Händler sollen Lebensmittel an Hilfsorganisationen spenden

Verbraucherschutzsenatorin besucht Hamburger Tafel und kündigt Bundesratsinitiative für eine gesetzliche Regelung zur nachhaltigen Vermeidung von Lebensmittelverschwendung an

 

Nach einer Studie der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) aus 2015 landen über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel in Deutschland jährlich im Abfall. 2,58 Millionen Tonnen davon entstehen im Groß- und Einzelhandel. Hiervon wären 2,4 Millionen Tonnen vermeidbar. Die Hilfe gemeinnütziger Tafeln sowie freiwillige Spenden ermöglichen es, dass überschüssige Lebensmittel an 1,5 Millionen bedürftige Menschen verteilt werden konnten. Ein Großteil der Nahrungsmittel wird jedoch weiterhin entsorgt. Vor diesem Hintergrund wird Hamburg mit einer Initiative im Bundesrat die Bundesregierung auffordern, Lebensmittelbetriebe des Handels ab einer bestimmten Größe umgehend gesetzlich zu verpflichten, sichere Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden.

„Lebensmittel, die noch genießbar sind, gehören nicht auf den Müll. Sie können an soziale Einrichtungen wie die Tafeln oder die Initiativen der Sozialverbände weitergegeben werden. Dass in Deutschland Millionen Tonnen an lebensmittelhygienisch einwandfreien Lebensmitteln in den Abfall wandern, zeigt deutlich, dass das derzeit auf Freiwilligkeit basierende System für Spenden nicht ausreicht. Um der Lebensmittelverschwendung wirkungsvoll und nachhaltig entgegenzuwirken, bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung des Handels zur Abgabe sicherer Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen. Wir werden die Bundesregierung mit einer Bundesratsinitiative auffordern, umgehend eine verpflichtende Regelung auf den Weg zu bringen“, sagt Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks anlässlich eines Besuches bei der Hamburger Tafel.

Die Senatorin besucht die Tafel, um sich mit deren 1. Vorsitzenden Mats Regenbogen sowie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern vor Ort über das Problem der Lebensmittelverschwendung und nachhaltige Wege zur Verteilung von genießbaren Lebensmitteln aus dem Groß- und Einzelhandel an gemeinnützige Organisationen auszutauschen. Die Hamburger Tafel e.V. unterstützt seit ihrer Gründung 1994 Bedürftige mit Nahrungsmitteln, die nicht mehr für den Verkauf vorgesehen sind. Über 100 Ehrenamtliche sind bei der Hamburger Tafel tätig und helfen u.a. bei der Versorgung der 27 sozialen Einrichtungen, die Lebensmittel-Ausgabestellen betreiben. Etwa 65 weitere Einrichtungen erhalten von der Hamburger Tafel regelmäßig Lebensmittel. Allein durch die Ausgabestellen werden pro Woche 20.000 Bedürftige versorgt. Über 40 Tonnen Lebensmittel verteilt die Hamburger Tafel pro Woche.

Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass durch verpflichtende Regelungen ein deutlicher Anstieg der Abgaben an Hilfsorganisationen zu verzeichnen ist: Ein in Frankreich seit 2016 geltendes Gesetz schreibt u.a. vor, dass Lebensmittelhändler Maßnahmen zur Vermeidung von

Lebensmittelabfällen ergreifen sollen und verpflichtet Supermärkte ab einer Größe von 400 m² eine Vereinbarung mit gemeinnützigen Organisationen über das Spenden von Lebensmitteln zu schließen, die andernfalls entsorgt würden. Vergleichbare rechtliche Regelungen wie in Frankreich wurden 2014 in der belgischen Region Wallonien, 2016 in Italien und 2019 in Tschechien verabschiedet. Frankreich plant mittlerweile eine Erweiterung der gesetzlichen Verpflichtung zu Spenden von Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen auch auf die Bereiche Gastronomie und Lebensmittelindustrie.

Mats Regenbogen, 1. Vorsitzender der Hamburger Tafel e.V. und Enkel der Gründerin Annemarie Dose: „Die Einbringung der Bundesratsinitiative von Frau Senatorin Prüfer-Storcks begrüßen wir. Bereits vor 25 Jahren war die Rettung von genießbaren Lebensmitteln zu Gunsten Bedürftiger ausschlaggebend für meine Großmutter, die Hamburger Tafel e.V. zu gründen. Die Anzahl an bedürftigen Hamburgern steigt jeden Tag und damit auch für uns die tägliche Herausforderung, qualitativ gute Lebensmittel in ganz Hamburg einzusammeln und über externe Ausgabestellen an bedürftige Menschen weiterzugeben. Ein logistischer Kraftakt, der nur auf rein ehrenamtlicher Tätigkeit basiert, das muss berücksichtigt werden. Wir sind sehr dankbar für die bestehende Zusammenarbeit mit vielen Supermärkten, Discountern und Großhändlern aber da ist definitiv noch Luft nach oben.“

Nach der WWF-Studie wären 2,4 Millionen Tonnen der im Groß- und Einzelhandel entstehenden Lebensmittelabfälle vermeidbar. Gründe für den Verlust konsumfertiger Lebensmittel sind hier vor allem Marketingentscheidungen der Händler und Konsumentenerwartungen an Frische und Verfügbarkeit, an Optik und Textur der Lebensmittel; gesundheitliche Risiken, die zu einem Ausschluss der Ware führen, sind in diesem Segment der Wertschöpfungskette eher selten die Ursache. Die Verluste betreffen überwiegend Frischwaren wie Brot und Backwaren sowie Obst und Gemüse, in geringerem Umfang Fleischwaren und Milchprodukte.

Seit ihren Anfängen 1993 sammeln die heute mehr als 940 gemeinnützigen Tafeln in Deutschland überschüssige Lebensmittel und verteilen diese an 1,5 Millionen bedürftige Menschen. Dennoch finden viel zu viele Lebensmittel aus dem Handel ihr Ende in einer Mülltonne, aus der sie manchmal von Aktivisten gerettet werden.

Hamburg setzt sich bereits seit Jahren gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein: Auf Initiative der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz existiert seit 2015 ein Runder Tisch zum Thema. Teilnehmer sind Vertreter von Initiativen (Slow-Food, Hamburger Tafel), die Verbraucherzentrale Hamburg, Vertreter der Wirtschaft (u.a. Unilever, Edeka), Vertreter von Verbänden (u.a. Dehoga und Bäckerinnung) sowie Vertreter anderer betroffener Behörden. Ziel der Zusammentreffen ist es, weiter für das Thema zu sensibilisieren, von Best-Practice-Beispielen zu lernen und Planungen für weitere Initiativen zu beginnen.

Weitere Informationen zur Lebensmittelverschwendung unter: www.hamburg.de/lebensmittel/4600836/lebensmittelverschwendung

Pressemitteilung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz

Dieser Beitrag wurde unter Ernährung / Agrar / Gesundheit veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.