Vermeintlicher Abschluss der Elbvertiefung ist Augenwischerei / BUND, NABU und WWF fordern Neuausrichtung der Hafenpolitik
Der Hamburger Senat hat heute die Elbvertiefung offiziell für abgeschlossen erklärt und die volle Tiefe in der Fahrrinne freigegeben. Die im Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe zusammengeschlossenen Umweltorganisationen BUND, NABU und WWF kritisieren die Freigabe als Augenwischerei und weisen auf den dramatisch schlechten Zustand der Elbe hin.
„Heute ist kein Tag zum Feiern. Die freigegebene Tiefe ist aufgrund der Verschlickung faktisch nicht vollständig nutzbar. Das Ökosystem Elbe wurde für die Vertiefung verraten und verkauft“, erklären die Verbände.
„Die Stadt Hamburg hat sich mit der Elbvertiefung gnadenlos verkalkuliert. Die heutigen Feierlichkeiten zelebrieren eine rückständige Hafenpolitik. Statt zu feiern bräuchten wir dringend eine öffentliche und transparente Analyse der Situation unter Berücksichtigung der tatsächlichen ökonomischen und ökologischen Kosten der neuesten Elbvertiefung“, fordern die Umweltorganisationen. „Dabei müssen auch die ausufernden Unterhaltungsbaggerarbeiten berücksichtigt werden.“
Der ökologische Schaden, der für die Vertiefung in Kauf genommen wird, ist enorm: Das Adersystem der Elbe – hier sind neben der ökologisch wertlosen Fahrrinne vor allem die Nebenelben und Flachwasserzonen mit all ihren wertvollen und geschützten Lebensräumen zu nennen – verstopft und verschwindet. Der Zusammenbruch des Stintbestands ist ein Vorbote, wie sich der Zustand des Flusses auch in Zukunft verschlechtern wird. „Die Funktion der Tideelbe als natürlicher Lebensraum wird den Bedürfnissen des Hafens unterworfen“, so die Verbände.
Mit der aktuellen Vertiefung nimmt die Verschlickung noch einmal zu. Trotz aller Bemühungen der Freien und Hansestadt Hamburg und der zunehmenden Verklappung von Sedimenten an neuen Stellen liegt immer noch zu viel davon im Hafen. “Die Stadt Hamburg bekommt das Schlickproblem nicht in den Griff. Es sind ständig Baggerschiffe im Einsatz, um die Fahrrinne auf der entsprechenden Tiefe zu halten. Diese Unterhaltungsbaggerungen schädigen fortlaufend das Ökosystem und kosten die Steuerzahler bereits jetzt jedes Jahr 120 Millionen Euro“, kritisiert das Bündnis. Eine Verklappung am Standort St. Margarethen, die anscheinend ohne Genehmigung durchgeführt wurde, werden die Umweltverbände rechtlich überprüfen lassen. Gleiches gilt für die angestrebte Verbringung von Sedimenten in die Hamburger Außenelbe bei Scharhörn.
Der tatsächliche Mehrwert der vermeintlich verbesserten Erreichbarkeit des Hamburger Hafens kann derweil von Senat und Hafenbehörde nicht einmal exakt bestimmt werden. Fest steht, dass lediglich 1,8 Prozent aller Seeschiffe, die den Hamburger Hafen seit der Freigabe Anfang Mai angelaufen haben, wirklich auf die neue Tiefe angewiesen waren. „Das Festhalten an der Elbvertiefung ist ein Verrat an der Natur. Gelingt kein ökologisch sinnvoller Richtungswechsel in der Hafenpolitik, schaufelt die Stadt der Elbe ihr Grab“, so die Umweltverbände.
Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, NABU und WWF
Neunte Elbvertiefung
Putz: „Wir brauchen eine breite Diskussion und ökologisch verträgliche Ziele“
Mit der heutigen Freigabe der zweiten Ausbaustufe ist die neunte Elbvertiefung baulich offiziell abgeschlossen. Das Projekt bleibt wegen seiner ökologischen Folgen umstritten. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion fordert eine fundierte Diskussion über eine nachhaltige Zukunft des Elbästuars.
Dazu Miriam Putz, hafenpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Was lange währt, ist noch nicht gut. Nachdem die Arbeiten zur Elbvertiefung endlich abgeschlossen werden konnten und die Freigabe der zweiten Ausbaustufe erfolgt ist, hoffen wir angesichts der hohen finanziellen und ökologischen Kosten, dass die vorhergesagten positiven Effekte für die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens nun auch eintreten. Festzuhalten bleibt: Die Arbeiten waren und sind mit erheblichen Belastungen für das Ökosystem Elbe verbunden. Es ist absehbar, dass die erfolgte Vertiefung des Fahrwassers, verschärft durch Effekte der Klimakrise, steigende Sedimentierung im Bereich der Tideelbe zur Folge hat, was zu zusätzlichen Belastungen für das Ökosystem Elbe sowie stark steigenden Kosten der Unterhaltungsbaggerei führt.
Unser Ziel kann daher nur eine länderübergreifende Lösung im Sinne des Naturraums Tideelbe sein sowie der Menschen, die entlang des Flusses leben. Der Erhalt der Schiffbarkeit des Hafens erfordert auch weiterhin erhebliche Aufwendungen von den Hafenbecken bis zur Elbmündung. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion setzt sich daher ausdrücklich für eine fundierte und breite Diskussion über eine nachhaltige Zukunft des Elbästuars ein. Nötig ist eine parteiübergreifende Einigung auf ökologisch verträgliche Ziele für die Unterhaltung der Elbe. Die anzustrebende Kooperation zwischen den deutschen Seehäfen über Ländergrenzen hinweg sollte sich auch an diesen ökologischen Leitplanken orientieren. Wir werden das in die Diskussion um den Hafenentwicklungsplan des Senats einbringen.“
Pressemitteilung GRÜNE Bürgerschaftsfraktion Hamburg
Freigabe 2. Stufe Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe
Die Baggerarbeiten zur abschnittsweisen Vertiefung und streckenweisen Verbreiterung der Fahrrinne sind sowohl im Bereich der Delegationsstrecke als auch im Zuständigkeitsbereich des Bundes seit dem Frühjahr 2021 abgeschlossen. In Anlehnung an die nach der vorangegangenen Fahrrinnenanpassung im Jahr 1999 entwickelten Vorgehensweise hatten sich das Oberhafenamt der HPA und die nautischen Dienststellen des Bundes seinerzeit abgestimmt, dass die verbesserten Tiefgänge in zwei Stufen vorgenommen werden. Zwei Gründe hatten die HPA und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) zu dieser Vorgehensweise veranlasst: Zum einen können unmittelbar nach Abschluss der Baggerarbeiten noch nachlaufende Veränderungen an den Unterwasserböschungen bis in die Fahrrinne hinein auftreten. Zum anderen bot dies die Gelegenheit, dass alle Beteiligten Erfahrungen mit neuen Abläufen sammeln.
Die erste Freigabestufe wurde am 3. Mai 2021 umgesetzt. Die den Hamburger Hafen anlaufenden Großcontainerschiffe können seitdem die Tiefgangverbesserungen etwa zur Hälfte ausschöpfen. Schon diese erste Teilfreigabe hat zu einer signifikant verbesserten Auslastung der Containerschiffe geführt. So haben sich damals bei den weltgrößten Containerschiffen die Tiefgänge für den ein- und ausgehenden Verkehr um bis zu 0,90 m erhöht.
Die Freigabe der 2. Stufe der Fahrrinnenanpassung erfolgt am 24. Januar 2022. Damit ist nun das Vorhabenziel, 13,5 m tiefgehenden Containerschiffen eine tideunabhängige Erreichbarkeit des Hamburger Hafens zu ermöglichen, erreicht. Tideabhängig sind auch größere Tiefgänge möglich. Die ein- und auslaufende Schifffahrt profitiert jetzt im Vergleich zum Zustand vor der Fahrrinnenvertiefung – je nach Schiffsabmessung – von einer Tiefgangerhöhung zwischen 1,00 m und 1,90 m.
Senator Michael Westhagemann: „Der Abschluss der Arbeiten ist ein Meilenstein für den Schiffsverkehr nach Hamburg. Für Deutschlands größten Hafen bedeutet das bessere Anlaufbedingungen, die den Reedereien ermöglichen, mehr Ladung nach Hamburg zu bringen.“
Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt: „Mit der endgültigen Freigabe steht der Schifffahrt jetzt deutlich mehr Tiefgang zur Verfügung. Neben den nautischen Vorteilen bringen die erweiterten Tiefen einen ökonomischen und ökologischen Mehrwert. Denn mehr Tiefe bedeutet eine bessere Auslastung der Schiffe und führt damit zu weniger Emissionen pro transportierter Tonne.“
Um die Vorteile für die Schifffahrt vollumfänglich und dauerhaft nutzen zu können, sind wie üblich planmäßige Unterhaltungsarbeiten erforderlich.
Pressemitteilung Behörde für Wirtschaft und Innovation
Abschluss der Fahrinnenanpassung: „Gute Perspektiven für Hamburgs Hafen und die deutsche Wirtschaft“
Seit heute ist die Fahrinnenanpassung der Elbe offiziell abgeschlossen. Der zulässige Tiefgang für Schiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen, hat sich mit der Anpassung um bis zu 1,90 Meter vergrößert. Damit ist die Fahrrinnenanpassung ein starker Katalysator für die Leistung des Hamburger Hafens.
Dazu Markus Schreiber, hafenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Hamburg: „Der heutige Tag markiert den Abschluss eines sehr langen Ringens um eine der wirtschaftlichen Bedeutung Hamburgs angemessene Fahrrinnenanpassung der Elbe. Mit dem offiziellen Abschluss der Elbanpassung ergeben sich gute Perspektiven für den Hamburger Hafen und die deutsche Wirtschaft. Jetzt wird es darum gehen, die erzielten Fortschritte zu bewahren und den neuen Tiefgang zu erhalten. Das Sedimentmanagement ist Teil des rot-grünen Koalitionsvertrags und bleibt ein Dauerthema, das es gemeinsam mit Hamburgs Nachbarländern und dem Bund zu lösen gilt. Hier tragen alle Elbanrainer gleichermaßen Verantwortung. Über den neuen Hafenentwicklungsplan werden wir sicherstellen, dass sich auch in Zukunft gute Perspektiven für die wirtschaftliche und ökologische Weiterentwicklung des Hafens ergeben. Dazu gehört beispielsweise auch die bilanzielle CO2-Neutralität des Hafens bis 2040.“
Pressemitteilung SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft