Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat heute nach jahrelangen Diskussionen die Eckpunkte einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vorgestellt, die mehr Tierwohl und Supermarktkund:innen beim Fleischkauf mehr Transparenz über die Bedingungen in den Ställen bringen soll. Sie soll zunächst nur für Schweinefrischfleisch im Lebensmittelhandel gelten und verpflichtend für Ware aus heimischer Erzeugung, nicht aber für Importe sein.
Es kommentiert Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter:
„Agrarminister Özdemirs Vorschlag schafft beim Einkauf kaum Orientierung darüber, wie die Tiere gehalten werden. Schlimmer noch: Die Kriterien reichen nicht aus, um das Tierwohl grundsätzlich zu verbessern, denn Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit werden überhaupt nicht berücksichtigt. Die Kennzeichnung gilt zudem weder für Wurst, Schinken oder verarbeitete Tiefkühlware noch für Fleisch aus Rind und Geflügel.
Özdemir sollte sich auf die Förderung der drei besten Haltungsformen konzentrieren, denn nur biologische und Außenstall- bzw. Freiland-Haltung haben eine Zukunft. Das Bundesverfassungsgericht wird hoffentlich im Herbst dafür sorgen, dass die Mindesthaltungsstandards für Schweine insgesamt deutlich angehoben werden. Ein Rechtsgutachten hat gezeigt, dass die beiden schlechtesten der fünf geplanten Haltungsformen und tierschutzwidrig sind und daher verboten gehören. Bei dieser Art der Haltung haben die Tiere extrem wenig Platz, keinen Freiluftkontakt und können nicht wühlen.
Zur Unterstützung der Landwirte beim Umbau der Tierhaltung muss Özdemir jetzt dafür sorgen, dass ausreichend Geld bereitgestellt wird. Eine verbesserte Kennzeichnung allein – zumal in der jetzt geplanten abgeschwächten Form – wird nicht ausreichen, um diese Herkulesaufgabe zu stemmen.“
Pressemitteilung Greenpeace
Neue Haltungskennzeichnung bei Schweinefleisch:
Deutsche Umwelthilfe begrüßt Eckpunkte des Bundeslandwirtschaftsministeriums und fordert weitere Schritte
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt die heute von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgestellten Eckpunkte zur verpflichtenden Haltungskennzeichnung von frischem Schweinefleisch. Sie sind ein erster wichtiger Schritt für mehr Transparenz im Kühlregal. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zukünftig klar erkennen können, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband sieht nun die Bundesregierung in der Pflicht, zeitnah einen Gesetzesvorschlag für die Umsetzung der Eckpunkte vorzulegen und die Haltungskennzeichnung verbindlich für alle Fleischsorten und auch für die Gastronomie und für verarbeitetes Fleisch auszuweiten.
„Die Eier-Kennzeichnung hat bereits gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Tierschutz wollen und wählen, wenn eine staatliche Kennzeichnung ihnen unabhängig und zuverlässig Transparenz verschafft. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt zügig einen Gesetzesvorschlag machen, der das vorgestellte Konzept an den Markt bringt. Zudem muss die Kennzeichnung umgehend auf Gastronomie und verarbeitetes Fleisch ausgeweitet werden. Der Vorschlag der Bundesregierung ist genau richtig, nachdem die EU-Kommission trotz großer Ankündigungen seit 2015 keine Fortschritte beim Kennzeichnungsrecht für Fleisch gemacht hat. Die Finanzierung des Umbaus in den Ställen darf nicht an der FDP scheitern. Wir fordern von allen Parteien im Kabinett mit Blick auf den Koalitionsvertrag Wort zu halten und den Fleisch-Soli zügig voranzubringen sowie pflanzliche Lebensmittel zu vergünstigen“, so Sascha Müller-Kraenner, Bundegeschäftsführer der DUH.
Dorothee Saar, DUH-Leiterin für Verkehr und Luftreinhaltung, ergänzt: „Tier- und Umweltschutz müssen im weiteren Gesetzgebungsprozess dringend zusammengedacht und gemeinsam angegangen werden. Die industrielle Massentierhaltung verursacht den Großteil der besonders gesundheits- und umweltschädlichen Ammoniak-Emissionen mit extrem hohen externen Kosten. Um dem entgegenzuwirken, muss die Bundesregierung jetzt gezielt den Umbau auf tiergerechte Haltungsformen fördern. Sie müssen im Bau- und Förderrecht priorisiert werden, denn eine artgerechte Tierhaltung kann die Luftbelastung durch Ammoniak zuverlässig um die Hälfte reduzieren. Die industrielle Rinderhaltung ist außerdem ein maßgeblicher Verursacher von klimaschädlichem Methan. Daher brauchen wir nicht nur für Schweine, sondern auch für andere Tierarten dringend verbindliche Regelungen. Tierzahlen müssen an die regional verfügbare landwirtschaftliche Fläche gebunden werden. Erst wenn Tierschutz und Emissionsminderung gleichermaßen berücksichtigt werden, erhalten Landwirtschaftsbetriebe langfristige Planungssicherheit.“
Gemäß der geplanten Kennzeichnung soll Schweinefleisch aus industrieller Massentierhaltung in Zukunft an der Kennzeichnung „Stall“ zu erkennen sein. Verbraucherinnen und Verbrauchern empfiehlt die DUH, spätestens nach der Umsetzung der Pläne Fleisch mit der Aufschrift „Stall“ und heute bereits die Haltungsstufen 1 und 2 des Handels zu meiden, weil es von Tieren stammt, die oft in zu enger Haltung und unter Einsatz von Antibiotika gemästet wurden, ohne ihr angeborenes Verhalten ausführen zu können. Wenn es Fleisch sein soll, dann stellen aus Sicht des Umwelt- und Verbraucherschutzverbands Bioprodukte oder Produkte mit der Kennzeichnung „Auslauf/Freiland“ die besseren Alternativen dar. Die Biokennzeichnung steht für eine tier- und umweltfreundlichere Haltung mit strengen Vorgaben beim Antibiotikaeinsatz, dem verpflichtenden Einsatz von Biofutter, dem Verbot von Gentechnik und einer gewässer- und emissionsschonenden Flächenbindung der Tierzahlen.
Hintergrund:
Seit einigen Jahren verwenden Lebensmittelhändler eine freiwillige Kennzeichnung für frisches Fleisch. Mit der besten Kategorie 4 wird neben Biofleisch auch Fleisch aus konventioneller Haltung gekennzeichnet. Die Kriterien für die Klassifizierung legen die Lebensmittelhändler selbst fest. Mit der geplanten staatlichen Haltungskennzeichnung wird eine Kennzeichnung nun verpflichtend und die Haltungsformen werden für Verbraucherinnen und Verbraucher transparent voneinander abgegrenzt.
Im Projekt „Clean Air Farming“ (LIFE17 GIE/DE/610) kämpft die DUH zusammen mit europäischen Partnern für die Implementierung geltenden Rechts zur Minderung von Ammoniak und Methan aus der Landwirtschaft. Weitere Informationen: https://www.clean-air-farming.eu
Das Projekt wird vom LIFE-Programm der Europäischen Union gefördert.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe