Hamburg baut Naturschutz-Rekord weiter aus

Die Vollhöfner Weiden sind Hamburgs 38. Naturschutzgebiet
Die Vollhöfner Weiden am Rande des Hamburger Hafens sind Hamburgs 38. Naturschutzgebiet. Mit dem heutigen (18.2.) Senatsbeschluss baut die Freie und Hansestadt Hamburg ihren erst zwei Wochen zuvor gesetzten bundesweiten Rekord von über zehn Prozent Naturschutzgebiet im Stadtgebiet weiter auf nun 10,33 Prozent aus. Mit dem rund 67 Hektar großen Naturschutzgebiet ergibt sich nun eine Gesamtfläche von 7.800 Hektar für Naturschutz in ganz Hamburg.

 

Das Naturschutzgebiet Vollhöfner Weiden dient fortan dem Schutz, der Erhaltung und der Entwicklung eines vielfältigen Lebensraumkomplexes aus Röhrichten, Laub- und Auwäldern mit ihren darin beheimateten artenreichen Lebensgemeinschaften. Die Ausweisung des Naturschutzgebietes ist ein wichtiger Schritt, um Hamburgs ökologische Ziele zu erreichen. Dieser Schritt sichert wertvolle Lebensräume im Sinne der Artenvielfalt und trägt als Kohlenstoffspeicher zum Klimaschutz bei. Hamburg leistet hiermit auch einen Beitrag zu einem Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie, nachdem sich auf mindestens zwei Prozent der Fläche Deutschlands die Natur wild entwickeln können soll.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Der Völli bleibt! Dieser Beschluss des Senats beendet ein langes Ringen um diesen einzigartigen kleinen Urwald mitten in unserer Stadt. Durch die Ausweisung als Naturschutzgebiet sorgen wir dafür, dass die Entwicklung dieser Waldflächen auch in Zukunft dauerhaft allein der Natur überlassen bleibt. Wir erhalten ein Stück Wildnis und sichern es für die Zukunft. Seit meinem Amtsantritt 2015 haben wir fünf Naturschutzgebiete mit einer Fläche von 518 Hektar neu ausgewiesen und darüber hinaus bestehende Gebiete um 489 Hektar erweitert. Insgesamt beinhaltet meine Bilanz also über 1.000 Hektar neue Naturschutzfläche. Auf diese Zahl in einer Großstadt wie Hamburg bin ich sehr stolz.“

Hintergrund

Das Naturschutzgebiet Vollhöfner Weiden stellt für Arten der höhlen- und totholzreichen Laubwälder bereits jetzt einen wichtigen Lebensraum dar. Mit zunehmendem Alter der Bäume wird er immer strukturreicher und wertvoller werden. Neben den dominierenden Wäldern finden sich im neuen Naturschutzgebiet auch besonders wertvolle Schilfröhrichte, Silbergrasfluren und sonnige Uferstaudensäume.

Die Wälder haben eine besondere Bedeutung als Lebensraum für spezialisierte und gefährdete Tiere und Pflanzen. So wachsen hier verschiedene Pflanzen, die in der Roten Liste Hamburgs zu finden sind, wie zum Beispiel das gefährdete Fluss-Greiskraut, die Sumpf-Gänsedistel oder die Walzen-Segge. In der Alten Süderelbe leben zudem gefährdete Fischarten, wie der nachtaktive Schlammpeitzger, der sich tagsüber in den Schlamm der Gewässersohle eingräbt. Die gefährdete Beutelmeise bewohnt Weidengebüsche und Ufergehölze an großen Flussläufen, Bächen oder Altwässern. Ihre Nesthöhlen aus Pflanzenwolle, Tierhaaren und Blattfasern, an den äußeren Astspitzen von Bäumen und Büschen sind auch im Naturschutzgebiet Vollhöfner Weiden leicht zu erkennen. Ebenso besitzen der leuchtend bunte in der „Alten Süderelbe“ fischende Eisvogel und viele Buntspechte einen hohen Wiedererkennungswert.

In den Vollhöfner Weiden konnten auch die streng geschützten Fledermausarten Kleinabendsegler, Großer Abendsegler, Zwergfledermaus, Mückenfledermaus, Rauhautfledermaus, Wasserfledermaus und Breitflügelfledermaus gefunden werden. Da die Fläche ungenutzt ist, erhöht sich der Wildnis-Charakter und befördert die Anzahl an Quartierbäumen für die Fledermäuse. Die Vollhöfner Weiden bilden mit ihrer komplexen Biotopstruktur einen Ganzjahreslebensraum für Fledermäuse und sind durch die Elbnähe wichtig für durchziehende Fledermausarten.

Zudem sind aus den Vollhöfner Weiden zahlreiche seltene und gefährdete Käferarten bekannt, darunter auch zwei sogenannte „Urwaldrelikt-Arten“: der Stutzkäfer Abraeus parvulus und der Kurzflügler Quedius truncicola. Der mulmbewohnende Abraeus parvulus ist in Hamburg außer aus den Vollhöfner Weiden nur noch aus dem Naturschutzgebiet „Die Reit“ bekannt. Außerdem wurden viele typische Auwald-Arten, seltene Käferarten mit ihrem Verbreitungsschwerpunkt in der Elbtalaue und Käfer, die Ameisennester bewohnen, gefunden.

Pressemitteilung Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA)


Langjähriger Protest kommt zum Erfolg: Vollhöfner Wald wird erstes Prozessschutzgebiet Hamburgs

Der Hamburger Senat hat am 18. Februar die Ausweisung des Naturschutzgebiets Vollhöfner Weiden und damit den dauerhaften Schutz des Vollhöfner Waldes (kurz Völli) beschlossen. Eine historische Entscheidung, denn erstmals wird hierfür eine etwa 70 Hektar große Fläche dauerhaft aus dem Hafennutzungsgebiet genommen. „Die Ausweisung der Vollhöfner Weiden als Naturschutzgebiet ist ein großer Erfolg für den Naturschutz in Hamburg und für uns als Umweltverband“, erklärt Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg. „Der NABU hat sich seit Jahren dafür eingesetzt, dass dieser artenreiche Auwald erhalten bleibt. Dass die Natur nun erstmals Vorrang vor der Hafenentwicklung hat, unterstreicht, wie wertvoll dieser Wald mitten im Hafen ist.“

Die Vollhöfner Weiden sind das erste Prozessschutzgebiet im Hamburger Stadtgebiet: Die wertvollen Laub- und Auwälder im neuen Naturschutzgebiet können sich ohne direkte menschliche Einflüsse und ohne forstwirtschaftliche Nutzung entwickeln. Hier finden viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum, wie z.B. Kleinspecht und Mückenfledermaus. Herausragende Bedeutung hat der Wald auch für Käfer. „Es konnten zwei Urwaldrelikt-Arten im Vollhöfner Wald nachgewiesen werden”, erläutert Frederik Schawaller, Leiter der NABU-Gruppe Süd. „Diese Arten stellen hohe Ansprüche an ihren Lebensraum. Nur in ursprünglichen Wäldern mit hohem Totholzanteil können sie leben. Ihr Vorkommen hebt die besondere Bedeutung des Waldes hervor.”

Hintergrund:

Mit der Hafenplanungsverordnung Altenwerder West wurde 2016 die Erschließung des Areals Vollhöfner Weiden beschlossen. Der Wald mit mindestens 23.000 Bäumen sollte für neue Logistikhallen gerodet werden.

Über 10 Jahre hat der NABU Hamburg sich ehrenamtlich für den Erhalt des Vollhöfner Waldes eingesetzt. Die Kampagne „Völli bleibt” hat maßgeblich zur nun erfolgten Naturschutzgebietsausweisung geführt. Über 15.000 Menschen folgten im Jahr 2019 einem NABU-Aufruf und forderten den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher auf, das Gebiet Vollhöfner Weiden (Völli) zu erhalten. Weitere öffentlichkeitswirksame Presseaktionen erhöhten den Druck auf die Politik. Der rot-grüne Senat nahm daraufhin 2020 die Prüfung einer Unterschutzstellung der Vollhöfner Weiden in den Koalitionsvertrag auf. 2023 wurde angekündigt, dass das Gebiet als nunmehr 38. Hamburger Naturschutzgebiet ausgewiesen werden soll. Grundlage dafür bildete ein Senatsbeschluss sowie eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Politisch möglich wurde die Ausweisung durch das Engagement des scheidenden Umweltsenators Jens Kerstan und durch das Entgegenkommen von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard.

Pressemitteilung NABU Hamburg


BUND zur Ausweisung des Naturschutzsgebietes Vollhöfner Wald: „Eine ganz besondere Wildnis erhalten“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hamburg begrüßt die Entscheidung des Hamburger Senats, den Vollhöfner Wald aus dem Hafengebiet zu entlassen und unter Naturschutz zu stellen. Damit wird ein wertvolles Waldgebiet mit einzigartiger Biodiversität dauerhaft geschützt. Gleichzeitig schmälern die geplanten Naturverluste in Altenwerder diesen Erfolg.

Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg, erklärt: „Dieser wild aufgewachsene Wald hat einen herausragenden ökologischen Wert und verdient den Schutzstatus. Hier können Bäume ungestört wachsen und vergehen, wodurch eine natürliche Dynamik erhalten bleibt. Der Vollhöfner Wald bietet Lebensraum für zahlreiche Insekten, Vögel, Pilze und Amphibien. Besonders der Prozessschutz, also der Schutz der natürlichen Entwicklung des Waldes ohne menschliche Eingriffe, ist für dieses Gebiet genau das Richtige.“

Allerdings sieht der BUND Hamburg die Entscheidung auch kritisch, da im Gegenzug ökologisch wertvolle Flächen in Altenwerder in Gefahr sind. Die Gebiete Altenwerder Kirchtal und Altenwerder Bullerrinne, die mit dem Vollhöfner Wald vergleichbare naturschutzfachliche Qualitäten aufweisen, sollen industriellen Nutzungen weichen. Dies bedeutet eine weitere Versiegelung wertvoller unversiegelter Flächen im Hafenbereich.

„Die Rettung des ‚Völli‘ ist ein großer Erfolg für die Umweltbewegung“, so Sommer. „Doch die Freude wird getrübt, wenn gleichzeitig hochwertige Naturflächen in Altenwerder geopfert werden. So gewinnen wir unterm Strich nicht viel für den Naturhaushalt. Die verbliebenen unversiegelten Flächen sind essenziell als Biotopinseln und Trittsteine für wandernde Arten. Der fortschreitende Flächenfraß im Hafen muss gestoppt werden.“

Der BUND Hamburg appelliert an die Verantwortlichen, nicht nur den Vollhöfner Wald zu schützen, sondern auch die letzten ökologisch wertvollen Flächen im Hafengebiet zu bewahren und langfristige Lösungen für den Erhalt der Natur in Hamburg zu entwickeln.

Pressemitteilung BUND Hamburg


Völli ist offiziell Naturschutzgebiet
Sparr: „Das ist der grüne Fortschritt, den Hamburg braucht“

Die Vollhöfner Weiden sind nun offiziell Hamburgs 38. Naturschutzgebiet. Mit dem heutigen Senatsbeschluss wird eine bereits 2023 getroffene Entscheidung endgültig umgesetzt. Die Grüne Fraktion Hamburg begrüßt diesen großen Erfolg für den Naturschutz und sieht darin ein starkes Zeichen für die Sicherung wertvoller tierischer Lebensräume in der Hansestadt. Diese finale Umsetzung – kurz vor Ende der Legislatur – ist ein von grüner Seite hart erkämpfter und wichtiger Schritt in der Umwelt- und Klimapolitik, der maßgeblich auf den energischen Einsatz von Umweltsenator Jens Kerstan zurückgeht.

Dazu Ulrike Sparr, umweltpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion: „Der Völli bleibt! Das ist jetzt amtlich. Mit der offiziellen Ausweisung als Naturschutzgebiet geht ein jahrelanger Kampf vieler Engagierter zu Ende, die sich mit Herzblut für diesen einzigartigen Wald eingesetzt haben. Ihnen und unserem Umweltsenator Jens Kerstan gilt mein ausdrücklicher Dank. Dass dieser Beschluss nun auf den letzten Metern der Legislatur umgesetzt wird, zeigt: Gute Umweltpolitik braucht einen langen Atem – und den haben wir als Grüne! Trotz harter Widerstände haben wir unser Versprechen gehalten und wertvolle Natur für kommende Generationen gesichert. Dabei denken wir natürlich auch den Klimaschutz mit: Während der Völli als unberührte Wildnis im Hafen erhalten bleibt, treiben wir gleichzeitig den Ausbau der Windenergie in Hamburg konsequent voran. Fünf neue Windkraftstandorte im Hafen zeigen, wie Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung Hand in Hand gehen können. Das ist der grüne Fortschritt, den Hamburg braucht – und ein doppelter Erfolg für die Umwelt und Zukunft unserer Stadt.“

Pressemitteilung Grüne Bürgerschaftsfraktion

Dieser Beitrag wurde unter Natur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.