehr ernst. Wir sind aktuell dabei, den Fundort genau zu untersuchen. Dabei geht es zunächst um die Abschätzung, wie groß das Ausmaß der Altlast ist. Egal wie groß die Fläche am Ende sein wird: Schon jetzt ist das ein schweres Umweltvergehen. Deshalb laufen die Ermittlungen durch uns und die Polizei nach dem Ursprung des Dioxins auf Hochtouren. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Verantwortung zu prüfen sein.“

Die Altlast wurde im Rahmen einer großflächigen Routineuntersuchung entdeckt, die ursprünglich möglichen Schwermetall-Belastungen galt. Bei der Auswertung der an der Böschung genommenen Proben waren untypische chlororganische Verbindungen aufgetaucht, welche auf Dioxin schließen ließen. Der Analysebericht der genommenen Mischprobe weist einen sehr stark erhöhten Dioxinwert von 700 Mikrogramm pro Kilogramm aus. Dieser Wert liegt weit oberhalb der gesetzlichen Schwelle von einem Mikrogramm, ab der auf Wohn- und Parkflächen vorsorgliche Maßnahmen zu treffen sind. Der Wert war Anlass für die Absperrung und Beprobung einer vier Hektar großen Fläche. Diese hat am 25. Oktober 2018 begonnen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Dioxin kann in unterschiedlichen Zusammensetzungen vorkommen und hat einen spezifischen chemischen Fingerabdruck. Die Zusammensetzung dieses Funds deutet darauf hin, dass es sich um ein Abfallprodukt aus der Pflanzenschutzmittelproduktion handelt. Nach bisherigem Kenntnisstand sind Dioxine dieser Zusammensetzung in Hamburg nur im Moorfleeter Werk der Firma Boehringer ange-fallen, das es dort bis in die 1980er Jahre gegeben hatte. Kontakt zu dem Unternehmen wurde bereits aufgenommen.

Das vier Hektar große Gebiet wurde in 18 Teilflächen gegliedert, die vom Rand her von dem Bodenerkundungsteam systematisch untersucht werden. Vorsorglich wurden in dem Gebiet auch Proben von Pilzen und Beeren sowie Fischen aus einem angrenzenden Angelteich aufgenommen. Dioxin ist kaum wasserlöslich und kann insbesondere über die Nahrungskette von Menschen aufgenommen werden. Mit einem Ergebnis der Untersuchungen wird im Januar gerechnet.

Bei der zu untersuchenden Fläche handelt es sich um einen Böschungsbereich beiderseits des Moor-weges im Naturschutzgebiet Boberger Niederung. Die Böschung ist in weiten Teilen mit Unterholz bewachsen und war bisher nicht als altlastverdächtig eingestuft. Hinweise auf Abfälle und mögliche Belastungen gab es bis jetzt keine. Ein Luftbild aus dem Jahr 1962 legt unter Berücksichtigung der jetzigen Funde die Vermutung nahe, dass dort damals – zusammen mit Boden- und Bauschutt – auch Industrieabfall illegal abgekippt wurde.

Weitere Informationen und FAQs finden sich unter www.hamburg.de/altlasten und werden dort laufend aktualisiert.

Eine Informationsveranstaltung zum Sachstand für die Anwohnerinnen und Anwohner findet am Dienstag, 13. November 2018, um 18.00 Uhr in der Stadtteilschule Mümmelmannsberg statt.

Fragen der Bevölkerung werden beantwortet unter: bodenschutz-altlasten(ät)bue.hamburg.de

Pressemitteilung der Behörde Umwelt und Energie


BUND Hamburg fordert schnelle Ursachenklärung der Dioxinfunde

Dioxinsignatur deutet auf Chemiekonzern Boehringer hin / Hohe Entsorgungskosten stehen im Raum
Der BUND Hamburg begrüßt die umfangreichen Untersuchungen der Umweltbehörde in Boberg, um die tatsächliche Belastungssituation mit Dioxinen zu ermitteln. Das Seveso-Gift war in einer Mischprobe, die in dem Gebiet im Rahmen einer Routineuntersuchung gezogen wurde, in erschreckend hoher Konzentration nachgewiesen worden. Ein Zusammenhang mit dem Chemieunternehmen Boehringer gilt als wahrscheinlich.
Es gibt Hinweise darauf, dass in den 1960er unweit des Boberger Sees belastetes Bodenmaterial und Bauschutt eingebracht wurde. Ob auch illegale Industrieabfälle in tieferen Erdschichten liegen, ist derzeit noch offen. Aufgrund der chemischen Signatur der Dioxinfunde liegt der Verdacht nahe, dass das belastete Material mit dem Chemiewerk Boehringer in Verbindung steht. Boehringer hatte am Standort Hamburg-Moorfleet u. a. das Pflanzenschutzmittel Lindan hergestellt und hochbelastete Dioxin-Abfälle auf der Deponie Georgswerder entsorgt. Dies führte 1984 zu einem der größten Giftskandale der Bundesrepublik.
„Wir haben derzeit den Eindruck, dass die Umweltbehörde die Sache ernst nimmt. Dioxin gehört zu den stärksten Umweltgiften, jede Belastungsquelle für Mensch und Natur muss umgehend beseitigt werden. Jetzt gilt es, die Ergebnisse der Bodenproben möglichst schnell auszuwerten, um Klarheit über die tatsächliche Belastungssituation zu bekommen. Wichtig ist eine umfassende Information der Bevölkerung und eine konsequente Absperrung, da das Gebiet von vielen Spaziergängern, Hundebesitzern und Anglern genutzt wurde“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.
Sollte sich die hohe Belastung aus der ersten Bodenmischprobe auf der gesamten Verdachtsfläche von 40.000 m2 bestätigen, käme ein gewaltiges Entsorgungsproblem auf die Stadt zu. Es müssten große Mengen an belastetem Boden in einer Sonderabfallverbrennungsanlage behandelt werden. „In jedem Fall muss der Verursacher dingfest gemacht werden. Es könnten schnell Entsorgungskosten von 50 – 100 Mio. Euro zusammen kommen“, fordert Manfred Braasch.

Pressemitteilung BUND HH

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