Störungen durch Nachtflüge am Hamburg Airport stärker als 2019 / Luftverkehr bleibt insgesamt mit 80 % hinter 2019 zurück
Die Hamburger Umweltbehörde hat Zahlen des Flugverkehrs nach 23 Uhr veröffentlicht. In der regulären Zeit der Nachtruhe ist die Gesamtzahl der Starts und Landungen zum 31. Mai 2023 auf 242 Flüge angestiegen. Hinzuzurechnen sind noch drei Flüge nach 24 Uhr, die nur mit Einzelausnahmegenehmigungen erlaubt wurden und gesondert gezählt werden.
Im Mai 2023 explodierte die Zahl der Verspätungen nach 23 Uhr regelrecht. Zu den bis 30. April gezählten 123 verspäteten Flügen nach 23 Uhr kamen allein im Mai 119 weitere Verspätungen dazu.
„Mit 242 Verspätungen wird für 2023 das Belastungsniveau des Referenzjahres 2019 überschritten. Der Unterschied zur Zeit vor Corona ist, dass die Verkehrszahlen insgesamt aktuell gerade 80 Prozent des Flugbetriebes von 2019 erreichen. Den Menschen rund um den Hamburger Flughafen und bis weit in den Flugschneisen im Umland wird in der Nachtzeit durch Verspätungen ein unerträgliches Belastungsmaß aufgebürdet. Ich schaue mit großer Sorge auf den anstehenden Sommerflugverkehr“, stellt Martin Mosel, Vorsitzender des BIG | Dachverband der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. in Hamburg, besorgt fest.
Politik und Fachbehörden sehen dieser Entwicklung tatenlos zu und lassen den Flughafen uneingeschränkt gewähren. „Völlig unverständlich“, so Mosel. „Der berechtigte Anspruch auf Lärmschutz in der Nacht steht nicht im Fokus der Stadt.“
„Seit Jahren des gemeinsamen Wirkens können die Initiativen und Betroffenen keine substanzielle Entlastung beim Fluglärm verzeichnen. Einzelne Lichtblicke verblassen in der mehrjährigen Gesamtbetrachtung. Selbst bei deutlich verringerten Verkehrszahlen, wie aktuell, sind Flughafen und Behörden, vorneweg die zuständige Wirtschaftsbehörde, nicht Willens und in der Lage, die Verspätungssituation in den Griff zu bekommen. Eine nachhaltige Entlastung beim Fluglärm und besonders bei den Verspätungen in der Nacht ist so nicht absehbar“, resümiert Mosel.
Die Forderung der Hamburger Fluglärmschutzkommission vom letzten Jahr, die Verspätungsregelung zu verschärfen, ist von der Hamburger Politik freundlich zur Kenntnis genommen und ohne weitere Maßnahmen ad acta gelegt worden. Aus dem politischen Raum gibt es zwar vereinzelte Signale, „um 23 Uhr muss Schluss sein“, doch zu mehr als zu Lippenbekenntnissen haben sich die verantwortlichen Parteien und Behörden bislang nicht aufgerafft.
„Wir erwarten bei dieser Entwicklung und vor dem Hintergrund des NATO-Manövers „Air Defender“, dass Politik und Verwaltung nicht über Lockerungen des Nachtflugverbots nachdenken, sondern durchgreifende und nachhaltige Maßnahmen zur Verringerung der Belastungen durch nächtliche Starts und Landungen auf den Weg bringen.“, meint der BIG-Vorsitzende Mosel. „Denn eins gilt immer: Nachts ist Ruhe!“
Pressemitteilung BIG | Dachverband der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. (BIG-Fluglärm Hamburg)
Kein Freischein für Airlines wegen Natomanöver
BUND fordert: Keine Ausnahmen vom Nachtflugverbot / keine Klassenarbeiten ohne ausreichende Nachtruhe / Senatoren Kerstan und Rabe in der Pflicht
Laut Behördeninformation will die Hamburger Wirtschaftsbehörde (BWI) während des Nato-Manövers Air Defender vom 12. bis zum 23. Juni die von 23 Uhr bis 6 Uhr morgens geltenden Nachtflugbeschränkungen am Hamburger Flughafen weitgehend außer Kraft setzen. Die Zuständigkeit für den Lärmschutz am Airport liegt bei Umweltsenator Jens Kerstan.
Dazu Sabine Sommer, Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hamburg e.V.):
„Ausgerechnet in der Zeit vor den Sommerferien, in der die letzten Klassenarbeiten im Schuljahr geschrieben werden, will der Hamburger Senat zulassen, dass Tausenden Schülerinnen und Schülern in den Einflugschneisen des Flughafens der Schlaf geraubt wird. Und das obwohl bereits die derzeitige Belastungssituation rund um den Flughafen wieder eine unerträgliche Dimension für alle Menschen erreicht hat. Allein im Mai gab es rund 120 Verspätungsflüge zwischen 23 und 24 Uhr.“
„Das Nato-Manöver wird seit rund drei Jahren geplant und spätestes seit Februar dieses Jahres wissen die Fluggesellschaften, wann in welchen Lufträumen Einschränkungen oder Flugverbote gelten. Es hätte klare politische Vorgaben geben müssen, dass Passagiere bereits beim Ticketkauf darüber informiert werden, dass der Rückflug ggf. in Frankfurt oder München endet und die Heimreise nach Hamburg mit der Bahn angetreten werden muss“, so Sommer weiter.
Der BUND fordert Umweltsenator Jens Kerstan auf, dem Drängen der Wirtschaftsbehörde nicht nachzugeben und aufgrund des Manövers nicht eine Ausnahme von den Nachtflugbeschränkungen zu genehmigen. Vielmehr müssten bereits die bestehenden Überschreitungen massiv reduziert werden. Wenn dies nicht gewährleistet sei, müsse zumindest die Schulbehörde tätig werden und die Schulen anweisen, im Manöverzeitraum keine einzige Klassenarbeit zu schreiben.
„Genau jetzt werden die letzten Arbeiten geschrieben, die für die Jahresnote oft den Ausschlag geben. Unsere Kinder waren bereits in der Corona-Zeit die Leidtragenden, jetzt wird ihnen auch noch die Nachtruhe wegen des Manövers geraubt“, so die BUND-Vorsitzende.
Pressemitteilung BUND Hamburg