Weil über Jahre in vielen deutschen Städten die EU-Grenzwerte für Stickoxide überschritten wurden, hat der europäische Gerichtshof nun Deutschland verurteilt. Das in Städten hauptsächlich von Diesel-Pkw ausgestoßene Atemgift NO2 verursacht Herz-Kreislauferkrankungen und steht in Zusammenhang mit Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Asthma.
Im März hat das Europäische Parlament die EU Kommission aufgefordert, die Luftqualitätsrichtlinie an die von der WHO empfohlenen stärkeren Grenzwerte anzupassen.
Es kommentiert Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan:
„Dieses Urteil ist eine höchstrichterliche Klatsche für die gesundheitsgefährdende Verkehrspolitik der Union. Seit über einem Jahrzehnt gelten die europäischen NO2-Grenzwerte, und noch immer müssen Millionen Städter schmutzige Luft atmen – deutlicher lässt sich kaum zeigen, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer und seine CSU-Vorgänger das Wohl der Menschen hinter Interessen der Autoindustrie stellen.
Schon jetzt arbeitet die EU daran, die Luftqualität mit stärkeren Grenzwerten weiter zu verbessern. Will Deutschland nicht auch den kommenden Grenzwerten hinterherlaufen, muss die Bundesregierung dem Verbrennungsmotor jetzt ein Enddatum setzen.”
Pressemitteilung Greenpeace
EuGH-Urteil zur Luftqualität: Zitat von Sven Giegold
Am 3. Juni hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie festgestellt, dass Deutschland jahrelang systematisch und anhaltend die Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxid überschritten und gegen EU-Recht verstoßen hat.
Sven Giegold, Grünen/EFA-Schattenberichterstatter für den Bericht zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie, kommentiert:
„Das Urteil zwingt die Bundesregierung, endlich die EU-Regeln einzuhalten. Deutschland verstößt immer noch gegen die Grenzwerte für Dieselmotoren, leichte Verbesserungen der Luftqualität gehen in weiten Teilen auf weniger Mobilität während der Corona-Pandemie zurück. Verkehrsminister Andreas Scheuer darf nicht weiter seine schützende Hand über die Autolobby legen und muss die Hersteller verpflichten, Diesel-Autos nachzurüsten oder durch regelkonforme Autos zu ersetzen.
Leider muss wieder einmal ein Gericht die Bundesregierung an ihre Verpflichtungen erinnern. Vertragsverletzungsverfahren müssen zukünftig schneller vorangehen. Hunderttausende Todesfälle stehen im Zusammenhang mit dreckiger Luft, da können wir uns keine unnötige Zeitverzögerung leisten. Das nächste Vertragsverletzungsverfahren steht der Bundesregierung schon ins Haus wegen hoher Emissionen von schädlichem Ammoniak aus der Massentierhaltung.“
Pressemitteilung Die GRÜNEN/EFA im EU-Parlament
Luftreinhaltung: Senat bekommt Druck vom Europäischen Gerichtshof
EuGH verurteilt Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte / Hamburg überschreitet Grenzwerte weiterhin
Der Europäische Gerichtshof hat heute die Bundesrepublik Deutschland verurteilt, weil die seit 2010 geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid jahrelang in vielen Städten zum Teil deutlich überschritten wurden, auch in Hamburg. Zwar seien die Überschreitungen inzwischen weniger geworden. Selbst im „Corona-Jahr“ 2020 gebe es aber noch sechs Städte, in denen die Werte nicht eingehalten werden – eine davon ist Hamburg.
Dazu Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg: „Mit der Verurteilung unterstreicht der EuGH nochmals die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von vergangener Woche, nach der Hamburg seinen Luftreinhalteplan nachbessern muss. Die Grenzwerte gelten seit 2010 und ihre Einführung war seit 2002 bekannt, also seit fast 20 Jahren. Unser Senat und die Vorgängersenate haben das Thema komplett verschlafen und gehofft, neue Dieseltechniken würden alle Probleme lösen. Dass dies nicht funktioniert hat, ist allgemein bekannt.“
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, dennoch erhöht sich der Druck auf Hamburg, einen Luftreinhalteplan vorzulegen, der die Einhaltung der Grenzwerte garantiert. Wenn weiterhin Überschreitungen stattfinden, könnte die EU Zwangsgelder gegen Deutschland aussprechen, die an die betroffenen Kommunen durchgereicht werden.
„Hamburg hat das Problem viele Jahre ignoriert und lediglich kleine Umgehungsrouten für die Messstationen in Altona eingerichtet, um die Schadstoffe besser zu verteilen. Nun muss die Behörde nacharbeiten. Der BUND wird darauf achten, dass der neue Plan nicht wieder nur ein Papiertiger wird. Was wir brauchen, ist eine flächendeckende Reduzierung des Schadstoffausstoßes, insbesondere im Straßenverkehr. Im Grunde hilft nur eines: Fahrverbote in den besonders belasteten Bereichen und möglichst viele Autos raus aus der Stadt!“, so Christiane Blömeke.
Für den BUND heißt das, dass ein großer Teil des Autoverkehrs auf die Schiene, umweltfreundliche Busse oder das Fahrrad verlagert werden muss. Auch der Hamburger Klimaplan fordere einen Anteil von 80 Prozent für den sogenannten Umweltverbund. „Dem Plan müssen jetzt Taten folgen“, so Blömeke.
Schallende Ohrfeige für CSU-Minister: EuGH-Urteil zu Stickoxid-Werten
Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland wegen Überschreitung von Grenzwerten für den Luftschadstoff Stickoxid in den Jahren 2010-2016 verurteilt.
Tiemo Wölken, Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments:
„Verkehrsminister Andreas Scheuers Wahlkampf-Aktionismus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Dekade CSU-Verkehrspolitik zur Folge hat, dass Deutschland verurteilt wurde, die Gesundheit seiner Bürger*innen nicht ausreichend geschützt zu haben. Das ist eine schallende Ohrfeige und ein Zeugnis über die Arbeitsverweigerung der CSU-Verkehrsminister. Die CSU hat das Ministerium immer als reines Auto-Ministerium begriffen und den öffentlichen Verkehr vernachlässigt. Auch die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr sind mit der Übernahme des Ministeriums durch die CSU gestiegen. Unter SPD-Leitung waren sie zuvor gefallen.
Der Gerichtshof hat zurecht die Argumentation Deutschlands zurückgewiesen, nach der die Europäischen PKW-Emissionsstandards als Entschuldigung herhalten sollen. Er urteilt, dass Deutschland offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen habe, um die Luftgrenzwerte einzuhalten. Auch heute noch werden Stickoxid-Grenzwerte in deutschen Innenstädten überschritten – dem müssen wir mit dem zügigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und mehr sauberer Mobilität entgegenwirken.”
Ismail Ertug, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokrat*innen im Europäischen Parlament:
“Wir sehen hier immer noch die langen Schatten, die der Abgas-Skandal von 2015 wirft. Insbesondere das Kraftfahrtbundesamt hat hier eine nicht immer rühmliche Rolle gespielt. Auch war und ist das CSU-geführte Verkehrsministerium hier zu lasch unterwegs und deshalb für drohende oder schon existierende Fahrverbote mitverantwortlich.”
Pressemitteilung SPD im EU-Parlament