Der individuelle Zuckerkonsum in Deutschland liegt deutlich über der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die negativen Folgen eines überhöhten Zuckerkonsums sind wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen. Früh erworbenes Übergewicht kann Adipositas und weitere ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes II und Karies zur Folge haben.
Insbesondere Kinder und Jugendliche gehören zu den anfälligen Bevölkerungsgruppen. Vertreter und Vertreterinnen aus Politik, Medizin, Gesundheits- und Verbraucherschutzverbänden sind der Einladung der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) gefolgt und diskutierten auf dem Hamburger Fachtag unter dem Motto „Bitte nicht zu süß“ Maßnahmen für eine gesamtgesellschaftliche Strategie zur Zuckerreduktion in Deutschland. Ein Schwerpunkt bildete dabei die Gesundheitsförderung bei Kindern und jungen Erwachsenen.
Jeder zweite erwachsene Deutsche wiegt zu viel. Das steigert das Risiko für Bluthochdruck, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Diabetes. Einen großen Anteil an Übergewicht hat zu viel Zuckerkonsum. Aber auch wer versucht, Süßigkeiten bewusst zu vermeiden, kommt ungewollt durch den Verzehr von Fertigprodukten spielend auf das Vierfache der empfohlenen Tagesdosis Zucker. Besonders in Kinderprodukten steckt eine Menge Zucker. Bei Kindern und Jugendlichen kann das ständige „Versüßen“ von Lebensmitteln früh ein ungesundes Ernährungsverhalten prägen. Studien zeigen, dass über 90 Prozent der Eltern den Zuckergehalt z. B. in einem handelsüblichen Fruchtjoghurt deutlich unterschätzen. In Hamburg haben heute fünf Prozent der Kinder bei ihrer Einschulung so starkes Übergewicht, dass sie als adipös gelten. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte geht davon aus, dass mittlerweile 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig sind.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks: „Es gehört heute leider zur Normalität, dass gerade Fertigprodukte und Getränke hohe Zuckeranteile enthalten. Gesundheitsbewusste Ernährung wird den Menschen sehr schwer gemacht, denn oftmals suggerieren Produkte, gesund zu sein, sind aber eigentlich Zuckerbomben und tarnen die Süßungsmittel im Kleingedruckten. Um den Zucker im alltäglichen Speiseplan zu reduzieren, brauchen wir wirksame Maßnahmen und mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Auf Selbstverpflichtungen und den guten Willen der Industrie zu setzen, wie die Bundesregierung es tut, reicht nicht aus. Wir sollten endlich auch in Deutschland eine Nährwertampel auf Lebensmittelverpackungen einführen und irreführende Werbung, die gesüßte Kinderprodukte als gesund verkauft, untersagen. Zucker in Babynahrung sollte verboten werden, für Fertiglebensmittel und Getränke müssen verbindliche Zucker-Reduktionsziele festgelegt werden.
Die höhere Besteuerung von Tabak und Alkopops hat gezeigt, dass damit der Konsum schnell und deutlich gesenkt werden konnte. Deshalb spreche ich mich für die Einführung einer Zuckersteuer aus. Langfristig müssen wir unsere unsystematisch gewachsenen Umsatzsteuer-Regeln überarbeiten und gezielt gesunde Lebensmittel niedriger besteuern.“
Auch der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Hoyer, Privatdozent Dr. Tobias Effertz von der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität Hamburg und verschiedene Vertreterinnen und Vertreter aus Ernährungswissenschaft, Verbraucherschutz und Pädagogik haben sich auf dem Hamburger Strategietag für verbindliche Maßnahmen zur Reduzierung des Zuckergehalts in Lebensmitteln, eine Nährwertampel und Zuckersteuer ausgesprochen.
In Hamburg engagieren sich schon jetzt viele Kindertagesstätten (KiTas) und Schulen für eine zuckerreduzierte, gesunde Ernährung: Die Richtlinien für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen verpflichten die Träger, ein ausreichendes und ausgewogenes Nahrungsangebot auf der Basis der aktuellen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse bereitzustellen. Ebenso achten die KiTas schon heute auf die ausreichende Versorgung mit zuckerfreien Getränken. Für alle an Hamburger Schulen tätigen Caterer ist der Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verpflichtend einzuhalten.
Hamburg will seine Schulen und KiTas bei ihren Bemühungen Zucker zu reduzieren, künftig noch mehr unterstützen. Deshalb haben die beteiligten Behörden eine Hamburgische Zuckerreduktionsstrategie erarbeitet, in deren Zuge weitere Maßnahmen umgesetzt werden: So soll Trinkwasser in allen KiTas und Schulen kostenlos verfügbar sein. Zudem soll bis 2021 auf die Ausgabe von gezuckerten Getränken in KiTas ganz verzichtet werden. Darüber hinaus ist geplant, zuckergesüßte Milchgetränke aus der Schulmilchförderung herauszunehmen. Die Schulbehörde wird schrittweise Trinkwasserbrunnen an Schulen einführen und darauf hinwirken, dass weniger zuckergesüßte Getränke angeboten werden. Dazu wird sie die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Kinder sowie Caterer für das Thema weiter sensibilisieren. Die Maßnahmen sollen bis 2021 evaluiert und weiter ausgebaut werden.
Es ist belegt, dass eine gezielte Besteuerung von ungesunden Lebensmitteln sich positiv auf das Ernährungsverhalten auswirkt: Nachdem die Politik 2004 die bei Jugendlichen beliebten Mischgetränke „Alkopops“ mit einer Sondersteuer belegte, sank der Absatz binnen eines Jahres um 80 Prozent. Auch der Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es möglich ist, die Industrie zu einer Senkung des Zuckergehalts in Lebensmitteln zu veranlassen: durch spezifische, zeitgebundene Zielvorgaben für die Zuckerreduktion und eine erläuternde Kennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen – z. B. in Form einer Lebensmittelampel. Andere Länder haben bereits gesetzliche Vorschriften eingeführt, etwa zur Besteuerung zuckerhaltiger Getränke oder zur Einschränkung der Vermarktung stark zuckerhaltiger Produkte an Kinder. Die Beispiele aus Frankreich und Großbritannien zeigen, dass nach der höheren Besteuerung die Zuckergehalte innerhalb von ein bis zwei Jahren um bis zu 65 Prozent gesunken sind.
Weitere Informationen stehen unter www.hamburg.de/weniger-zucker bereit.
Pressemitteilung der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz