EU-Klimaziel für 2030 – Ambitionslose Mogelpackung

Den neuen Vorschlag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ein neues EU-Klimaziel für 2030 kommentieren Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament und Tiemo Wölken, Mitglied im Umweltausschuss:

 

Delara Burkhardt MdEP: „Das vorgeschlagene neue EU-Klimaziel für 2030 ist eine Mogelpackung. Wie so oft bei der Von-der-Leyen-Kommission lohnt es sich, bei großen Ankündigungen ins Kleingedruckte zu schauen: Anders als bisher sollen in dem neuen EU-Klimaziel für 2030 auch negative Emissionen durch Landnutzung und Forstwirtschaft in die Berechnung der Zielvorgabe miteinbezogen werden. Gemeint ist das Entziehen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, etwa durch Wälder. Das geht aus geleakten Kommissions-Dokumenten hervor. Diese Emissionen machen drei bis fünf Prozent aus. Durch andere Maßnahmen ist also nur eine Reduzierung von ungefähr 50 bis 52 Prozent vorgesehen. Dabei geht die Europäische Kommission selbst davon aus, dass schon mit der bestehenden EU-Klima- und Energiegesetzgebung eine Reduzierung der Treibhausgase bis 2030 von 45 Prozent erreicht wird. Was auf dem Papier wie ein Schritt in die richtige Richtung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Ministeigerung des Klimaziels um gerade einmal fünf bis sieben Prozentpunkte.“

„Auch wenn es sehr begrüßenswert ist, dass natürliche Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise, wie der Schutz von Wäldern, eine größere Rolle spielen sollen, ist der Vorschlag eines Nettoziels von nur 55 Prozent sehr enttäuschend. Im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments haben wir erst letzte Woche ein Ziel von 60 Prozent gefordert – ohne Einbeziehung des Landnutzungs- und Forstwirtschaftssektors.“

„Auch bei der zu Grunde liegenden Machbarkeitsstudie für eine Erhöhung des Klimaziels muss genauer hingeschaut werden, denn die Kommission hat diese auf der Basis eines Klimaziels von 50 bis 55 Prozent durchgeführt. Die EU-Kommission verpasst also leider die Chance, sich an wissenschaftlichen Studien zu orientieren, die bestätigen, dass auch ein EU-Klimaziel für 2030 jenseits der 55 Prozent umsetzbar ist.“

Tiemo Wölken MdEP: „Die Klimakrise erfordert sofortiges Handeln, daher müssen wir an allen Schrauben drehen. Ursula von der Leyen hat von der Machbarkeitsstudie gesprochen, bei der verschiedene Sektoren auf ihre CO2-Reduktion untersucht wurden. Wir wissen, wie wir schnell starke Einsparungen erreichen können, müssen dabei aber ehrgeiziger sein als von der EU-Kommission vorgeschlagen: Wir brauchen bis 2030 einen Anteil von mindestens 40 Prozent Erneuerbare Energien und müssen die Energieeffizienz massiv verbessern. Unter anderem braucht es dafür in ganz Europa eine massive Renovierung von Gebäuden.“

„Durch zielgerichtete öffentliche Investitionen müssen wir dabei den Wandel sozial gestalten. Mit Unterstützung der öffentlichen Hand können zum Beispiel auch neue Technologien in Stahlwerken dazu beitragen helfen, Prozentpunkte für das Klima einzusparen und gleichzeitig zukunftsfähige Arbeitsplätze in Europa zu sichern.“

„Schließlich muss das Europäische Emissionshandelssystem noch einmal modernisiert werden, damit es den aktuellen Herausforderungen genügt. Die kostenlose Vergabe von Emissionszertifikaten muss verringert werden. Erst am Dienstag hat der Europäische Rechnungshof deutlich gemacht, dass eine kostenlose Vergabe von 40 Prozent der Emissionszertifikate ineffizient ist. Treibhausgasintensive Sektoren gilt es konsequent einzubeziehen. Gerade der Flugverkehr muss endlich angemessen bepreist werden. Gleiches gilt für den Schiffsverkehr, der seine Emissionen bisher noch gar nicht bezahlen muss.“

Pressemitteilung SPD-Fraktion im EU-Parlament


Wir brauchen entschlossenes Handeln für Flüchtlinge, Klima und Rechtsstaatlichkeit

Die heutige (Mittwoch, 16. September) Plenardebatte mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Europäischen Union kommentiert Ska Keller, Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:

„Der gegenwärtige Zustand der Europäischen Union wird durch das eigene Versagen bestimmt, durch die Tatsache, dass EU-Regierungen Kinder auf der Straße schlafen lassen, sich weigern, Menschen in Not Wasser zu geben, die Polizei gegen Menschen vorgehen lassen, die vor Gewalt fliehen, und wissentlich Menschen im Meer ertrinken lassen. Wir fordern die EU-Kommissionspräsidentin auf, den Kampf mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen, die Hilfe für Schutzsuchende zur obersten Priorität zu machen und den katastrophalen Zustand, in dem wir uns befinden, nicht hinzunehmen. Zeigen wir, dass wir mutig und von ganzem Herzen Europäerinnen und Europäer sind.

Wir begrüßen, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Klimaziel der Europäischen Union auf mindestens 55 Prozent CO2-Einsparung bis zum Jahr 2030 erhöhen will, aber wir brauchen 65 Prozent, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Dürren und Brände zeigen, dass wir größere Anstrengungen unternehmen müssen, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Der Klima- und Biodiversitätsnotfall ist Realität, und kein einziger Cent öffentlichen Geldes sollte mehr für die Subventionierung fossiler Brennstoffe ausgegeben werden, weder aus dem Just Transition Fonds, noch aus einem anderen EU-Topf. Für die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik ebenso wie die Europäische Handelspolitik brauchen wir konkrete Ziele, die sich am Europäischen Grünen Deal und der Strategie für den Schutz der biologischen Vielfalt orientieren. Alle Anstrengungen müssen darauf ausgerichtet sein, den Klimakollaps zu aufzuhalten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit dem Grünen Deal einen mutigen Vorstoß gewagt und den Grundstein für eine tiefgreifende Neuausrichtung der EU-Politik gelegt. Gegen großen Druck hat sie den Grünen Deal zum Kernstück des Wiederaufbauplans gemacht. Jetzt muss er in mutige und verbindliche Ziele zum Schutz von Klima, Biodiversität und Ressourcen übersetzt werden.

Die EU muss auch die Erosion der Demokratie stoppen. Innere Gräben dürfen nicht zur Aufgabe von Rechtsstaatlichkeit in der EU führen, wie wir bei der Einschränkung von Pressefreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz in Polen und Ungarn beobachten. Wir brauchen einen verbindlichen Rechtsstaatsmechanismus, um diese Union als eine der Werte zu erhalten und nicht als reine Einkommensquelle für Oligarchen.

Wann immer die EU-Kommission den Mut zu entschlossenem Handeln zeigt, werden wir sie tatkräftig unterstützen.“

Pressemitteilung GRÜNE/EFA Fraktion im EU-Parlament

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