… Natur und Klima – NABU: Knappere EU-Agrargelder gezielt für natur- und klimafreundliche Landwirtschaft einsetzen
Wie soll sich die Landwirtschaft in Europa bis 2040 weiterentwickeln? Mit dieser Frage beschäftigt sich EU-Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen in seiner heute veröffentlichten “Agrivision”. Demnach soll am System der pauschalen Flächenprämien festgehalten werden. Gleichzeitig steht die Agrarförderung neben vielen weiteren Finanzbedarfen im EU-Haushalt unter Druck. Dazu kommentiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
“Die Frage, wie die europäische Landwirtschaft bis 2040 zukunftsfähiger werden kann, ist auch eine Frage des Geldes. Inmitten globaler Krisen brauchen wir eine starke und widerstandfähige Landwirtschaft, die Europa mit gesunden Lebensmitteln versorgen kann und ihre natürlichen Ressourcen schützt, um unsere Interessen und Unabhängigkeit zu wahren. Weniger Mittel im EU-Agrarhaushalt stellen die Landwirtschaft künftig vor große Herausforderungen, bergen aber auch die Chance für einen echten Kurswechsel. Entscheidend wird es sein, die knapperen Mittel gezielt für eine natur- und klimafreundliche Landwirtschaft einzusetzen. Landwirt*innen brauchen hier Planungssicherheit und faire Anreize für den Schutz von Böden, Wasser und Artenvielfalt. Wer hingegen weiterhin auf Kosten von Natur und Klima wirtschaftet, darf dafür nicht auch noch öffentliche Gelder erhalten. Dies würde sonst auch den Landwirtschaftsstandort Europa insgesamt gefährden. Die EU muss jetzt konsequent und auf Wirksamkeit ausgerichtet in eine nachhaltige Landwirtschaft investieren, von der Landwirtschaft, Natur, Klima und kommende Generationen gleichermaßen profitieren.“
Neben der Honorierung von Landwirt*innen für öffentliche Leistungen spricht sich der NABU dafür aus, dass die knapperen Agrargelder gezielt für fruchtbare Böden, stabile Ökosysteme, Artenvielfalt und Resilienz gegenüber Extremwetterereignissen einzusetzen. Mindeststandards für Natur und Klima müssen hier klare Leitplanken bilden. Auch private Gelder in Form sogenannter “Nature Credits” können zur Lösung beitragen. Gleichzeit muss garantiert sein, dass bestehendes Umweltrecht konsequent umgesetzt wird – etwa die Nitratrichtlinie, die Wasserrahmenrichtlinie oder die Fauna-Flora-Habitat-Richtline. Auch das Nature Restoration Law bietet die einmalige Chance, Agrarökosysteme aufzuwerten und damit die landwirtschaftliche Produktion zu stärken.
Pressemitteilung NABU
Ohne Strategie und Mut
Kommission präsentiert Zukunftsvorschläge für die Landwirtschaft
Die EU-Kommission hat am heutigen Mittwoch, den 19. Februar 2025, ihre Vision für Landwirtschaft und Lebensmittel vorgestellt. Diese basiert auf den Ergebnissen des Strategischen Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft.
Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten:
„Die Vision des neuen Agrarkommissars und ehemaligen Umweltpolitikers Christophe Hansen scheitert wohl an seiner eigenen Parteienfamilie. Seine Bemühungen, einen strategischen Fahrplan für eine zukunftsfähige und gerechtere Landwirtschaft zu erarbeiten, bleiben nahezu fruchtlos. Anstatt dem Sektor langfristig Planungssicherheit zu geben und den Entwurf einer gerechteren Landwirtschaft mutig zu skizzieren, verkommt die ‚Vision‘ zu einer Programmvorschau in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Vereinfachung. Es gibt den Anschein, als sei das Papier von der EVP-Agrar-Lobby geschrieben worden. Für eine Vereinfachung gäbe es zwei Wege: Den Weg der demokratischen und pro-europäischen Mitte zur Entbürokratisierung – oder den Weg der Deregulierung, den die Konservativen und Rechtsextremen seit der Abstimmung über das Naturwiederherstellungsgesetz eingeschlagen sind.
In Sachen Pestizidreduktion und ökologische Landwirtschaft bleibt Hansen vage. Hier fordern wir strategische Ziele ein. Die einheitliche Definition von Standards im Pestizidhandel mit Drittstaaten – denn daduch würden unsere Landwirt:innen besser vor ungerechtem Wettbewerb geschützt – und das Ende der Ausfuhr von in Europa verbotenen Pestiziden, begrüßen wir.
Eine Antwort auf die drängendste Frage, nämlich wie das unfaire Subventionsmodell hin zu mehr Schutz für die Umwelt und einem besseren Lohn für Landwirt:innen reformiert werden kann, bleibt der Kommissar uns in großen Teilen schuldig. Dabei unterstreichen Expert:innen, dass es umfassendere Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Ökosystemen bräuchte. Offen bleibt auch, wie der Sektor die zentrale Frage der großen Steuergeldsummen in Zeiten knapper Kassen künftig legitimieren kann. Existierende Vorschläge für Einkommenserhöhungen bei mehr Umweltschutz werden von Hansen völlig ausgelassen.
Wir als Teil der S&D-Fraktion machen uns stark für eine Landwirtschaft, die Landwirtinnen und Landwirte stärkt und gerecht entlohnt. Der Kommissar hat uns an seiner Seite, wenn es darum geht, den Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen unter Produktionskosten zu bekämpfen. Entsprechende Vorschläge von uns Sozialdemokrat:innen sind jedoch im Agrarausschuss zuletzt an den Stimmen der konservativen Fraktion gescheitert.“
Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verbraucherschutz:
„Während der Verbraucherschutz in der ersten Von-der-Leyen-Kommission noch eine zentrale Säule der Strategie ‚Vom Hof auf den Tisch‘ war, fallen die Verbraucherinteressen in ihrer zweiten Amtszeit dem Rechtsruck zum Opfer. Mir fehlt ein Bekenntnis, dass wir als EU gegen Mogelpackungen in Form von ‚Shrinkflation‘ vorgehen müssen, und Verbraucher:innen transparenten Information über die gesundheitlichen Auswirkungen von Lebensmitteln verdienen. Ebenfalls problematisch ist der fehlende Schutz von Kindern vor übermäßigem Konsum von Zucker, Fett und Salz. Statt einer Politik, die den Menschen dient, wird der Lebensmittel- und Agrarlobby der rote Teppich ausgerollt.“
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament