Gegen die klimaschädliche Förderung von fossilem Erdgas protestieren Greenpeace-Aktivist:innen heute rund 20 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum. Die 21 Klimaschützer:innen aus Deutschland und den Niederlanden umrunden die eben eingetroffene Gasbohrplattform “Prospector 1” in vier Schlauchbooten. Fünf von ihnen sind auf die Plattform geklettert und haben sich an den Standbeinen festgemacht. Auf Flaggen und Bannern steht “Gas zerstört!” und “No New Gas”.
Der niederländische Energiekonzern One Dyas will an dieser Stelle das Erdgasfeld N-05A ausbeuten. Ein niederländisches Gericht hatte das Bohrvorhaben zunächst über ein Jahr lang gestoppt. Seit Freitag vergangener Woche liegt One Dyas nun eine neue Bohrgenehmigung vor. “Die Klimakrise wirft uns immer schneller von einem Wetterextrem ins nächste. Um eine Chance zu haben, diesen Trend zu bremsen, können wir uns keine weiteren fossilen Projekte mehr leisten”, sagt Mira Jäger, Energieexpertin von Greenpeace. “Gas befeuert die Klimakrise global und zerstört lokal wertvolle Natur – wie in diesem Fall schützenswerte Lebensräume im Wattenmeer und ihre Artenvielfalt.”
Genehmigung der niedersächsischen Landesbehörde steht noch aus
Der vorgesehene Standort für die Plattform befindet sich 500 Meter hinter der deutschen Grenze auf niederländischem Gebiet zwischen den Inseln Schiermonnikoog und Borkum. In unmittelbarer Nähe liegt das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Die “Prospector 1” soll in den kommenden Wochen erste Bohrungen durchführen. Im Laufe des Jahres will One Dyas eine Produktionsplattform einrichten und Gas aus insgesamt zwölf Bohrungen fördern – sowohl auf niederländischem als auch auf deutschem Gebiet. Die Genehmigung der Bohrungen auf deutscher Seite steht noch aus. Zuständig ist das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), das Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) untersteht. Das hier geförderte Gas würde gerade einmal ein Prozent des derzeitigen deutschen Gasverbrauchs ausmachen.
Nahe der Bohrstelle und entlang der für deren Stromversorgung vorgesehenen Kabeltrasse befinden sich einzigartige schützenswerte Steinriffe, die Greenpeace 2023 erstmals wissenschaftlich dokumentiert hat. Diese wären durch Sediment- und Schadstoffeinträge bei Bauarbeiten und bei der Gasförderung massiv gefährdet. Greenpeace hat an der geplanten Bohrstelle drei mit GPS-Sendern versehene Bojen ausgesetzt und so die Ausbreitung von Schadstoffen simuliert. Nach spätestens 48 Stunden hatte die Strömung alle Bojen zum Naturschutzgebiet Borkum Riffgrund getrieben, zwei landeten bereits nach 24 Stunden bei einem Steinriff nahe des Windparks Riffgat.
“Wenn Olaf Lies die Genehmigung auf deutscher Seite zulässt, riskiert er viel Zerstörung für wenig Gas”, so Jäger. “Die vergangenen beiden Winter haben gezeigt, dass wir ohne dieses Gas auskommen. Eine zukunftsfähige Energiepolitik setzt ausschließlich auf erneuerbare Quellen.”
Mehr Infos – auch zur Hochwasserkatastrophe in Bayern: https://www.greenpeace.de/
Pressemitteilung Greenpeace
Drohende Gasbohrungen vor Borkum: Deutsche Umwelthilfe fordert Landesregierung Niedersachsen auf, die deutsche Teilgenehmigung zurückzunehmen
Die Bohrplattform „Prospect 1“ ist heute Morgen vor der Küste von Borkum angekommen. Mit dieser plant der Konzern One-Dyas den Start der Gasbohrungen in der Nordsee. Vorausgegangen war eine plötzlich neue Genehmigung der Arbeiten, nachdem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und ihre Partner im April vor dem zuständigen niederländischen Gericht einen Baustopp erreicht hatten. Die DUH weitet die rechtlichen Schritte gegen das Projekt nun aus: Bereits am Freitag hat die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation per Eilantrag beim Raad van State, dem höchsten niederländischen Gericht, einen Baustopp der neu genehmigten Arbeiten beantragt.
Nun legen die DUH, der BUND Niedersachsen und die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland zusätzlich Widerspruch gegen die ihnen erst jetzt bekannt gewordene Genehmigung zur Verlegung eines Seekabels ein, welches unter Zerstörung wertvoller geschützter Unterwasserbiotope für die Energieversorgung der Gasbohrinsel sorgen soll. Die DUH und ihre Partner fordern die Landesregierung Niedersachsen auf, die deutsche Teilgenehmigung umgehend zurückzunehmen.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Während in Süddeutschland Hochwasser als Folge der Klimakrise ganze Ortschaften verwüstet, beginnt ein fossiler Konzern in der Nordsee neue Gasförderung. Das ist völlig aus der Zeit gefallen und auch klimapolitisch das falsche Signal. Aber auch für die einmalige Natur der Nordsee bedeuten der Bau der Bohrinsel und die Verlegung des Seekabels einen schweren negativen Eingriff. Für die Menschen auf den nahen Inseln würde damit ihre Heimat gefährdet. Jetzt muss endlich auch die Landesregierung Niedersachsen aktiv werden, das Projekt auf deutscher Seite stoppen und als ersten Schritt die bereits erteilte Genehmigung für das Seekabel zurücknehmen.“
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte die Genehmigungen bereits im Oktober 2022 erteilt. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung oder Bekanntgabe des Bescheides gab es jedoch nicht. Nach Analyse und Bewertung der Genehmigung durch die DUH und ihrer Partner steht jedoch fest, dass die Kabeltrasse zu einer Zerstörung von gesetzlich geschützten Riffen führt, die zwischenzeitlich durch Gutachter dokumentiert wurden.
Dirk Teßmer, Rechtsanwalt der DUH: „Eine irreversible Zerstörung gesetzlich geschützter Riffbiotope ist unzulässig. Die Genehmigung der Kabeltrasse ist ausweislich der Akten in Unkenntnis der Existenz der Riffe ergangen. Wäre seinerzeit eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden, hätte die Problematik bereits frühzeitiger erkannt werden und die Fehlinvestition vermieden werden können. Nun hat die Verwaltung des zuständigen Landesumweltministers Christian Meyer die offensichtlich rechtswidrige Genehmigung zwingend zurückzunehmen. Eine fehlerfreie Genehmigung kommt auch künftig nicht in Betracht, da die Riffvorkommen auch nach den Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts unter besonderen Schutz gestellt werden müssen.“
Das rechtliche Vorgehen gegen die geplanten Gasbohrungen sowie gegen die Genehmigung des Seekabels treibt die DUH im engen Schulterschluss mit einem Bündnis deutscher und niederländischer Umweltorganisationen voran.
Bernd Meyerer, Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland: „Spätestens nachdem nun durch umfangreiche Tauch- und Sonaruntersuchungen klar ist, dass das Seekabel ein höchst schützenswertes Steinriff durchschneiden würde, darf dieses Kabel nicht mehr durch dieses Gebiet verlegt werden. Den regenerativen Strom vom Windpark Riffgat, der bisher bis zu 120.000 Haushalte mit sauberer Energie versorgen konnte, dafür zu missbrauchen, die Stickstoff- und CO2-Emissionen der fossilen Gasförderung von One-Dyas nach Deutschland zu verlagern, um das Projekt in den Niederlanden genehmigungsfähig zu machen, ist trickreiches Greenwashing. Der Fehler, die wertvollen Steinriffe nicht in die Genehmigungsentscheidung einbezogen zu haben, muss schleunigst korrigiert werden. In der Konsequenz muss auch die Gesamtgenehmigung für das rückwärtsgewandte fossile Projekt negativ beschieden werden.“
Susanne Gerstner, Landesvorsitzende BUND Niedersachsen: „Dass der ehemalige Umweltminister Olaf Lies in den letzten Tagen seiner Amtszeit in 2022 die Genehmigung des Seekabels an der kritischen Öffentlichkeit vorbei ermöglicht hat, ist empörend. Sein Nachfolger Christian Meyer muss diese Genehmigung umgehend zurücknehmen, das gesamte Vorhaben muss gestoppt werden! Die geplanten Bohrungen stehen im krassen Widerspruch zum Schutz des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer, den selbst gesetzten Klimazielen der rot-grünen Landesregierung und internationalen Verpflichtungen zum Klima- und Naturschutz. Wird das Vorhaben entgegen aller Vernunft durchgepeitscht, steht der Welterbestatus des Wattenmeers auf dem Spiel!“
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe