Empfehlungen ernst nehmen und umsetzen

Expertenkommission fordert Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik
Die EU-Kommissionspräsidentin stellt heute die Ergebnisse des sogenannten Strategiedialogs Landwirtschaft vor. In dem Dialog hatten sich verschiedene Interessensgruppen, etwa Landwirt:innenverbände, Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen und Genossenschaften unter dem Vorsitz des deutschen Wissenschaftlers Peter Strohschneider über die Zukunft der Agrarpolitik in der EU ausgetauscht.

Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der Europa-SPD:

„Der agrarpolitische Dialog ist wichtig, wie eh und je. Schade, dass dieser bei den zuletzt im April durchgedrückten ‚Vereinfachungsvorschlägen‘, die zum Schaden der Natur und des Klimas gingen, nicht geführt worden ist. Offen bleibt, ob diese Dialogbereitschaft in Zukunft erhalten bleibt oder ob jetzt ein Alibi-Papier vorliegt, auf dem sich die Kommissionspräsidentin ausruht. Denn die Realität ist, dass einige der nun vorgestellten Empfehlungen bisher von der Kommission und der konservativen EVP von Ursula von der Leyen im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments immer wieder abgelehnt wurden.

Dieses Dialogpapier muss zuallererst der EVP-Vorsitzende und CSU-Mann auf sein Nachtkästchen legen. Die progressive Seite des Parlaments war und ist für Dialoge offen, die rechte Seite jedoch verspricht den Landwirt:innen, sie vor vermeintlicher Brüsseler Bürokratie zu ‚schützen‘ und wirft dabei eine nachhaltige Zukunftsperspektive für Landwirt:innen und Umwelt über Bord.

Die Umgestaltung der Direktzahlungen, der sogenannten Flächenzahlungen, wird zum Beispiel seit Langem von uns Sozialdemokrat:innen gefordert. Wenn eine punktgenauere Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen zukünftig an die Stelle der Flächenzahlungen treten soll, hat die Kommissionspräsidentin uns an ihrer Seite. Bisher war das aber mit der EVP im Europäischen Parlament nicht zu machen.

Die Expertenkommission unterstreicht endlich auch die Notwendigkeit zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Die aktuellen Bemühungen um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft seien unzureichend. Diese Erkenntnis kommt zu spät für die gestrichenen Umweltanforderungen zur Auszahlung von Direktzahlungen vom April dieses Jahres, aber rechtzeitig, um jetzt ein Umsteuern in Richtung ‘Gemeinsam statt gegeneinander’ einzuläuten. Wenn die Kommissionspräsidentin die Empfehlungen der Kommission ernst nehmen möchte, muss die EVP endlich konstruktiver, statt populistisch mit der Gemeinsamen Agrarpolitik umgehen.“

Hintergrund

Im Bericht wird ein umfassender Rahmen für die Zukunft der Landwirtschaft in der Europäischen Union skizziert, der den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Verantwortung legt. In Europa teilt sich die Gruppe der Menschen in der Landwirtschaft auf circa 50 Prozent selbständige Landwirt:innen und 50 Prozent abhängig Beschäftigte. Positiv ist daher zu sehen, dass die tausenden angestellten Mitarbeiter:innen durch die Europäische Föderation der Gewerkschaften des Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Tourismussektors repräsentiert worden sind.

Pressemitteilung SPD im EU-Parlament


Zukunftsprogramm Pflanzenschutz:
Grabenkämpfe überwinden, Landwirtschaft stärken
Krüger: Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen / Papier kann zu einem echten Aufbauprogramm werden

Heute hat das Bundeslandwirtschaftsministerium das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz veröffentlicht. Darin soll der Weg zu einer nachhaltigeren Verwendung von Pflanzenschutzmitteln aufgezeigt werden. Der Erstentwurf wurde nach einer Kommentierung unterschiedlicher Interessenverbände nun fertiggestellt. Dazu kommentiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:

„Das zu viel an Pestiziden belastet Kleingewässer und die Bodengesundheit. Sie führen zum Rückgang bei Bestäubern und vielen anderen Insekten und können Parkinson bei Landwirt*innen auslösen. Es liegt im Interesse aller, eine sozial- wie naturverträglichere Lösung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu finden. Das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz bietet eine erste Arbeitsgrundlage. Damit das Programm zu einem echten Zukunftsmodell werden kann, braucht es mehr Verbindlichkeit. Vor allem aber gilt es jetzt, die alten Grabenkämpfe und die Polemik der vergangenen Wochen zu überwinden. Wenn es gelingt, Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen, kann das Papier zu einem echten Aufbauprogramm der landwirtschaftlichen Produktivität und unserer natürlichen Lebensgrundlage werden. Wir stehen zum Dialog bereit.“

Pressemitteilung NABU


Zukunftsprogramm Pflanzenschutz weiter verwässert

Zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz, das heute von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) präsentiert wurde, kommentiert Patrick Rohde, Interimsgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

“Mit diesem Zukunftsprogramm Pflanzenschutz wird die Bundesregierung die eigenen Pestizidreduktionsziele von 50 Prozent bis 2030 nicht erreichen. Agrarlobby und Chemieindustrie verhindern mit ihren Profitinteressen Ambitionen, konkrete Maßnahmen und messbare Ziele. Damit wird die schwammige Diskussionsgrundlage noch mehr aufgeweicht und das Artensterben in der Agrarlandschaft ungehindert fortschreiten. Pestizidrückstände im Wasser, in Böden und in Lebensmitteln werden Realität bleiben.

Auch der angestrebte Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide in Trinkwasserschutzgebieten fehlt jetzt vollständig. Dabei sind 80 Prozent unserer Kleingewässer aufgrund der Pestizidbelastung in einem schlechten Zustand und Grundwasser ist zu stark mit Pestizidrückstände verunreinigt. Die Chemieindustrie setzt unser kostbares Grundwasser aufs Spiel.

Der BUND fordert Maßnahmen zur konsequenten Anwendung des integrierten Pflanzenschutzes und zum Schutz von Schutzgebieten vor Pestizideintrag. Ein Verbot von chemisch-synthetischen Pestiziden in Haus- und Kleingärten ist überfällig.“

Hintergrund:

Die im März vorgestellte „Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des BMEL“ soll in einem breiten Beteiligungsprozess bearbeitet werden. Die Frist zur Stellungnahme endete am 3. Mai 2024. Der BUND hat eine Stellungnahme abgegeben und gemeinsam mit zahlreichen Umwelt- und Agrarverbänden am 6. Mai einen offenen Brief an Landwirtschaftsminister Özdemir geschickt, in dem konkrete Maßnahmen und Verantwortungsübernahme gefordert werden.

Pressemitteilung BUND


Deutsche Umwelthilfe zum Zukunftsbericht der EU-Landwirtschaft: „Klimaschädliche und pauschale Subventionen für Fleisch- und Milchindustrie stoppen“

Die EU-Kommission hat heute die Ergebnisse des „Strategischen Dialogs Zukunft der EU-Landwirtschaft“ vorgestellt. Der Bericht soll laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einfließen in die geplante EU-Strategie für die Landwirtschaft und den Lebensmittelsektor, die innerhalb der ersten 100 Amtstage der neuen EU-Kommission vorgelegt werden soll. Kernfrage aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist, ob die EU-Kommission die direkten und indirekten Subventionen für klimaschädliche exportorientierte Fleisch- und Milchkonzerne endlich stoppt und die bisher pauschalen Subventionen ab 2028 ersetzt durch gezielte Prämien für Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft.

Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH:

„Die EU-Kommission hat verstanden, dass die aktuell überwiegend pauschal gezahlten EU-Agrarsubventionen aus der Zeit gefallen sind. Vor allem Fleisch- und Milchindustrie profitieren, während agrarökologisch intakte Bauernhöfe oft keine kostendeckenden Preise erhalten. Das soll zum Glück künftig geändert werden. Zudem will Brüssel nachhaltigere Agrar- und Ernährungssysteme schaffen und Landwirte gegenüber Industrie und Supermärkten stärken. Das ist längst überfällig angesichts der Tatsache, dass rechnerisch rund 45 Milliarden der jährlichen 55 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen direkt oder indirekt zugunsten von Fleisch- und Milchkonzernen fließen. Die Exportfixierung der europäischen Fleisch- und Milchindustrie ist unvereinbar mit Klima-, Wasserschutz und fairen Erzeugerpreisen. Statt globaler Wettbewerbsfähigkeit muss die EU-Kommission die im Bericht adressierten, dringend notwendigen Klima- und Bodenschutzmaßnahmen zur Priorität der Förderpolitik erklären und einen gerechten, zukunftsfähigen Umgang mit Wasser sicherstellen. Dazu muss die Kommission noch deutlich mutiger werden und klimaschädliche Subventionen konsequent streichen.“

Pressemitteilung DUH


EU-Dialog zur Landwirtschaft: Die Zeit für Veränderung ist jetzt!
Krüger: Echte Veränderung braucht entschiedenes politisches Handeln
Nach sieben Monaten intensiver Verhandlungen hat der Strategische Dialog heute seinen Abschlussbericht an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überreicht. Darin zeichnen die knapp 30 Interessengruppen, darunter Umwelt-, Landwirtschafts-, Ernährungswirtschaft- und Industrieverbänden ein Zielbild für eine nachhaltigere Landwirtschaft in der EU. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kommentiert:

“Der heutige Tag könnte einen Neubeginn hin zu einem nachhaltigeren, widerstandsfähigeren und gerechteren Agrarsystem in der Europäischen Union markieren. Alle Vertreter*innen sind sich einig: Die Zeit für einen echten Wandel ist jetzt. Die bisherigen agrarpolitischen Instrumente sind an ihre Grenzen gestoßen und müssen grundlegend reformiert werden, um die Landwirtschaft in Europa natur- und klimaverträglich und damit zukunftsfähig zu machen. Auch für die Agrarpolitik in Deutschland sendet dieser Konsens ein klares Signal. Doch die Transformation der Landwirtschaft ist kein Selbstläufer, wie der noch nicht umgesetzte Abschlussbericht der deutschen Zukunftskommission Landwirtschaft deutlich zeigt. Die Lehre daraus ist: Echte Veränderung braucht entschiedenes politisches Handeln, damit es nicht bei den von den Stakeholdern erarbeiteten Empfehlungen bleibt.”

Hintergrund
Der Strategische Dialog wurde von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im September 2023 als Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit in der Landwirtschaft und die problematischen Umweltauswirkungen der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft – der größten Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt in der EU – initiiert. Die Präsidentin hat bereits zugesagt, die Empfehlungen des Strategischen Dialogs in den Arbeitsplan der Kommission aufzunehmen, der innerhalb der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit vorgelegt werden soll.

Pressemitteilung NABU

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