Dutzende Baugebiete sind in den letzten 30 Jahren in den Walddörfern verwirklicht worden. Bei vielen gab es so genannte Festsetzungen, mit denen die Reste der ehemals ökologisch wertvollen Acker- und Wiesenflächen und die sie umgebenden Knicks geschützt wurden. Doch wer überprüft, ob Knicks richtig behandelt werden, ob wirklich keine Keller gebaut oder ob die Baugrenzen eingehalten wurden? Erstmals hat die Interessengemeinschaft Immenhorstweg (IGI) jetzt für das Baugebiet Bergstedt 23 eine rechtliche Stellungnahme in Auftrag gegeben.
Über zwei Jahrzehnte haben sich die Bergstedter gegen die Bebauung der ökologisch hoch sensiblen Acker- und Wiesenflächen nördlich und südlich des Immenhorstweges gewehrt. Die damalige CDU Regierung hatte gegen den Widerstand einen reduzierten Bebauungsplan (B-Plan) durchgesetzt. Die Interessengemeinschaft Immenhorstweg fragt sich jetzt, haben die Bauträger alle Festsetzungen eingehalten?
Öffentlicher Protest, Unterschriftensammlungen, zehntausendfach und ein Hamburg weit unterstütztes Bürgerbegehren führten dazu, dass die Planungen des damaligen Bausenators Eugen Wagner (SPD) für eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung auf den nördlichen und südlichen Koppeln dann unter dem damaligem Rot-Grünen Senat (1997-2001) in den Schubladen verschwand. Der politische Wechsel im Jahre 2001 zu einer Regierung aus CDU, Schill Partei und FDP führte dazu, dass mit dem CDU-Konzept einer „Wachsenden Stadt“ alte Pläne wieder auf den Tisch kamen und der damalige Bürgermeister von Beust gegen den Widerstand der Bevölkerung und gegen eindeutige Ergebnisse des Bürgerbegehrens, mit Hilfe einer Evokation den Bürgerwillen aushebelte und ein neuer, gegenüber alten Planungen deutlich reduzierter und schon auf Einwände und Widersprüche reagierender B-Plan 2006 mit der CDU Mehrheit beschlossen wurde (B-Plan Bergstedt 23).
Mittlerweile haben die Bauträger NCC und Frank Heimbau rund 150 Einfamilien- und Reihenhäuser errichtet, der allergrößte Teil davon ist verkauft.
Nach der Fertigstellung fragt sich nun die IGI, ob die Festsetzungen des B-Plans von den Bauträgern NCC und Frank Heimbau eingehalten wurden und an die Käufer und Neubürger vertraglich weiter gegeben wurden. Die IGI hat dazu eine rechtliche Stellungnahme in Auftrag gegeben und deren Ergebnisse der Bezirksverwaltung und dem Hamburger Senat mit der Aufforderung übergeben, eben diese Festsetzungen und deren Einhaltung zu überprüfen.
„Wir wollen nicht nachtreten, schlechtes Gewissen oder Stimmung am Immenhorstweg schüren,“ so Ralf Flechner von der IGI. „Im Gegenteil: wir heißen die Familien im Haindaalwisch, der Aalwischkoppel und am Bocksberg willkommen und wünschen Ihnen, dass sie sich genau so wohlfühlen wie die „Altbürger“ in den umliegenden Straßen. Wir wünschen uns aber auch, dass die über 300 Neubürgerinnen und Neubürger und ihre Kinder verstehen, warum sich Menschen in den Walddörfern und darüber hinaus in ganz Hamburg gegen Naturzerstörung zwischen den Volksdorfer Teichwiesen, dem Timmermoor und dem Naturschutzgebiet Hainesch-Iland gewehrt und für eine nachhaltige Behandlung des nun bebauten Gebietes eingesetzt haben. Und wir wünschen uns, dass sich in dem neuem Wohngebiet ein nachhaltiger Umgang mit den wertvollen Ressourcen am Immenhorst und den anliegenden Naturschutzgebieten durchsetzt.“
In der rechtlichen Stellungnahme der Rechtsanwältin Christina König (Kanzlei Seichter & Seichter) wurden nach einer Begehung Feststellungen zu den Umsetzungen dieser Festsetzungen getroffen. In der 16 Seiten starken Stellungnahme heißt es u.a.:
„….Des Weiteren hat die Ortsbesichtigung ergeben, dass die Knicks im eigentlichen Baugebiet teilweise stark beeinträchtigt bzw. an einigen Stellen auch gar nicht mehr vorhanden sind. Auf einigen Grundstücken sieht es so aus, als würden auch Stellplätze und Carports den vorgeschriebenen Abstand von zehn Metern, mindestens jedoch sieben Metern, zur Grundstücksgrenze nicht einhalten. Besonders auffällig ist zudem, dass sich neben oder auf den Knicks an mehreren Stellen auch Spielhäuser, Spielgeräte und Schuppen befinden. Teilweise wurden auch Knicks gerodet und entgegen der Festsetzung in Nr. 7 des B-Plans nicht durch neue Knickpflanzungen ersetzt. Auch wurden Pflanzen verwendet, die nicht der Pflanzenliste im Anhang der Begründung zum B-Plan entsprechen. Zudem wurden bereits vorhandene Lücken nicht wie vorgeschrieben durch Nachpflanzungen geschlossen…
Die in Nr. 11 festgesetzten Dachbegrünungen der Dachflächen von Garagen sowie Schutzdächern von Stellplatzanlagen waren auf mehreren Dächern zu sehen. Ob jedoch auf allen Garagen und Stellplatzanlagen tatsächlich für Wurzeln durchgängiger Substrataufbau aufgebracht und eine Begrünung erfolgt ist, kann nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls ist von der Straße aus nicht auf allen Dächern eine solche Dachbegrünung zu sehen…”
Ausführlich wird auch eingegangen auf die Tiefe der Kellersohlen, auf vorgeschriebene Neuanpflanzungen, die Einhaltung von Baugrenzen und den Erhalt von Lebensräumen der hier lebenden Vögel.
Die Begrenzung der Versiegelung von Flächen und das Gebot der Versickerung von Oberflächenwasser ist nach Meinung der IGI eines der wichtigsten Punkte der Festsetzungen und muss zwingend eingehalten werden. Die gesamte Fläche südlich des Immenhorstweges ist ein riesiges Wasserreservoir zum Erhalt des angrenzenden Naturschutzgebietes Hainesch-Iland. Der Verlust würde ein weiteres „Trockenfallen“ der Feuchtgebiete im NSG westlich der Bergstedter Chaussee bedeuten.
Im März wurde die „Rechtliche Stellungnahme“ dem Hamburger Senat, dem Leiter des Bezirksamts Wandsbek sowie den Fraktionen der Bürgerschaft übergeben. In dem Begleitbrief an den Bürgermeister fordert die IGI u.a. “…Es existieren Anhaltspunkte dafür, dass nicht alle Festsetzungen des B-Plans vollständig eingehalten worden sind. Auffällig ist insbesondere, dass die im Bereich des Baugebiets befindlichen schützenswerten Knicks teilweise stark beeinträchtigt sind. Die Umsetzung sämtlicher festgesetzter Minderungsmaßnahmen ist jedoch erforderlich, um erhebliche Beeinträchtigungen auf die Erhaltungsziele des angrenzenden Vogelschutzgebietes Hainesch-Iland auszuschließen. Wir möchten Ihnen diese Stellungnahme daher mit der Bitte übergeben, dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der umfangreichen Festsetzungen des B-Plans geprüft und auf eine vollständige Umsetzung hingewirkt wird. Unserer Meinung nach sollte jedenfalls veranlasst werden, dass insbesondere die Bau- und Vorhabenträger (NCC, Frank Heimbau) im Sinne der im B-Plan getroffenen Festsetzungen nachbessern.” (rf)
WUZ-Faktenkasten
Zum Schutz der Umwelt- und Naturfunktion wurden folgende Minderungsmaßnahmen im Bebauungsplan (Gesetz über den Bebauungsplan Bergstedt 23) festgesetzt:
„§ 2: Für die Ausführung des Bebauungsplans gelten nachstehende Vorschriften:
1. Eine Überschreitung der Baugrenzen durch Vorbauten, Erker, Balkone und Loggien kann bis zu 2 m auf einer Breite von jeweils höchstens 4 m zugelassen werden.
2. Eine Überschreitung der Baugrenzen durch nicht überdachte Terrassen kann bis zu 4 m auf einer Breite von jeweils höchstens 7 m zugelassen werden.
3. Die Unterkante der Kellersohle von Kellergeschossen darf höchstens 1,5 m unter der vorhandenen Geländeoberfläche liegen.
4. Dränagen oder sonstige bauliche und technische Maßnahmen, die zu einer dauerhaften Absenkung des Grundwasserspiegels beziehungsweise des Stauwasserspiegels führen, sind unzulässig.
5. …
6. In den mit „Z1“, „Z2“ und „Z3“ bezeichneten Baugebieten ist für je 150 m2 der nicht überbaubaren Grundstücksfläche mindestens ein kleinkroniger, einheimischer und standortgerechter Baum zu pflanzen und dauerhaft zu erhalten. Die Bäume müssen einen Stammumfang von mindestens 12 cm, in 1 m Höhe über Erdboden gemessen, aufweisen. Bei Abgang ist eine gleichwertige Ersatzpflanzung vorzunehmen.
7. Für die zu erhaltenden Bäume, Sträucher und Knicks sind bei Abgang einheimische und standortgerechte Ersatzpflanzungen vorzunehmen. Ersatzpflanzungen und Aufsetzarbeiten an den Knicks sind so durchzuführen, dass der Charakter und Aufbau der Knicks erhalten bleibt. Vorhandene Lücken sind durch Nachpflanzungen zu schließen.
8. Die Flächen des Anpflanzgebots sind mit einheimischen standortgerechten Gehölzen zu bepflanzen. Die Bepflanzung ist zweireihig mit mindestens einer Pflanze je 2 m2 anzulegen. Die Anpflanzung ist dauerhaft zu erhalten. Bei Abgang ist eine gleichwertige Ersatzpflanzung vorzunehmen.
9. Für festgesetzte Einzelbaumpflanzungen sind kleinkronige, standortgerechte einheimische Laubbäume zu verwenden und dauerhaft zu erhalten. Die Bäume müssen einen Stammumfang von mindestens 12 cm, in 1 m Höhe über Erdboden gemessen, aufweisen. Bei Abgang ist eine gleichwertige Ersatzpflanzung vorzunehmen. Von den in der Planzeichnung festgesetzten Anpflanzstandorten können Abweichungen von bis zu 5 m in Nord-Süd-Richtung zugelassen werden.
10. Innerhalb der Flächen für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und Knicks und im Kronenbereich festgesetzter Bäume, Sträucher und Knicks sind Geländeaufhöhungen, Abgrabungen und Ablagerungen, mit Ausnahme der für die Oberflächenentwässerungen, für den Gewässer und Wegebau sowie für den Bau von Siel- und Leitungstrassen erforderlichen Maßnahmen, unzulässig.
11. Dachflächen von Garagen sowie Schutzdächer von Stellplatzanlagen sind mit mindestens 3,5 cm starken, durchwurzelbaren Substrataufbau zu versehen und extensiv zu begrünen. Die Dachbegrünung ist dauerhaft zu erhalten.
12. In den Baugebieten sind Fahrwege in wasser- und luftdurchlässigem Aufbau herzustellen. Stellplätze ohne Schutzdach sind in vegetationsfähigem Aufbau oder Plattenspuren herzustellen.
13. Das von den privaten Grundstücks- und Dachflächen abfließende Niederschlagswasser ist, soweit es nicht versickert beziehungsweise in Speichereinrichtungen gesammelt wird, oberirdisch einzuleiten, sofern ein offenes Entwässerungssystem vorhanden ist.
14. …
15. Für Ausgleichsmaßnahmen werden den mit „Z1“ bezeichneten Wohngebieten Teilflächen des Flurstücks 3044 und das Flurstück 2178 der Gemarkung Bergstedt in einer Größe von 14.800 m2 zugeordnet.
Für Ausgleichsmaßnahmen werden den mit „Z 3“ bezeichneten Wohngebieten Teilfläche der Flurstücke 1315, 1316 und 1264 und das Flurstück 1263 der Gemarkung Bergstedt in einer Größe von 38.875 m2 zugeordnet.
Für Ausgleichsmaßnahmen wird den mit „Z4“ bezeichneten Straßenverkehrsflächen eine Teilfläche des Flurstücks 1627 der Gemarkung Bergstedt in einer Größe von 11.790 m2 zugeordnet.“
(Bericht aus der aktuellen WUZ)
B-Plan Bergstedt23Blatt1 Immenhorst (Quelle: https://gateway.hamburg.de/hamburggateway/fvp/fv/Vermessung/Geoserver/einstieg/wfEinstieg.aspx?page=AllgemeineAuskunft&sid=59 bzw. direkt: http://www.geoportal-hamburg.de/bplan/Bergstedt23Blatt1.pdf)
Fotos:
1 Wiese am Immenhorstweg – jetzt Aalwischkoppel (April 2006)
2 Veranstaltung der IGI Februar 2006
3 + 4 Erschließungsarbeiten Oktober 2007
5 Die SPD Fahrradrundfahrt macht Station am Immenhorst (2006) – jetzt Aalwischkoppel
6 Knick am Immenhorstweg in Höhe der jetzigen Straße Bocksberg vor den Bauarbeiten
7 Ausgelichteter Knick zwischen den Straßen Bocksberg und Aalwischkoppel (November 2007)
8 Knick und Nutzung (dieselbe Stelle) im März 2013
9 Bebauungsplanentwurf (2005 – zum Vergrößern anklicken)
alle Fotos: (c) WUZ