Praxistest dient als Grundlage zur Umrüstung der gesamten städtischen Flotte und soll weitere private Unternehmen motivieren
Seit Jahren setzt sich Hamburg bundesweit als treibende Kraft für die verbindliche Einführung von Abbiegeassistenzsystemen bei Lkw ein und geht nun mit einer eigenen Initiative voran:
Am Freitag stellten Innensenator Andy Grote und Verkehrssenator Michael Westhagemann ein Pilotverfahren vor, an dem sich zahlreiche Behörden, städtische Unternehmen und private Firmen beteiligen.
Trotz unterschiedlichster Präventionsmaßnahmen führen Abbiegeunfälle zwischen Lkw und anderen Verkehrsteilnehmern immer wieder zu schwerwiegenden Folgen. Technische Abbiegeassistenten können hier helfen Leben zu retten: Denn sie sorgen in vielen Fällen dafür, dass der Lkw-Fahrer auf Personen im sogenannten toten Winkel rechtzeitig aufmerksam wird. Nach einem Bericht der Unfall-forschung der Versicherer könnten rund 60 Prozent der tödlichen Abbiegeunfälle mit Lkw-Beteiligung durch Abbiegeassistenzsysteme verhindert werden.
Als bundesweit treibende Kraft setzt sich Hamburg seit Jahren für die verpflichtende Einführung entsprechender Systeme ein. Unter dem Vorsitz Hamburgs forderte die Verkehrsministerkonferenz den Bund auf, seine Aktivitäten zu intensivieren, um zukünftig EU-weit solche Systeme für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen verpflichtend vorzuschreiben. Darin enthalten war auch die Forderung, Bestandsfahrzeuge entsprechend nachzurüsten und dafür entsprechende Fördermittel bereitzustellen.
Dafür macht sich Hamburg auch weiterhin stark und geht jetzt mit einer eigenen Initiative voran:
Im Rahmen eines Pilotprojektes werden ab März drei am Markt erhältliche Abbiegeassistenzsysteme getestet. Dabei handelt es sich um Geräte der Hersteller Brigade Elektronik GmbH, Luis Technologie GmbH und Wüllhorst Fahrzeugbau. Alle drei Hersteller erfüllen die Empfehlungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).
An dem behördenübergreifenden Pilotverfahren des Landesbetriebs Verkehr (LBV) sind insgesamt 18 Fahrzeuge unterschiedlicher Fahrzeugtypen von Hamburger Behörden, öffentlichen Unternehmen und Firmen aus der Privatwirtschaft beteiligt. Berücksichtigt wurden dabei ausgewählte Nutzfahrzeuge ab dem Baujahr 2010 mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen, die monatlich mindestens 500 Kilometer im Hamburger Stadtverkehr unterwegs sind. Für die Teilnahme erhalten die öffentlichen sowie die privaten Unternehmen einen Zuschuss von 1.000 Euro. Die Kernverwaltung erhält die Kosten in voller Höhe erstattet. Die Gesamtkosten der Pilotierung von rund 30.000 Euro für Beschaffung und Einbau trägt der LBV.
Die Dauer des Pilotprojektes ist auf sechs Monate angelegt. Nach jeweils zwei Monaten werden auf Basis einer Befragung Zwischenergebnisse ermittelt. Das Statistikamt Nord übernimmt die Auswertung und übermittelt die Ergebnisse anschließend dem LBV. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen im
Anschluss als Entscheidungsgrundlage für die weitere Umrüstung städtischer Nutzfahrzeuge. Zudem sollen auch für die Privatwirtschaft Anreize geschaffen werden, Fahrzeuge entsprechend umzurüsten.
Teilnehmer am Pilotprojekt:
1. Behörden:
– Behörde für Inneres und Sport (Polizei/Feuerwehr)
– Behörde für Kultur und Medien (Thalia Theater)
– Justizbehörde
– Bezirksamt Wandsbek
– Bezirksamt Altona
– Bezirksamt Mitte
– Bezirksamt Nord
– Bezirksamt Harburg
2. Städtische Unternehmen:
– Hamburg Wasser
– Hamburger Friedhöfe
– Hamburger Stadtreinigung
3. Private Unternehmen:
– Dachser
– Bursped
– Zoder
Innensenator Andy Grote: „Wir müssen bei der Ausrüstung von Fahrzeugen mit Abbiegeassistenten endlich vorankommen und können nicht noch Jahre warten, bis auf EU-Ebene eine verpflichtende Einführung geregelt wird. Gerade weil wir in Hamburg den Radverkehr weiter ausbauen, müssen wir für möglichst sichere Rahmenbedingungen sorgen. Daher gilt es alle Möglichkeiten zu nutzen, die wir haben. Mit dem Pilotprojekt legen wir die Grundlage für eine schnellstmögliche Umrüstung der städtischen Lkw-Flotte und setzen auf eine Initialwirkung auch in die Privatwirtschaft, um möglichst viele Unternehmen für die Umrüstung ihrer Flotte zu gewinnen.“
Verkehrssenator Michael Westhagemann: „Wir wollen die schwächeren Verkehrsteilnehmer mit diesem Projekt besser schützen. Die Stadt Hamburg geht mit gutem Beispiel voran. Auch zahlreiche Hamburger Unternehmen beteiligen sich bereits und haben Fahrzeuge nachgerüstet. Die fünf Millionen Euro Förderung des Bundes sind jetzt schon überzeichnet und werden bei weitem nicht ausreichen. Die Mittel müssen dringend aufgestockt werden, wenn man es ernst meint. Es wäre außerdem gut, wenn Lkw künftig serienmäßig mit Abbiegeassistenzsystemen ausgestattet würden.“
Pressemitteilung Behörde für Inneres und Sport / Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation
Pilotprojekt zur Einführung von Abbiegeassistenten – Bill: „Verkehrssicherheit hat für uns oberste Priorität“
In Hamburg werden die ersten Abbiegeassistenten für städtische Lkw in Betrieb genommen. Mit dem heute vorgestellten Pilotprojekt wird ein Bürgerschaftsantrag (21/13246) der rot-grünen Regierungsfraktionen umgesetzt.
Dazu Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Verkehrssicherheit hat oberste Priorität in der Grünen Verkehrspolitik. Abbiegeassistenten sind wichtige technische Einrichtungen, um die oftmals tragischen Unfälle mit abbiegenden Lkw zu vermeiden. Deshalb haben wir in Hamburg die Bundesregierung gedrängt, alles zu unternehmen, damit diese verpflichtend eingeführt werden. Leider sind wir davon noch weit entfernt. Meiner Ansicht nach besteht aber dringender Handlungsbedarf. Deshalb werden wir jetzt auf Landesebene selbst tätig und führen erstmals bei 18 Fahrzeugen aus dem städtischen Fuhrpark Abbiegeassistenzsysteme ein. Darunter sind vier Fahrzeuge aus der Behörde für Umwelt und Energie – namentlich der Stadtreinigung, Hamburg Wasser und der Hamburger Friedhöfe. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt – dabei darf es aber nicht bleiben. Wir wollen perspektivisch den gesamten Fuhrpark der Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht umrüsten. Abbiegeassistenten können Leben retten. Deshalb sollten sie zwingend bei jedem Lkw Pflicht sein. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.“
Hintergrund
Immer wieder ereignen sich tragische Unfälle weil abbiegende Lkw-Fahrer Radfahrende übersehen. Abbiegeassistenzsysteme können solche Unfälle vermeiden helfen. Hamburg war in der Vergangenheit bundesweit Vorreiter und drängte über die Verkehrsministerkonferenz auf die Einführung solcher Abbiegeassistenzsysteme. Für die verpflichtende Einführung sind allerdings europaweite Regelungen notwendig, die kurzfristig nicht umsetzbar sind. Deshalb hat die Bürgerschaft auf Initiative von Grüne und SPD beschlossen zu prüfen, ob schon vor der verpflichtenden Einführung von Abbiegeassistenzsystemen der städtischen Fuhrpark entsprechend nach- bzw. neu ausgestattet werden kann. In dem nun gestarteten Pilotprojekt wurden 18 Fahrzeuge aus dem städtischen Fuhrpark mit einem Abbiegeassistenzsystem ausgestattet.
Pressemitteilung GRÜNE Bürgerschaftsfraktion Hamburg
Senat stellt Pilotprojekt zur Einführung von Abbiegeassistenten vor: „Hamburg nimmt Vorreiterrolle ein“
Heute haben Innensenator Andy Grote und Verkehrssenator Michael Westhagemann das Pilotprojekt zur Nachrüstung städtischer Nutzfahrzeuge mit Abbiegeassistenzsystemen vorgestellt.
Dazu Dorothee Martin, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Lkw-Abbiegeunfälle sind in ihren Folgen besonders schwerwiegend. Das hat der Unfall am Holstenkamp einmal mehr auf tragische Weise bewiesen. Rund 60 Prozent solcher Unfälle können durch Abbiegeassistenzsysteme vermieden werden. Mit großem Nachdruck haben wir uns deshalb in der Vergangenheit für eine EU-weit verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenzsystemen sowie für nationale Förderprogramme zur freiwilligen Nachrüstung von Nutzfahrzeugen eingesetzt, und zwar nicht erst für ab 7,5 Tonnen Gesamtmasse, sondern schon ab 3,5 Tonnen. Die Bürgerschaft hat mehrere entsprechende Initiativen der Regierungskoalition beschlossen. Der Senat hat in der Zeit seines Vorsitzes in der Verkehrsministerkonferenz das Thema energisch vorangetrieben und so bundespolitisch Akzente setzen können. Leider wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die nötigen EU-Regelungen wirksam werden. Wir müssen daher auch auf Landesebene alle Möglichkeiten ausschöpfen, um LKW-Abbiegeunfälle zu vermeiden und die Zeit zu überbrücken, bis die Abbiegeassistenzsysteme endlich EU-weit verpflichtend eingeführt sind. Mit der heute vorgestellten Initiative zur Umrüstung städtischer Nutzfahrzeuge nimmt Hamburg bei dem Thema einmal mehr eine Vorreiterrolle ein und setzt einen rot-grünen Bürgerschaftsantrag aus 2018 um.“
Hintergrund:
Für die verpflichtende Einführung von LKW-Abbiegeassistenzsystemen sind EU-Typengenehmigungsvorschriften nötig, die zwar in Arbeit sind, aber voraussichtlich nicht vor 2022 in Kraft treten werden. Deshalb sind Maßnahmen zur Überbrückung erforderlich.
Pressemitteilung SPD-Bürgerschaftsfraktion