Jahresrückblick: BUND Hamburg zieht Bilanz

Das Jahr 2024 war für den BUND Hamburg ein Jahr voller Erfolge und ebenso großen Herausforderungen. Zum Jahresende zieht der Verband eine gemischte Bilanz und wirft einen Blick auf die Highlights und Problemfelder in der Hamburger Politik.

 

Vollhöfner Wald wird Naturschutzgebiet: wichtiger Erfolg für den Naturschutz!

Im Koalitionsvertrag seit 2020 geplant, angekündigt im Sommer 2023, erfolgte nun kurz vor Weihnachten endlich doch noch die Auslegung des Vollhöfner Waldes zum Naturschutzgebiet. Spielen alle Beteiligten mit, kann die Unter-Schutz-Stellung noch vor Ablauf der Legislatur realisiert werden und damit buchstäblich in letzter Minute. Das wäre ein toller Erfolg für den Naturschutz, denn der Vollhöfner Wald ist eine sehr wertvolle Fläche, die sich unberührt von menschlichen Eingriffen in den letzten Jahrzehnten entwickeln konnte. Der BUND hatte sich seit Jahren für den Erhalt des Vollhöfner Waldes engagiert.

Keine Biomasseverbrennung im Heizkraftwerk Tiefstack: eine gute Nachricht für Klima und Biodiversität

Erst kurz vor Weihnachten wurde in einer Pressemeldung der Hamburger Energiewerke bekannt gegeben, dass im Kraftwerk Tiefstack, anders als bisher geplant, nun doch auf die Verbrennung von Biomasse verzichtet werden wird. Stattdessen wird eine Flusswasser-Wärmepumpe deutlich größer geplant als bisher: Eine gute Nachricht zum Jahresende für den Schutz von Klima und der Artenvielfalt – und ein Erfolg für den BUND, der die geplante Verbrennung von Biomasse gemeinsam mit anderen Umweltakteuren wiederholt deutlich kritisiert hatte.

Saubere Gewässer wären möglich: Hamburg schützt seine Gewässer nicht ausreichend

Hamburgs Gewässern geht es teilweise sehr schlecht. Die Stadt schützt Teiche, Bäche und Flüsse als Orte der Biodiversität mit zahlreichen Lebensräumen viel zu wenig. Dabei sind Verbesserungen möglich, wie das Projekt Lebendige Alster von BUND und NABU zeigt. Seit über 12 Jahren schafft das Projekt durch Renaturierungsmaßnahmen neue Lebensräume, z.B. durch Überflutungsräume, Kies- und Holzeinbringungen.

Gerade die innerstädtische Alster ist nicht nur ein beliebter Erholungsräume Hamburgs, sondern auch wichtiger Lebensraum und der einzige Wanderweg für Fische zwischen Alster und Elbe. Natürliche Strukturen und Verstecke fehlen bei gleichzeitig hohem Nutzungsdruck durch den Menschen. Mit seinen Partnern entwickelt der BUND mit dem aktuellen Schwerpunkt auf der Außenalster innovative Strukturelemente wie bepflanzte Inseln oder Gitterkästen aus Edelstahl als Ersatz für fehlende naturnahe Bereiche. Diese bieten heimischen Arten Lebensräume und fördern die Selbstreinigungskraft der Gewässer. Ziel ist, die Alster zu einem gesunden Biotopsystem zu entwickeln.

Ein alarmierendes Gegenbeispiel ist der Zustand der Elbe: Durch die Elbvertiefungen und ununterbrochenen Baggertätigkeiten für die Schifffahrt wurde die Elbe im Sommer 2024 erneut zur Todeszone für Fische und andere Wasserlebewesen – mit über 60 Tagen Sauerstoffmangel! Es fehlen Flachwasserzonen und Ausbreitungsmöglichkeiten in den Seitenarmen, die für die einzigartige Ökologie der Tideelbe lebensnotwendig wären. Für die Schifffahrt gibt es Alternativen, für die Elbe nicht!

Klimaanpassungsstrategie fehlt: Hamburg ist schlecht vorbereitet

Die zahlreichen Starkregenereignisse im Sommer 2024 haben gezeigt, wie wichtig eine klimaangepasste Stadt für den Schutz unserer Lebensgrundlagen bereits heute ist. Doch der Hamburger Senat bleibt die im Koalitionsvertrag versprochene Klimaanpassungsstrategie bis heute schuldig. Der Senat plant sogar weiterhin Bauprojekte in Überschwemmungsgebieten wie an der Kollau, die dringend gebraucht werden, um für die Auswirkungen der Klimakrise gewappnet zu sein.

Um auf die Notwendigkeit der klimaangepassten Stadt hinzuweisen, veröffentlichen die Böll Stiftung und der BUND im Januar 2025 den „Wasseratlas 2025“. Gegenstand ist unter anderem das Konzept der “Schwammstadt”, das am Beispiel von Hamburg vorgestellt wird. Durch ihre Lage an der Elbe hat die Hansestadt jahrhundertelange Erfahrung mit Nutzen und Nachteilen von Wasser. In einigen Pilotprojekten setzt Hamburg erste Schwammstadtelemente um, bis zu einer funktionierenden Schwammstadt ist es aber noch ein weiter Weg. Der Wasseratlas ist ab 13. Januar erhältlich beim BUND und der Böllstiftung Hamburg oder online unter www.bund.net/wasseratlas. Im kommenden Jahr wird es zahlreiche begleitende Veranstaltungen zur Schwammstadt geben.

Rekordzahlen am Amphibienzaun beweist: Maßnahmen haben Erfolg!

Die Populationen aller Amphibien in Hamburg nimmt seit Jahren massiv ab, die Gründe dafür sind vielfältig: Die Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen an Wasser und Land, Verschmutzung und Verluste von Gewässern, versiegelte Flächen als unüberwindliche Hürden für die Wanderungsbewegungen. Auch die Klimakrise mit heißeren und trockeneren Sommermonaten setzt den Amphibien zu. Dennoch handelt die Hamburger Politik nicht ausreichend. An den Volksdorfer Teichwiesen setzt sich der BUND seit Jahren für eine dauerhafte Querungshilfe ein und beweist mit einem mobilen Amphibienzaun, wie erfolgreich eine solche Maßnahme ist. Allein 2024 konnten Aktive des BUND über 3600 Amphibien schützen. In den letzten Jahren konnten diese Maßnahme den Rückgang der Bestände nicht nur aufhalten, sondern sie sogar deutlich steigern.

Die Wieder-Vernetzung von Lebensräumen ist gerade in Gebieten mit vielen Tieren enorm wichtig, um ihre Wanderungen gefährdungsfrei zu ermöglichen. Deshalb fordert der BUND

dauerhafte Querungshilfen über den Waldweg an den Volksdorfer Teichwiesen,
den Erhalt und die Aufwertung vorhandener Lebensräume und
den Schutz von Gewässern vor schädlichen Einträgen (und das nicht nur an den Teichwiesen).

Hamburg entscheidet Zukunft neu:

Der BUND Hamburg unterstützt die Volksinitiative „Zukunftsentscheid”, die von einem breiten Bündnis getragen wird. Im zweiten Schritt, dem Volksbegehren, kamen beachtliche 106.000 Unterschriften zusammen: Ein starkes Signal für die Volksabstimmung 2025. Der BUND ruft alle Wahlberechtigten dazu auf, im Herbst 2025 für sozialverträglichen Klimaschutz in Hamburg zu stimmen.

Autobahnneubahn in der Klimakrise: A26 Ost

Den Kampf gegen den Bau der A26 Ost setzt der BUND vehement fort und klagt gemeinsam mit dem NABU gegen dieses überflüssige, extrem teure und ressourcenverschlingende Infrastrukturprojekt. Diese Autobahn zerstört wichtige Lebensräume, widerspricht den Klimazielen des Senats, verhindert die Verkehrswende und bindet finanzielle Mittel, die für den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur dringend notwendig wären. So müssen in Hamburg in den nächsten Jahren allein über 80 Brücken saniert werden. Ein weiteres Problem: die geplante Trasse zerstört wertvolle Biotope und Torfflächen. Ein Festhalten an diesen Planungen ist völlig unverständlich und entbehrt jeglicher politischen Weitsicht und Vernunft.

Nicht eingelöste Koalitionsversprechen: Flächenversiegelung schreitet weiter voran

Der BUND begrüßt, dass der Senat mehr Wohnraum im Gebäudebestand schaffen will, sieht jedoch Umsetzungsdefizite. Allein 65,7 Hektar Büroflächen standen 2023 leer. Solche Potenziale sollten an erster Stelle genutzt werden, anstatt neue Baugebiete auf der grünen Wiese zu erschließen. Der BUND fordert seit langem eine Netto-Null-Strategie für den Flächenverbrauch. Für jede neu versiegelte Fläche muss demnach eine bereits versiegelte entsiegelt werden.

Leider bleibt der Senat seine im Koalitionsvertrag angekündigte Entsiegelungsstrategie bis heute schuldig. Weder wurden Maßnahmen und Ziele dafür benannt noch die Finanzierung sichergestellt. In Zeiten von Starkregenereignissen, Hitze und Artensterben ein ebenso sträfliches Versäumnis wie das Versiegeln von Flächen in Überschwemmungsgebieten!

Vernachlässigter Torf- und Moorschutz

Torfböden sind wichtige potenzielle CO2-Speicher und müssen daher im Kampf gegen die Klimakrise dringend wieder vernässt werden. Hier sieht der BUND eine große Chance, denn Hamburg verfügt über wertvolle Torfböden. Doch statt sie wieder zu vernässen, baggert Hamburg die Torfe, die beim Bau der A 26 West anfallen, ab. Teils werden sie unter der Trasse verbaut, teils sie in Endlager gepackt, von denen heute niemand sagen kann, ob sie dort dauerhaft gelagert werden können, ohne klimaschädliche Gase wie Methan oder CO2 auszugasen. Auch beim Bau der A 26 Ost soll so mit den dort vorhandenen Böden umgegangen werden. Der BUND fordert endlich eine echte Strategie zum Schutz und Erhalt von Torfböden in Hamburg.

EU-Wiederherstellungsverordnung: Ein großer Erfolg für Natur und Mensch

Die Wiederherstellungsverordnung der EU wurde im Sommer 2024 gegen massive Widerstände der europäischen EVP verabschiedet. Sie zielt auf die Wiederherstellung von Ökosystemen wie Moore, Wälder und Auen aber auch Städtischen Grüns ab, um die biologische Vielfalt zu erhalten.

Intakte Natur ist die Grundvoraussetzung für die menschlichen Lebensgrundlagen. Ob Ernährungssicherheit, Hitze- und Hochwasserschutz, sauberes Wasser – all das ist nur mit intakten Ökosystemen dauerhaft vorhanden. Da die überwiegende Zahl der Ökosysteme innerhalb der EU bereits geschädigt ist, ist ihre Wiederherstellung unabkömmlich – auch in Hamburg und ganz besonders in der Klimakrise. Beispielsweise, weil intakte Böden und Moore CO₂ speichern können und gesunde Natur widerstandsfähiger ist gegen die Folgen der Klimakrise.

Fazit und Ausblick

Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg:

„Der Rückblick auf das Jahr 2024 zeigt wieder einmal, dass dort, wo man der Natur eine Chance gibt, auch Erfolge sichtbar werden. Leider entscheidet und handelt der Senat viel zu oft widersprüchlich und zu Lasten der Natur. Die guten Lösungen gegen die Klimakrise und das Artensterben liegen auf dem Tisch, sie müssen nur endlich konsequent angewandt und genutzt werden. Der BUND ist und bleibt dafür ein wichtiger Mahner und zuverlässiger Partner. Denn dann profitieren Mensch und Natur.”

Pressemitteilung BUND Hamburg

Foto: Bauen auf Grünflächen ist in Hamburg weiter im Trend. Wie hier in Bergstedt (2010) © wuz

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