Verständnis der Betroffenen für noch mehr Nachtflüge ist aufgebraucht
In 100 Tagen soll die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland starten. Fußball, die schönste Nebensache der Welt? Nicht für die fluglärmgeplagten Anwohner:innen in den An- und Abflugschneisen und im direkten Flughafenumfeld des innerstädtisch gelegenen Hamburger Flughafens.
Statt Transparenz nur eine karge Wortklauberei. Auf die berechtigten Fragen und Sorgen der Betroffenen von nächtlichem Fluglärm werden von der zuständigen Luftfahrtbehörde in der Hamburger Wirtschaftsbehörde (BWI) nur Nebelkerzen gezündet. Dabei ist den Verantwortlichen bereits seit 2017 klar, dass die Aufhebung des Nachtflugverbots in Hamburg eine der scharfen Auflagen der UEFA für den Zuschlag Hamburgs als Austragungsort der EM 2024 ist.
Im UEFA Evaluierungsbericht Nationales Bewerbungsverfahren für die EURO 2024 wird die Zustimmung ohne Einschränkungen der Stadt Hamburg und des Flughafens bestätigt. In den Turnieranforderungen dort heißt es u.a., die Flughäfen müssten 24 Stunden vor und nach den Spielen auch nachts in Betrieb bleiben. Das [Flughafen]- Vorfeld müsse zudem zu den Betriebsspitzen ab einem Tag vor und einem Tag nach dem Spieltag über 100 Flugzeuge sämtlicher Klassen aufnehmen können. Weiter wird u.a. formuliert: „Daher ist mit den zuständigen Stellen eine Lockerung der Zeitnischeneinschränkungen und Nachtflugverbote zu verhandeln, um auch diese Flüge pünktlich durchführen zu können.“
Durchaus brisant ist der frühe Zeitpunkt und Absender dieser Verpflichtungserklärung gegenüber der UEFA. Die Hamburger Fluglärmschutzbeauftragte Dr. Gudrun Pieroh-Joußen hat wohl in dienstrechtlicher Verpflichtung bereits 2017 den Verzicht auf die Nachtflugbeschränkung in Hamburg unterschreiben müssen und sich schriftlich dem UEFA-Diktat unterworfen.
Im Klartext heißt das: Flugverkehr und Fluglärm jeweils 24 Stunden vor, nach und am eigentlichen Spieltag selbst. Folglich müssen 15 Tage lang mehr als 250.000 Anwohner im Hamburger Stadtgebiet, in Norderstedt und den schleswig-holsteinischen An- und Abflugschneisen auf einen ungestörten Schlaf verzichten. Die betroffenen Anwohner allein zahlen den Tribut für das „besondere Reiseverhalten der Fußballfans“ (Zitat der UEFA).
„Während der Fußball-EM 2024 ist realistisch mit einem erhöhten Flugverkehr an den Austragungsorten zu rechnen. Es ist doch völlig weltfremd anzunehmen, dass Fußballfans, Mannschaften und Funktionäre zu den Spielen ausschließlich mit Bussen oder der Bahn anreisen werden und auf das Fliegen verzichten“, konstatiert Martin Mosel, Vorsitzender des BIG Dachverbands der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. (BIG-Fluglärm Hamburg).
Völlig unklar bleibt aktuell, ob schon entsprechende Vorbereitungen, Anträge oder sogar Genehmigungen durch die zuständige Luftfahrtbehörde zur Aufhebung des Nachtflugverbotes vorliegen.
„Als Interessenvertretung der von Fluglärm betroffenen Anwohner:innen und mit unserer in jahrzehntelanger Diskussion und kritischer Auseinandersetzung rund um den Flughafen Hamburg erworbenen Sachkompetenz sowie unserer gesetzlichen Stellung als Regelmitglied in dem die Luftfahrtbehörde in Fluglärmfragen beratenden Gremium der Fluglärmschutzkommission, haben wir deshalb jetzt den aktuellen Sachstand angefragt“, informiert Mosel.
Sollte die zuständige Luftfahrtbehörde entsprechende Bescheide zur Aufhebung des Nachtflugverbotes erteilt haben bzw. beabsichtigen, solche zu erteilen, wollen wir beteiligt werden. Wir wollen im Verfahren frühzeitig beteiligt werden, um die Anträge und Genehmigungen prüfen zu können und gegebenenfalls auch erforderliche Rechtsmittel einzulegen.
„Von den fluglärmgeplagten Betroffenen auch für die Zeit der Fußball-EM 2024 Nachsicht und Verständnis für einen ungeregelten Nachtflugbetrieb abzufordern ist zynisch. Das Verständnis der Betroffenen ist angesichts der fast 7.000 Flugbewegungen in der regulären Zeit der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr aufgebraucht“, so Mosel.
Zur Anlage finden Sie unseren Informationsantrag nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz. Das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG) ist die Grundlage für den voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen, die bei öffentlichen Stellen Hamburgs vorhanden sind.
Pressemitteilung BIG | Dachverband der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. (BIG-Fluglärm Hamburg)