BUND-Kommentar zu Streckbetrieb 40 Jahre nach Brokdorf-Protesten
Angesichts der Pläne Robert Habecks und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, zwei deutsche Atomkraftwerke bis zum Frühjahr 2023 weiterlaufen zu lassen, wird die Problematik der Kernenergie augenscheinlich.
Dazu Martin Mosel, stv. Vorsitzender des BUND Hamburg:
„Die französischen Atommeiler sind marode und größtenteils arbeitsunfähig. Trotzdem will Deutschland nun selbst wieder auf eine atombasierte Stromversorgung zurückgreifen. Das ist absurd.
Der BUND Hamburg widerspricht deshalb vehement den Forderungen im Hamburger Senat, insbesondere zuletzt von Finanzsenator Dressel, nach einer Laufzeitverlängerung der sicherheitsgefährdenden fossilen Atomenergie. Im stillgelegten Hamburger Atomkraftwerk Brokdorf lagern bis heute 233 Brennstäbe, die nicht auf regulärem Weg entsorgt werden können, 170 davon sind defekt. Erst im Juli dieses Jahres ereignete sich ein Unfall durch Absturz eines Brennelements in dem mit Wasser gefüllten Lagerbecken. Auf diese Technologie zu setzen, ist schlichtweg eine Kamikaze-Politik, welche jetzt durch die Mangelsituation im auf Atomenergie angewiesenen Frankreich eindrucksvoll deutlich wird.
Gerade einmal ein Prozent des gesamtdeutschen Energiemixes wird derzeit aus Atomkraft gewonnen. Dass sich in Hamburg die Industrie und der Senat überhaupt damit beschäftigen, ist Ausdruck einer fehlgeleiteten Politik. 40 Jahre nachdem aus den Protesten gegen den Bau des Atomkraftwerks Brokdorf heraus sich ein bis heute immer stärker werdendes zivilgesellschaftliches Umweltbewusstsein aufbaute, ist es Zeit für einen vorwärts gerichteten konsequenten Umstieg auf Erneuerbare Energien ohne neue fossile Lock-ins. Senator Dressel, der sich im März medienwirksam für die vorgebliche CO2-Neutralität des Hamburger Flughafens feiern ließ, hätte dank Hamburgs Rolle als Mehrheitseigner des Flughafens einen deutlich wirksameren Hebel gegen Gas- & Energieknappheit als die ewige Forderung nach einem Wiedereinstieg in die Atomkraft: Er könnte den Einfluss der Stadt nutzen, um Urlaubs- und andere Flüge unattraktiv zu machen und Kurzstreckenflüge zu unterbinden.“
Pressemitteilung BUND Hamburg
„Energiepolitischer Unsinn“
Greenpeace-Kommentar zur Einsatzreserve von Atomkraftwerken
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat heute verkündet, die Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 und Isar 2 nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31. Dezember in eine Einsatzreserve zu überführen. Bei Bedarf sollen die AKW demnach längstens bis zum 15. April 2023 weiter am Netz bleiben.
Es kommentiert Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace.
„Es ist und bleibt energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 auszuhebeln. Die heute veröffentlichten Eckpunkte zum Reservebetrieb zeigen einmal mehr, was für einen winzigen Beitrag zur Netzsicherheit die beiden Atomkraftwerke beim Weiterbetrieb noch leisten können. Die Strommangellage in Frankreich durch Abschaltung zahlreicher AKWs zeigt, wie unzuverlässig Atomenergie ist. Daneben besteht das Risiko katastrophaler Atomunfälle. Für die wenigen Stunden, in denen die Netzstabilität im kommenden Winter möglicherweise unsicher werden könnte, wäre stundenweises gezieltes und vereinbartes Abschalten von großen industriellen Verbrauchern und intelligentes Lastmanagement viel zielführender.“
Pressemitteilung Greenpeace
Deutsche Umwelthilfe warnt vor riskanter Vorentscheidung, zwei deutsche AKW länger laufen zu lassen
Zur heutigen (27.9.) Vorstellung von Eckpunkten für einen möglichen Reservebetrieb der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH):
„Die Bundesregierung tut seit Monaten und bis heute viel zu wenig, um Energie in allen Bereichen einzusparen – ist jetzt aber bereit, den in Jahrzehnten erreichten Atomausstieg schnell aufzukündigen. Wir warnen vor jeglicher Vorentscheidung der Bundesregierung, die beiden Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim als Einsatzreserve zu nutzen und über das Jahresende hinaus zu betreiben. Stattdessen müssen alle möglichen Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum Lastenmanagement in der Industrie und zum verstärkten Einsatz von Wind- und Bioenergiereserven genutzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist außerdem überhaupt nicht abzusehen, ob für den bevorstehenden Winter Engpässe im europäischen Stromnetz auftreten werden. Die immensen Gefahren der Hochrisikotechnologie Atomkraft wurden gerade wieder durch die immer noch nicht behobene Sicherheitspanne im Atomkraftwerk Isar 2 bestätigt. Deswegen sollte aus Sicherheitsgründen am gesetzlich vorgesehenen Atomausstieg zum Ende des Jahres festgehalten werden.“
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe
Foto: AKW Brokdorf