… als fossile Kraftstoffe – sofortiger Ausstieg dringend notwendig
Eine neue Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt, dass pflanzenbasierte Agrokraftstoffe aufgrund ihres enormen Flächenbedarfs noch klimaschädlicher sind als bisher bekannt. Das ifeu-Institut hat ermittelt, dass derzeit mehr als 1,2 Millionen Hektar wertvolle Agrarflächen rund um den Globus für den Anbau von Raps, Getreide & Co. zur Produktion von Agrokraftstoffen für deutsche Diesel- und Benzinautos belegt sind.
Dieser immense Flächenverbrauch macht den angeblichen Klimavorteil von Agrokraftstoff gegenüber fossilem Sprit mehr als zunichte. Denn statt Monokulturen könnte sich auf einer Fläche dieser Größe auch natürliche Vegetation entwickeln, die große Mengen an CO2 bindet. Die DUH fordert deshalb, die Förderung von Agrokraftstoffen in Deutschland und in der EU sofort zu beenden.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Diesel aus Raps, Soja oder Palmöl und Benzin aus Getreide gehören nicht in den Tank. Unsere Studie zeigt: Der Anbau von Pflanzen für die Produktion von sogenannten ‚Bio-Kraftstoffen‘ schadet dem Klima und der biologischen Vielfalt. Viel Platz für Raps- und Getreideanbau für den Tank – allein in Deutschland sind dafür fast 500.000 Hektar Fläche belegt – bedeutet letztlich weniger Platz für natürliche Ökosysteme, die CO2 binden und vielfältige Lebensräume bieten. Der Ausstieg aus Agrokraftstoffen schafft sofort eine spürbare Flächenentlastung. Fruchtbares Ackerland muss für die naturverträgliche Nahrungsmittelproduktion priorisiert und geeignete Flächen, wie etwa entwässerte Moore, müssen konsequent für Renaturierung zur Verfügung gestellt werden. Das ist ohnehin bitter nötig, wenn die Ampel die rechtlich verpflichtenden Ziele für CO2-Senken aus dem Klimaschutzgesetz einhalten will.“
Die Studie ermittelt den Klimavorteil bei alternativer Nutzung der jetzigen Anbauflächen über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die Berechnungen zeigen, dass pro Jahr durchschnittlich 16,4 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden könnten, wenn man auf einer Fläche in Größe der heutigen Anbaufelder natürliche Vegetation wie Wald wieder aufwachsen ließe. Das sind 7,2 Millionen Tonnen CO2 mehr, als die Nutzung von Agrokraftstoffen in Deutschland laut amtlichen Angaben in 2020 eingespart hat. Der sofortige Ausstieg aus Agrokraftstoffen würde in Deutschland und weltweit eine Flächenentlastung schaffen. So könnte dem voranschreitenden Flächenverbrauch entgegengewirkt und mehr Spielraum dafür geschaffen werden, geeignete Flächen an die Natur zurückzugeben.
Die Studie zeigt außerdem, dass sich erneuerbare Antriebsenergie für Fahrzeuge auch ohne immense Flächenverschwendung herstellen lässt: Für die gleiche Kilometerleistung benötigt die Erzeugung von Solarstrom für E-Fahrzeuge 97 Prozent weniger Fläche als die Produktion von Agrokraftstoff für Verbrennerfahrzeuge.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert: „Unsere Studie zeigt: Die gesamte Agrokraftstoffpolitik der letzten 15 Jahre war eine fundamentale Fehlkalkulation. Weder Agrosprit noch andere sogenannte ‚alternative‘ Kraftstoffe machen Verbrenner-Autos klimafreundlich. Solche Scheinlösungen dürfen nicht länger von der Politik gefördert werden. Damit der Ausstieg aus Agrokraftstoffen kein Wiedereinstieg in fossilen Sprit wird, muss das Verbrenner-Aus jetzt verbindlich festgelegt werden: Wir fordern ein EU-weites Ende der Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor bis spätestens 2030 innerhalb der laufenden Revision der europäischen CO2-Flottengrenzwerte.“
Seit 15 Jahren werden Agrokraftstoffe von der EU und Deutschland gefördert, um CO2-Emissionen im Straßenverkehr zu senken und das Klima zu schützen. Das Versprechen können diese Kraftstoffe nicht halten und dürfen deshalb nicht länger als klimafreundlich gewertet werden.
Horst Fehrenbach, Fachbereichsleiter des ifeu-Instituts in Heidelberg, ergänzt: „Agrokraftstoffe zählen bisher als Beitrag zum Klimaschutz, aber unsere Studie zeigt: Die Bilanz hat einen großen blinden Fleck. In Deutschland und weltweit sind riesige Flächen für den Anbau von Agrokraftstoffen belegt. Würde man diese Flächen der Natur überlassen anstatt intensive Landwirtschaft zu betreiben, wäre dem Klimaschutz deutlich mehr gedient als durch den Ersatz von fossilem Sprit.“
Gemeinsam mit den Fridays for Future-Aktivisten Frida Mühlhoff und Jannis Krüßmann startet die DUH heute eine Petition im Rahmen der EU-weiten Kampagne #beyondburning. Diese fordert die EU auf, die Förderung für Agrokraftstoffe und die Förderung für das Verbrennen von Waldholz zur Energieerzeugung insgesamt einzustellen, weil sie die Klimakrise nicht eindämmen, sondern zusätzlich befeuern.
Hintergrund:
Agrokraftstoffe aus Raps, Getreide und Palmöl machen derzeit den bei weitem größten Anteil an nichtfossiler Energie im Verkehr aus. Treibende Kraft dahinter ist die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Quoten für den Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr vorgibt. Da die Anbauflächen für Agrokraftstoffe mit dem Nahrungsmittelanbau konkurrieren, gelten seit kurzem Beschränkungen für Agrokraftstoffe. Zudem wird der Einsatz von Palmöldiesel schrittweise beendet, in Deutschland bereits in 2023. Die neue Studie des ifeu-Instituts im Auftrag der DUH zeigt nun jedoch, dass diese Maßnahmen nicht ausreichend sind, da alle Agrokraftstoffe mit hohen CO2-Opportunitätskosten verbunden sind.
CO2-Opportunitätskosten sind die verpassten natürlichen CO2-Einsparungen auf den eingesetzten Flächen, das heißt die CO2-Menge, die durch die Regeneration von natürlicher Vegetation gebunden werden könnte, wenn keine Pflanzen für Agrokraftstoff angebaut würden. Der Einsatz von Agrokraftstoffen ist demnach klimaschädlich und muss vollständig beendet werden. Auch das Umweltbundesamt stuft die staatliche Förderung von Agrokraftstoffen als eine umweltschädliche Subvention ein. Im Rahmen der derzeit laufenden Revision der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf EU-Ebene kann die Anrechnung von Agrokraftstoffen auf die Quoten für erneuerbare Energie im Verkehr beendet werden.
Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe