Gelbe Karte für die Umwelthauptstadt

Umweltverbände werfen Senat mangelndes Engagement für den Natur- und Umweltschutz vor

Die „Umwelthaupthauptstadt Hamburg Umweltverbände“-Initiative, kurz UHU-Initiative, warnt vor einer europaweiten Blamage und bleibenden Schäden am Umwelthauptstadtkonzept. Noch in seiner Regierungserklärung versprach Bürgermeister Olaf Scholz, sein Senat würde Hamburg als Umwelthauptstadt fest etablieren. Sein tatsächliches Handeln zeugt jedoch eher vom Gegenteil: Viele Umweltprojekte hat der Senat gestoppt, wie beispielsweise die Stadtbahn, Umweltzone, Citymaut, autofreien Sonntag und Landstromanschlüsse für Kreuzfahrtschiffe.

Umwelthauptstadt

„Bürgermeister Scholz ignoriert die besonderen Anforderungen an eine Umwelthauptstadt“, beklagt Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg und Sprecher der UHU-Initiative. „Für eine Umwelthauptstadt reicht es nicht, sich auf vertrockneten Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen und dabei vor aktuellen Herausforderungen die Augen zu verschließen.“ Gestrichene Umweltprojekte, Fehlangaben bei den erreichten Klimaschutzfortschritten und die Bagatellisierung von falschen Angaben über angebliche Kompensationen an die EU sieht der UHU-Sprecher Porschke mit großer Sorge. Aufgrund des ökologischen Rückwärtsganges in der Verkehrspolitik verstößt Hamburg sogar gegen Europarecht. „Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren ist zu befürchten und wäre oberpeinlich für Hamburg als Europäische Umwelthauptstadt.“ Wegen eines Irrtums des Statistischen Landesamtes mussten die Angaben zu den CO2-Emissionen im Vergleich zur Umwelthauptstadt-Bewerbung nach oben korrigiert werden. Falsche Angaben zur Einführung von emissionsfreien Bussen bagatellisiert der Senat als „Sturm im Wasserglas“. Porschke: „Wenn sich andere europäische Umwelthauptstädte ein Beispiel an dem laxen Umgang Hamburgs mit eingegangenen Verpflichtungen nehmen, entwickelt sich kein Wettbewerb der besten Umweltlösungen.“ Dem städtischen Umweltschutz in Europa würde so ein Bärendienst erwiesen.
Die durchaus positive Erweiterung des Naturschutzgebietes Reit und die Ankündigung einer Umweltkomponente bei den Hafengebühren sind leider nur Restanten aus der vergangenen Legislaturperiode. „Die SPD Hamburg scheint mit Loki Schmidt die letzte überzeugte und einflussreiche Umweltpolitikerin verloren zu haben. Eigene Impulse zur Lösung einer der wichtigsten Zukunftsfragen unserer Stadt sind bei ihr nicht mehr zu erkennen“, bedauert Porschke.

Naturschutz

Die UHU-Initiative möchte darüber hinaus erreichen, dass der Naturschutz nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis der Hamburger Verwaltung stattfindet. Horst Bertram vom Botanischen Verein: „Wenn Hamburgs Senat sich der Auszeichnung als Umwelthauptstadt würdig erweisen will, so muss er auch dafür sorgen, dass die Natur im Handeln der Stadt vor Ort zu ihrem Recht kommt. Da liegt nach der Zerschlagung der Naturschutzreferate vieles im Argen.“ Er fordert, dass die SPD ihre Zusage aus dem Bürgerschaftswahlkampf 2008 endlich einlöst und in den Bezirken wieder funktionsfähige Naturschutzverwaltungen herstellt. Denn effektive Verwaltungsstrukturen seien im Naturschutz notwendig, wenn Anträge, Planungen u.ä. sachgemäß in der gebotenen Frist abgearbeitet werden sollen. „Ein mehr oder weniger eiliges ´Durchwinken´ oder die Bearbeitung durch fachlich nicht geschultes Personal können zu unerwünschten Spätwirkungen führen – nämlich zur Angreifbarkeit nicht ausreichend abgewogener Pläne“, betont Bertram. Hinzu kämen eigentlich Aufgaben, die wegen der Ortsnähe bei den Bezirken besser aufgehoben wären. Bertram: „Dazu gehören beispielsweise die Pflege und der Schutz der gesetzlich geschützten Biotope. Die Bezirke haben diese Aufgaben wegen fehlender Arbeitskraft aber abgelehnt.“ Die Folge sei, dass sich die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in allen Stadtteilen darum kümmern muss und der Realität mühsam hinterherhinkt.
Alexander Porschke zeigt sich darüber hinaus überaus skeptisch, dass der Senat bei seinen Wohnungsbauvorhaben den innerstädtischen Naturschutz ausreichend berücksichtigen wird. „Hier gilt es, zwischen den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen abzuwägen“, fordert er. „Der Naturschutz muss gleichwertig zu anderen Ansprüchen behandelt werden.“ Porschke plädiert außerdem für einen größeren Beitrag der Hansestadt zum Erhalt der Artenvielfalt: Beispielsweise müsse bei der Erteilung von Baugenehmigungen auf den Erhalt oder zumindest auf den Ersatz von Nistmöglichkeiten an Gebäuden geachtet werden, so der NABU-Chef. Grünanlagen müssten extensiver gepflegt und naturnäher gestaltet werden, ebenso die Forstflächen, in denen auch abgestorbene Bäume erhalten bleiben sollten. Feuchte Wiesen und Weiden müssten unbedingt bestehen bleiben und geschützt werden.

Radverkehr

Außerdem muss der Senat nach Ansicht der UHU-Initiative sich endlich aktiv und nachhaltig für das Radfahren einsetzen, um den Radverkehr in Hamburg zu steigern. Susanne Elfferding vom ADFC Hamburg: „Der ADFC erwartet vom SPD-Senat die konsequente Umsetzung der ´Radverkehrsstrategie für Hamburg´. Für den Radverkehr bedeute das im Umwelthauptstadtjahr vor allem den Ausbau von mindestens drei Velorouten und die Anlage von mindestens 50km neuer Radfahrstreifen, in erster Linie auf den Hauptverkehrsachsen der Stadt. “Begleitend dazu solle die Stadt offensiv mit einer Kampagne ´Pro Rad´ mehr Hamburgerinnen und Hamburger für den Umstieg hin zur umweltfreundlichen Mobilität begeistern, so Elfferding. Das würde bei der Mobilität nicht nur für eine echte Chancengleichheit für alle unabhängig von Einkommen und Alter sorgen, sondern der Stadt auch helfen, eine Millionenstrafe aufgrund der Nichteinhaltung der Luftreinhaltungsrichtlinie zu vermeiden.

Seit ihrer Gründung im September 2009 hat die UHU-Initiative die Umwelthauptstadt 2011 konstruktiv-kritisch begleitet und entsprechende Forderungen an die Politik und Verwaltung gerichtet. „Wir wollen auf jeden Fall erreichen, dass Hamburgs Auszeichnung als Umwelthauptstadt zu tatsächlichen Umwelt-Verbesserungen führt“, stellt UHU-Sprecher Porschke fest. „Dafür muss der Senat große Schritte gehen. Die Zeit drängt! Und städtisches ´Greenwashing´ werden wir nicht zulassen.“

In der UHU-Initiative arbeiten der NABU, der ADFC, der Naturschutzverband GÖP, der Botanische Verein, die Naturwacht und der VCD zusammen. Weitere Informationen gibt es unter www.NABU-Hamburg.de/umwelthauptstadt.
Pressemitteilung NABU Hamburg

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