Aufhebung der Dieseldurchfahrtsbeschränkungen
Die Freie und Hansestadt Hamburg stellt derzeit die 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Hamburg auf. Mit dem jetzt vorliegenden zweiten Teil der 3. Fortschreibung erfüllt die Stadt ihre Verpflichtung einer gesamtstädtischen Betrachtung der Belastung durch Stickstoffdioxid (NO2).
Für das gesamte Hamburger Gebiet wird für das Jahr 2023 keine Überschreitung des NO2-Grenzwertes prognostiziert – mit Ausnahme eines Straßenabschnittes. Die im Jahr 2018 eingeführten Dieseldurchfahrtbeschränkungen an der Max-Brauer-Allee und an der Stresemannstraße sind zur Grenzwerteinhaltung nicht mehr erforderlich.
Die mit der 2. Fortschreibung des Luftreinhaltplans eingeführten Dieseldurchfahrtsbeschränkungen in der Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße werden aufgehoben. Gutachterlich wurde jeweils eine sichere und dauerhafte Grenzwerteinhaltung auch bei Aufhebung dieser Maßnahmen prognostiziert. Die im Jahr 2022 zur Sicherstellung der Grenzwerteinhaltung an der Habichtstraße eingeführte flexible Verkehrsdrosselung bleibt weiterhin bestehen. Ab 2024 werden baustellenbedingt Mehrverkehre an diesem Straßenabschnitt erwartet.
Nachdem Hamburg im ersten Teil der Fortschreibung der Verpflichtung aus Gerichtsurteilen nachgekommen ist, den Luftreinhalteplan in Bezug auf die Situation zur Stickstoffdioxid-Konzentration in der Habichtstraße sowie im Straßenkomplex Högerdamm, Spaldingstraße und Nordkanalstraße fortzuschreiben, wird mit dem jetzt gefassten Beschluss der öffentlichen Auslegung des Entwurfs des zweiten Teils der dritten Fortschreibung des Luftreinhalteplans ein wichtiger Meilenstein erreicht, der den vollständigen Abschluss des Luftreinhalteplans noch in diesem Jahr vorbereitet.
Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Die Luftqualität in Hamburg hat sich im Lauf der vergangenen Jahre dermaßen verbessert, dass in dieser Fortschreibung des Luftreinhalteplans erstmals keine neuen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ergriffen werden müssen. Mehr noch: Die seit Ende Mai 2018 bestehenden Dieseldurchfahrtbeschränkungen an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße können umgehend aufgehoben werden, weil die Einhaltung des geltenden Grenzwertes nun auch ohne diese Maßnahmen dauerhaft sichergestellt ist. Es ist und bleibt unser Ziel und unsere Verantwortung, die Bürger:innen vor schädlichen Abgasen zu schützen. Die Durchfahrtsbeschränkung für ältere Dieselfahrzeuge war keine leichte Entscheidung, aber sie hat den von uns gewünschten Effekt gebracht und ich freue mich, dass wir die Hinweisschilder nun zügig abmontieren können.“
Andy Grote, Innensenator: „Ich bin froh, dass die Polizei heute per straßenverkehrsbehördlicher Anordnung die Dieseldurchfahrtsbeschränkung aufgehoben hat und die entsprechenden Schilder abmontiert werden können. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass Beschränkungen zurückgenommen werden und wahrscheinlich hätte auch in diesem Fall nicht jeder damit gerechnet. Aber gerade bei Durchfahrtsbeschränkungen, die als letztes Mittel zur Erreichung der gesetzlichen Grenzwerte angewandt wurden, ist es wichtig und richtig, sie in dem Moment zurückzunehmen in dem sie nicht mehr erforderlich sind. Die Entwicklung der Luftqualität zeigt, dass wir in Sachen Luftreinhaltung in den vergangenen Jahren viel erreicht haben. Über die Aufhebung freut sich nicht zuletzt die Polizei, die für die Überwachung der Verstöße zuständig war und sich jetzt auf andere Aufgaben konzentrieren kann.“
Um die aktuelle Situation in Hamburg zu ermitteln, wurde die Stickstoffdioxid-Belastung stadtweit für das Jahr 2023 an ca. 500 km des Hauptstraßennetzes mit Wohnbebauung in 1,5 m Höhe vor den Häuserfassaden gutachterlich berechnet. Die Gesamtbelastung eines Schadstoffes im Nahbereich von Straßen setzt sich aus der flächenhaft vorhandenen Hintergrundbelastung und der lokalen straßenverkehrsbedingten Zusatzbelastung zusammen. Für die stadtweite Modellierung der NO2-Belastung wurde im 2. Teil der dritten Fortschreibung des Luftreinhalteplans zunächst die Hintergrundbelastung unter Berücksichtigung der Emissionen aus Industrie, Schiffs-, Schienen- und Flugverkehr flächendeckend für ganz Hamburg berechnet. Die lokale Zusatzbelastung infolge des Straßenverkehrs wurde unter Berücksichtigung der Emissionen des Straßenverkehrs und der Bebauung ermittelt.
Mit diesem Modellansatz konnte die FHH mit Ausnahme eines ca. 100 Meter langen Streckenabschnitts an der Klopstockstraße eine stadtweite Einhaltung des NO2-Grenzwertes von 40 µg/m³ (Mikrogramm pro Kubikmeter) für das Jahr 2023 gutachterlich nachweisen. Ab 2024 weist die gutachterliche Prognose auch für diesen Streckenabschnitt die Einhaltung des NO2-Grenzwerts aus. Von lokalen Maßnahmen zur Minderung der Luftbelastung wird abgesehen, da diese ihre volle Wirksamkeit erst 2024 entfaltet hätten, wenn der Grenzwert aber auch ohne sie eingehalten wird. Insgesamt wird in Hamburg langfristig eine leichte, aber stetige Minderung der Kfz-Verkehre auf den innerstädtischen Straßen erwartet. Der Senat verfolgt weiterhin das Ziel, bis 2030 den Anteil der Verkehre des Umweltverbundes auf 80 % zu steigern und den Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf 20 % zu senken. Der MIV soll möglichst auf lokal emissionsfreie Antriebe umgestellt werden.
Weiteres Vorgehen
Der Planentwurf mit dem zugehörigen Immissionsgutachten wird zur Einsichtnahme der Öffentlichkeit vom 21. September 2023 bis 19. Oktober 2023 in der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft ausgelegt sowie im Internet veröffentlicht. Bis 3. November 2023 können Stellungnahmen schriftlich eingereicht werden. Die Planaufstellung zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Hamburg (Teil 2) soll bis Ende 2023 mit einem zweiten Senatsbeschluss abgeschlossen sein.
Nähere Informationen zum Luftreinhalteplan und zum Immissionsgutachten unter: www.hamburg.de/luftreinhaltung.
Pressemitteilung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft
NABU-Kommentierung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans
Siegert: „Gesundheit der Bevölkerung steht auf dem Spiel“
Umweltsenator Jens Kerstan hat heute den zweiten Teil der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgestellt. Außerdem wurden die Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge an zwei Straßen aufgehoben. Diese vermeintlich positive Botschaft erscheint in einem ganz anderen Licht, wenn man die aktuelle Diskussion um strengere Stickoxid-Grenzwerte verfolgt. Der NABU Hamburg kritisiert, dass der Senat zu wenig unternimmt, um für sauberere Luft in Hamburg zu sorgen.
Dazu Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg:
„Kosmetische Maßnahmen in homöopathischen Dosen wie die Durchfahrtsbeschränkung für einen einzigen Straßenzug machen Hamburgs Luft nicht sauberer, lenken aber medial wirksam vom Problem ab. Dabei steht die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger auf dem Spiel. Mit fast 15 Jahren Verspätung hält man jetzt in Hamburg jetzt mit Ach und Krach rechtlich verbindliche europäische Grenzwerte ein und feiert sich auch noch dafür. Das ist doch wohl ein schlechter Scherz! Der Hamburger Senat ignoriert zudem, dass die neuen, wissenschaftlich fundierten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO mit Blick auf den Gesundheitsschutz schon deutlich weitreichender sind. Eine Halbierung des Stickoxid-Grenzwertes von aktuell 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft würde die Freie und Hansestadt Hamburg vor massive Herausforderungen stellen. Bitter genug ist, dass ausgerechnet deutsche Interessenvertreter*innen in Brüssel aktuell schon wieder dafür lobbyieren, die Grenzwerte nicht zu streng zu gestalten. Wieder einmal droht, dass wirtschaftliche Interessen wichtiger sind, als die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.
Der Senat ist gut beraten zu akzeptieren, dass sowohl in der Luftreinhaltung als auch im Klimaschutz kein Weg an der Reduzierung des Autoverkehrs vorbeigeht. Wenn die Stadt angesichts lascher internationaler Regulierung wasserseitig bei großen Container- oder Kreuzfahrtschiffen hinsichtlich gewaltiger Mengen an ungefiltertem Feinstaub oder Stickoxiden keinen Zugriff hat, müssen erst recht Maßnahmen wie Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, flächendeckende Parkraumbewirtschaftung oder Einfahrtsbeschränkungen auf der Straße umgesetzt werden. Wenn am Ende wieder Gerichte die Einhaltung von europäischem Recht erzwingen müssen, wäre das ein Armutszeugnis für die umwelt- und klimapolitischen Ambitionen des Senats.
Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuell umso dringender gebotenen Einsparung fossiler Treibstoffe muss die Transformation zu sauberen Antrieben und die Mobilitätswende hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern deutlich beschleunigt werden. Die Luftreinhaltung gerät im Zuge der Konzentration auf den Klimaschutz zuweilen etwas in Hintertreffen – die meisten Maßnahmen helfen aber zur Lösung beider Probleme.“
Hintergrund:
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2021 nach mehr als 15 Jahren neue Leitlinien zur Luftqualität veröffentlicht. Sie enthalten Empfehlungen für neue Richtwerte bei verschiedenen Schadstoffen. Vor allem die Belastungen mit Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) müssten demnach deutlich gesenkt werden.
Der nun von der WHO empfohlene Wert für Stickstoffdioxid liegt bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In den alten Leitlinien von 2005 waren es noch 40 Mikrogramm. So hoch ist bislang auch der rechtlich bindende Grenzwert, den die EU vorschreibt. Dieser Grenzwert befindet sich aber bereits in Revision, da auf europäischer Ebene bereits Einigkeit herrscht, dass die bestehenden Grenzwerte nicht mehr mit dem übereinstimmen, was wissenschaftlich empfohlen wird.
Pressemitteilung NABU Hamburg
BUND – Kommentar zum Luftreinhalteplan:
Frühzeitiges Handeln notwendig: neue Grenzwerte erfordern frühzeitiges Gegensteuern
In der heute vorgestellten Fortschreibung des Hamburger Luftreinhalteplans bejubelt der Senat, dass die Grenzwerte zur Luftreinhaltung endlich eingehalten werden. Grund für den Senat, das Dieselfahrverbot an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße ab sofort aufzuheben und symbolträchtig die entsprechende Beschilderung abzubauen. Der BUND bewertet dies als viel zu kurzsichtig gedacht und fordert einen vorausschauenden Umgang mit den ab 2030 geltenden Grenzwerten für Luftschadstoffe.
„Zwar werden die Grenzwerte aktuell eingehalten. Dennoch ist es ein falsches Signal, die Durchfahrverbote jetzt aufzuheben. Denn schon jetzt ist klar, dass die EU-Kommission ab 2030 plant, die Grenzwerte deutlich zu verschärfen“, sagt Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg. So liegt der vorgeschlagene Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) künftig bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft statt wie bisher bei 40. Für Feinstaub gelten dann 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft statt bisher 25. Die entsprechende Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht aus gesundheitlicher Notwendigkeit sogar noch schärfere Grenzwerte vor.
Dazu Sommer: „Um die neuen Grenzwerte einhalten zu können, muss Hamburg rechtzeitig massiv gegensteuern. Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass der Senat bereits jetzt beginnt, wirksame Maßnahmen für eine saubere Atemluft in Hamburg zu entwickeln. Luftverschmutzung trägt wesentlich zur Entstehung chronischer Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, oder Diabetes bei. Unserem Bürgermeister Tschentscher, der gelernter Mediziner ist, müsste die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger doch in besonderem Maße am Herzen liegen.“ Der BUND setzt sich seit Jahren und bereits in mehreren Gerichtsverfahren dafür ein, dass die Stadt Hamburg die europaweit geltenden Grenzwerte für Luftschadstoffe einhält.
Pressemitteilung BUND Hamburg