Vermögen des reichsten Prozents in G20-Ländern ist in 20 Jahren um 150 Prozent gestiegen – Bundeskanzler Scholz muss eindeutiges Bekenntnis zur Besteuerung Superreicher abgeben
Die Ungleichheit in den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Oxfam-Analyse anlässlich des bevorstehenden G20-Gipfels in Brasilien. Das Vermögen des reichsten Prozents der Bevölkerung in den G20-Ländern ist um fast 150 Prozent auf 68,7 Billionen US-Dollar gestiegen. Oxfam fordert von Bundeskanzler Scholz und den anderen G20-Staats- und Regierungschefs, sich jetzt klar für die von der brasilianischen G20-Präsidentschaft vorgeschlagene Besteuerung Superreicher auszusprechen.
Das reichste Prozent in den G20-Ländern besitzt nach der neuen Oxfam-Berechnung 31 Prozent des gesamten Vermögens. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt lediglich fünf Prozent. Die G20-Länder, in denen das reichste Prozent den größten Anteil am Gesamtvermögen hat, sind Brasilien mit 48 Prozent, Südafrika mit 42 Prozent und Argentinien mit 40 Prozent. In Deutschland verfügt das reichste Prozent über rund 30 Prozent des Gesamtvermögens im Land. Das ist nach den USA der höchste Wert unter den etablierten G20-Industrienationen.
„Die weltweit zunehmende Ungleichheit und der immer stärker werdende Einfluss von Superreichen auf Wirtschaft und Politik sind eine Gefahr für die Demokratie und verhindern eine effektivere Armutsbekämpfung. Zudem verdeutlicht nicht zuletzt das Aus der Ampelregierung, wie dringend in Zeiten steigender Investitionsbedarfe und zunehmender politischer Verteilungskonflikte zusätzliche Einnahmen generiert werden müssen. Milliardär*innen und Hochvermögende müssen nun endlich stärker in die gesellschaftliche Verantwortung genommen werden“ sagt Tobias Hauschild, Leiter des Bereichs Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland.
„Bundeskanzler Scholz muss im Kreise der G20 Farbe bekennen und den Prozess für ein Abkommen zur weltweiten Besteuerung Superreicher gemeinsam mit seinen Kolleg*innen entschieden vorantreiben. So kann weltweit mehr in die Armutsbekämpfung und die Bewältigung der Klimakrise investiert werden“, so Hauschild. Zudem müssten sich die G20-Staats- und Regierungschefs systematisch mit der Bekämpfung von Ungleichheit auseinandersetzen und dafür eine dauerhafte Arbeitsgruppe einsetzen.
Milliardär*innen verursachen in 90 Minuten mehr Treibhausgase als der Durchschnitt in einem ganzen Leben
Luxus- und Investitionsemissionen von Milliardär*innen eskalieren die Klimakrise
Oxfams neuer Bericht „Carbon Inequality Kills“ zeigt, dass Superreiche erheblich zur Zerstörung des Planeten beitragen. Die im Bericht näher betrachteten fünfzig der reichsten Milliardär*innen der Welt verursachen durch ihre Investitionen, Privatjets und Jachten in 90 Minuten im Mittel mehr Treibhausgase als ein Mensch im weltweiten Durchschnitt in einem ganzen Leben. Oxfam fordert Maßnahmen zur drastischen Reduzierung von CO2-Emissionen und den Abbau übermäßiger Vermögenskonzentration.
Wirtschaftliche Schäden, globale Ernteausfälle durch Extremwetter und zusätzliche Todesfälle aufgrund von Hitze – die Klimakrise hat lebensbedrohliche Konsequenzen, besonders für Menschen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern. Oxfams neuer Bericht zeigt, dass extremer Reichtum die Klimakrise massiv vorantreibt. Dabei treten enorme Unterschiede zwischen den Treibhausgasemissionen von Superreichen und dem Rest der Welt zutage. Unter anderem hat Oxfam die Emissionen deutscher Milliardär*innen untersucht und den Beitrag des reichsten Prozents der Deutschen zu den Folgen der Klimakrise analysiert.
Superjachten und Privatjets als Spitze des Eisbergs
Oxfams Berechnungen zeigen, dass 50 der reichsten Milliardär*innen der Welt in einem einzigen Jahr jeweils mit durchschnittlich 184 Flügen 425 Stunden in der Luft verbrachten. Damit war jede*r von ihnen für so viel Treibhausgase verantwortlich wie der Durchschnitt der übrigen Weltbevölkerung in 300 Jahren. Im gleichen Zeitraum haben die Superjachten dieser Milliardär*innen so viel Treibhausgase produziert wie der Durchschnitt in 860 Jahren.
Allein die Emissionen der Privatjets von Elon Musk summieren sich jährlich auf etwa 5.500 Tonnen CO2, so viel wie die durchschnittlichen weltweiten pro-Kopf Emissionen in 834 Jahren. Auch in Deutschland verursachen Superreiche viele Emissionen. Beispielsweise besitzt Hasso Plattner gleich mehrere Privatjets, deren Emissionen Oxfam bei mehr als 500 Flügen innerhalb eines Jahres auf über 2.000 Tonnen CO2 berechnet hat. Auch durch die Jachten des Milliardärs Klaus-Michael Kühne wurden nach der Oxfam-Analyse binnen eines Jahres knapp 9.800 Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen – dafür würde eine Person in Deutschland im Durchschnitt fast 1.000 Jahre brauchen.
„Durch ihren Luxus wie Privatjets und Superjachten, aber auch durch umweltschädliche Investitionen ihrer Vermögen beschleunigen Superreiche die Klimakrise und treiben damit Ungleichheit und Hunger voran“, sagt Serap Altinisik, CEO von Oxfam Deutschland. „Fünf der reichsten Deutschen sind durch ihre Superjachten im Durchschnitt für 1.275-mal so viele Emissionen verantwortlich wie das ärmste Prozent der Deutschen im Durchschnitt. Diese Ungleichheit ist nicht tragbar”, so Altinisik.
Superreiche investieren in klimaschädliche Branchen
Auch die Analyse der Investitionsemissionen der Superreichen ergibt ein dramatisches Bild. Deutsche Milliardär*innen sind durch ihre Unternehmensanteile für jährlich 33 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich. 44 Prozent der von Oxfam untersuchten Investitionen deutscher Milliardär*innen entfallen auf besonders umweltschädliche Branchen wie Logistik, Chemie oder Zement. Leonie Petersen, Oxfam-Expertin für sozial-ökologische Transformation betont: „Was wir brauchen, ist nicht nur ambitionierte Klimapolitik, sondern auch ein verändertes Investitionsverhalten der Reichen und Superreichen in Deutschland. Sonst sind konsequente Reduktion von Treibhausgasemissionen und die Transformation unserer Wirtschafts- und Energiesysteme nicht zu stemmen.”
Mit Blick auf den Bericht fordert Oxfam den Abbau der extremen Vermögenskonzentration weltweit und in Deutschland. Neben einer Vermögenssteuer zur Finanzierung von gemeinwohlorientierten Ausgaben der öffentlichen Hand, wie zum Beispiel für den Klimaschutz, muss extrem klimaschädlicher Luxus wie Privatjets und Superjachten stärker reguliert werden. Dafür braucht es global und national ambitionierte politische Rahmenbedingungen und eine Transformation unserer Energie- und Wirtschaftssysteme. Letztlich braucht es eine Überwindung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, das auf Wachstum, Gewinnstreben und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ausgerichtet ist.
Mehr: https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/15-grad-ziel-akuter-gefahr-superreiche-klimakrise-verschlimmern
Pressemitteilungen Oxfam (28.10.+ 15.11.)