ADFC fordert: Druck auf Politik erhöhen!
Ein gemeinsamer, 18-seitiger Antrag der rot-grünen Regierungsfraktionen, der im Mai 2020 in der Bürgerschaft beschlossen werden soll, ist das Ergebnis der Verhandlungen des Senats mit der Volksinitiative Radentscheid Hamburg, die seit November 2019 unter schwierigen Vorzeichen im Wahlkampf und in der Corona-Krise über die Bühne gingen.
Die Initiative war angetreten, um das Radfahren in Hamburg für alle Menschen sicherer und attraktiver zu machen, u.a. durch »breite und geschützte Radwege an allen Hauptstraßen«.
“Wir danken dem Radentscheid für seine tolle Initiative und seinen starken Einsatz für bessere Radverkehrsbedingungen in Hamburg«, sagt Wiebke Hansen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). “Jetzt gilt es, gemeinsam den Druck auf die Politik zu erhöhen, damit Rot-Grün in den Koalitionsverhandllungen die jetzt getroffene Einigung mit Leben und vor allem mit messbare, konkreten Zahlen, Daten und Programmen füllt – so wie wir es im Wahlkampf gefordert haben.« Politische Vereinbarungen müssen, sollen sie Sinn machen, S.M.A.R.T. sein: Spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert.
Die Volksinitiative selbst wertet die jetzige Einigung als “Einstieg in die Verkehrswende, die hoffentlich für das nötige Momentum sorgt.«. Deutlich enttäuscht zeigt sich die Initiative allerdings darüber, dass sich SPD und Grüne weigerten, die geforderten “Zusagen über Finanzmittel, zu bauende Streckenlängen und zeitlich definierte Ziele« zu machen.
Tatsächlich bleibt der Antrag von SPD und Grünen in vielen entscheidenden Punkten vage, nennt keine konkreten Zahlen, Termine, Maßnahmen oder Summen, bis wann und wie die angekündigten Verbesserungen für den Radverkehr umgesetzt werden sollen. So werden zwar die Notwendigkeit besserer, sicherer Schulradwege und die Beteiligung der Schulbehörde bei der Planung hervorgehoben, es fehlen aber Aussagen darüber, wie und mit welchen Maßnahmen dieses wichtige Ziel wann erreicht werden kann. Große Teile des Antrags sind gut gemeinte, im Kern auch richtige, aber unverbindliche Absichtserklärungen und Versprechen, längst geltende technische Radverkehrstandards auch in Hamburg umzusetzen. Selbst der rot-grüne Koalitionsvertrag von 2015 machte konkretere Vorgaben für den Ausbau des Radverkehrs – die der letzte Senat prompt verfehlte.
Der ADFC fordert den neuen Senat auf, dem Fahrrad zusammen mit dem Umweltverbund Priorität in der Hamburger Verkehrspolitik zu geben – sowohl was die Investitionen betrifft als auch bei den Planungen zur Neuverteilung des Straßenraums. Hansen: “Als ersten Schritt in Richtung klimafreundliche Verkehrswende, aber auch als dringende Sofortmaßnahme, sollte der Senat auf mehrspurigen Straßen jeweils eine Fahrspur je Richtung für den Radverkehr durch zunächst provisorische Absperrungen frei geben.« Mit solchen Pop-up-Bikelanes, wie sie andere Großstädte längst eingerichtet haben, erhielten Radfahrer*innen und Fußgänger*innen den Platz, um die wegen der Corona-Pandemie notwendigen Abstandsregelungen einhalten und sicher unterwegs sein zu können. »Ob An der Alster, in der Stresemannstraße oder der Kieler Straße: Fast überall haben Rad- und Fußverkehr viel zu wenig Platz«. Hier müsse der Senat rasch handeln.
Pressemitteilung ADFC HH
Einigung mit Volksinitiative: Fahrradstadt mit mehr Power
Die Hansestadt hat in den letzten Jahren sehr große Fortschritte auf dem Weg zur Fahrradstadt gemacht. Im Rahmen der Einigung mit der Volksinitiative Radentscheid Hamburg haben die Fraktionen von SPD und Grünen nun ein umfassendes Maßnahmenpaket vereinbart, das weitere ambitionierte Schritte für den Radverkehr vorsieht und deutliche Akzente in Richtung Verkehrssicherheit und inklusiven Radverkehr setzt.
Dazu Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion: “Mit der jetzt erzielten Einigung schaffen wir verlässliche und äußerst gute Perspektiven für eine langfristig erfolgreiche Radverkehrspolitik. Sie baut auf den Erfolgen der letzten Jahre auf, verbreitert noch einmal den Fokus und stärkt durch weitere Maßnahmen auch die subjektive und objektive Sicherheit sowie insgesamt die Attraktivität des Radverkehrs – und zwar für alle Hamburgerinnen und Hamburger. In den letzten Jahren haben wir bereits 177 Kilometer Radverkehrsanlagen ausgebaut, mit 130 von insgesamt 280 Kilometern fast die Hälfte der für Hamburg geplanten Velorouten fertiggestellt, Bike und Ride sowie das StadtRad-Netz deutlich ausgebaut. Deshalb waren wir uns mit der Volksinitiative von Anfang an einig: Hamburg hat gute Voraussetzungen, um noch mehr Menschen zum Radfahren zu motivieren und den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen deutlich zu steigern. Dieses Ziel hat Rot-Grün zuletzt auch im Klimaplan für Hamburg ausgegeben. Um die Radverkehrsinfrastruktur weiter zu verbessern, wollen wir den Ausbau auf eine breitere Datenbasis stellen und eine eigene Mobilitätsbefragung für Hamburg ermöglichen. Wir wollen den Radverkehr inklusiv gestalten und die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie Seniorinnen und Senioren weiter in den Fokus rücken. Nur wenn wir es schaffen, dass Fahrradfahren in der Stadt für alle Radbegeisterten attraktiv ist, können wir die Mobilität von Morgen neu prägen. In diesem Bewusstsein wollen wir das Hamburger Radverkehrsnetz weiter verdichten.”
Dazu Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion: “Wir haben lange und intensiv mit der Volksinitiative Radentscheid Hamburg verhandelt. Dabei ist es uns gelungen, ein umfangreiches Paket zu schnüren, das die Fahrradstadt Hamburg deutlich stärken wird. Die Eckpunkte dabei sind: Mehr Sicherheit, mehr Inklusion, mehr Power. Wir wollen als Stadt noch stärker als bisher dafür sorgen, dass alle Radelnden in unserer Stadt optimale Bedingungen vorfinden und der Umstieg auf’s Rad noch leichter fällt. Dabei sollen Kinder im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Deshalb werden wir parallel zur Fertigstellung des Veloroutennetzes in die Planung eines bezirklichen Radwegenetzes einsteigen, das sichere Wege zwischen Schulen und Wohnquartieren priorisiert und wir wollen die Schulbehörde in das Bündnis für den Radverkehr aufnehmen. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei mithelfen, lokale Handlungsschwerpunkte zu identifizieren. Die Radwege an Hauptverkehrsstraßen werden wir zunächst analog zur Kopenhagener Lösung vermehrt baulich getrennt und höhenversetzt zur Fahrbahn führen und dabei passgenaue Lösungen für Hamburg entwickeln. Zudem wollen wir das Fahrradparken in den innerstädtischen Wohnquartieren verbessern und dafür auch öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Gleichzeitig soll der Radverkehr für die Pendlerinnen und Pendler attraktiver gestaltet werden. Deswegen wollen wir in einem neu abzuschließenden Bündnis für den Radverkehr auch den Ausbau der Radschnellwege aus dem Hamburger Umland fest verankern und mit der Umsetzung beginnen. Ziel ist es, einen hohen Ausbaustandard möglichst weit in die Stadt hinein zu verfolgen und insbesondere die Veloroute 13, die den innerstädtischen Ring bilden soll, mit einem sehr hohen Standard umzusetzen. Besonders freut es mich, dass wir auch den vermeintlich kleinen Punkt ,Fahrradparken’, deutlich weiter entwickeln konnten. Dies gilt sowohl für die Wohn- als auch für die Zielorte. Fahrradparken ist ein zentraler Baustein bei der Verstärkung von Hamburgs Radverkehr. Wir haben in puncto Radverkehr viel erreicht, aber es liegt auch noch ein gutes Stück Weg vor uns. Mit diesem Antrag ist es jetzt gelungen, die Umrisse der Fahrradstadt neu zu definieren und ihren Horizont deutlich zu erweitern. Dabei geht es nicht nur um mehr Kraft bei der Umsetzung, sondern auch darum, deutlichere Akzente für Inklusion und Sicherheit zu setzen. Akzente, von denen wir alle profitieren.”
Dazu Lars Pochnicht, Radverkehrsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion: “Am Verhandlungstisch haben alle Beteiligten gewonnen: Die Initiatoren der Volksinitiative konnten wichtige zusätzliche Akzente setzen und Rot-Grün wird auch in Zukunft seine erfolgreiche Radverkehrspolitik fortführen können. Radfahren soll in Zukunft noch bequemer, intuitiver und sicherer werden. Dazu werden wir die Radverkehrsinfrastruktur durch ein bezirkliches Schulradwegenetz, mehr Fahrradstraßen, möglichst weit in die Stadt hineinreichende Radschnellwege und einem Fahrradparkkonzept für Wohnquartiere insgesamt weiterentwickeln. Daneben werden wir auch die Sicherheit für Radler erhöhen, indem wir unter anderem Kreuzungen radverkehrsfreundlicher gestalten und an Hauptverkehrs- sowie viel befahrenen Bezirksstraßen vermehrt auf eine getrennte und höhenversetzte Führung des Fuß-, Rad- und Autoverkehrs setzen.”
Hintergrund:
Die Initiatoren der Volksinitiative “Radentscheid Hamburg – Sicheres Radfahren für alle, überall in Hamburg” haben am 20. September 2019 beim Hamburger Senat Unterschriftenlisten mit einer von der Initiative mitgeteilten Gesamtzahl von 22.614 Unterschriften zur Unterstützung der Volksinitiative eingereicht. Nach intensiven Gesprächen konnte zwischen der Volksinitiative und den Fraktionen von SPD und Grünen ein Konsens erreicht werden, der in Form eines Bürgerschaftsantrags deutliche Akzente hin zu einer sicheren, inklusiven Radverkehrspolitik in der Hansestadt setzt. So soll bereits parallel zur Fertigstellung des 280 Kilometer langen Veloroutennetzes mit der Planung eines Bezirks- und Schulradwegenetzes begonnen werden, das besonders auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie von älteren Verkehrsteilnehmenden ausgerichtet ist. Außerdem sollen mehr Fahrradstraßen gebaut, die aus dem Umland auf Hamburg zulaufenden, breiten Radschnellwege möglichst weit bis ins Stadtzentrum geführt und Kreuzungen noch stärker unter dem Gesichtspunkt der Inklusion gestaltet werden. An Hauptverkehrsstraßen sollen Radwege vermehrt baulich getrennt vom Gehweg und von der Fahrbahn geführt und Konflikte mit dem ruhenden Verkehr stärker minimiert werden. Ein zentraler Punkt ist zudem die deutliche Verbesserung des Fahrradparkens in den Wohnquartieren und der Ausbau von Bike & Ride im öffentlichen Verkehrsnetz. Zu den weiteren Vereinbarungen zählen eine verbesserte Führung von Radwegen bei Baustellen und eine Stärkung der überbehördlichen Zusammenarbeit.
Pressemitteilung der SPD und der GRÜNEN Fraktion in der Bürgerschaft