Klimaplan des Senats: Abhängigkeit und Mutlosigkeit

„Es ist immer die Politik des Senats, nichts zu versprechen, was er nicht halten kann“, verkündete Umweltsenator Jens Kerstan zu Beginn der heutigen Landespressekonferenz zur zweiten Fortschreibung des Hamburger Klimaplans. „In eine solche Schieflage schießt der Senat jedoch mit Vollgas, wenn man die angekündigte 70-%-Reduktion von Kohlendioxid bis 2030 mit den vorgestellten Maßnahmen vergleicht“, so das Fazit von Lucas Schäfer, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

 

Schäfer kritisiert, dass der Senator einerseits Hamburgs Abhängigkeit vom bundesweiten Strommix betont, andererseits aber beklagt, dass beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu wenig vorangehe.

„Das Hauptproblem ist, dass ohne ausreichendes Angebot an grünem Strom und ohne konsequente Einsparmaßnahmen die Umstellung auf Wasserstoff uns strombasierte Techniken nur mit massiven Importen oder mit dem Weiterbetrieb von Kohle- und Atomkraftwerken funktionieren wird“, so Schäfer.

Aus Sicht des BUND präsentiert Kerstan einen schwachen, der Koalition mit der SPD geschuldeten Senatskompromiss. „Der Senat traut sich bei der Fortschreibung des Klimaplans praktisch kaum etwas zu. Die von Bürgermeister Tschentscher persönlich geführte Kommission zu Klimafragen gibt ambitionierte Ziele aus und bügelt gleichzeitig sämtliche ambitionierten Maßnahmenvorschläge, auch die aus der Umweltbehörde, ab. Wo bleibt die Photovoltaikpflicht für Um- und Neubauten auf mindestens 30 Prozent der jeweiligen Dachflächen oder ein echter CO2-Schattenpreis in sämtlichen Wirtschaftsbereichen?“, fragt der BUND-Geschäftsführer.

Der BUND kritisiert weiterhin, dass es beim Ausbau der Windkraft in Hamburg nur schleppend vorangeht. Massiver Personalmangel in der Umweltbehörde durchkreuze sämtliche politischen Ambitionen. Auch die Umstellung auf eine kohlefreie Wärmeversorgung sei im Rückstand, es wäre dafür mindestens ein 50-Prozent-Anteil an industrieller Abwärme bis 2030 notwendig.

„Die geradezu dramatische Dringlichkeit, die Kerstan in Bezug auf den Umbau aller Sektoren für notwendig hält, muss endlich in einem rot-grünen Schulterschluss angegangen werden. Derzeit verbaut sich der Senat wirksame Maßnahmen aus parteipolitischen Erwägungen“, schließt Schäfer.

Pressemitteilung BUND Hamburg


NABU-Kommentierung zu Eckpunkten des neuen Klimaplans (LPK)

Siegert: „Noch kein Plan vom Klimaplan“

Umweltsenator Jens Kerstan hat heute auf der Landespressekonferenz Eckpunkte zur Zweiten Fortschreibung des Hamburger Klimaplans vorgestellt. Der NABU Hamburg begrüßt die Idee, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Während die Analyse der veränderten Rahmenbedingungen vollkommen richtig ist, bleiben die vorgestellten Eckpunkte allerdings leider viel zu unkonkret. Momentan verschweigt der Senat noch die großen Herausforderungen, die auch auf die Bevölkerung zukommen werden.

Dazu Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg:

„Noch gibt es keinen Plan vom Klimaplan. Um die Klimaziele zu erreichen braucht es die klimapolitische Bazooka. Warme Worte reichen so langsam nicht mehr, um einen immer wärmeren Planeten schönzureden. Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu erwarten, dass Industrie, Gewerbe und private Haushalte sich von sich aus bewegen, sollte die Stadt lieber das machen, worauf sie selber Einfluss nehmen kann: Solaranlagen auf alle städtischen Gebäude, auf Parkplätze und andere versiegelte Freiflächen.

Zudem brauchen wir eine radikale Reduzierung des Verkehrs. Weil das sehr schnell passieren muss, wird es ohne ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht funktionieren. Das verschweigt der Senat zum jetzigen Zeitpunkt. Der Fokus auf die Entwicklung von grünen Wasserstoff ist gut und sinnvoll. Dass aber ausgerechnet eine in Bau und Betrieb extrem klimaschädliche Autobahn die Pläne für eine großflächige Wasserstoffentwicklung im Hafen verhindert, ist klimapolitische Satire. Stattdessen muss der Senat ernsthaft mit dem Bund sprechen und die Autobahn als eine wesentliche Klima-Maßnahme abbestellen. Das kann der Senat kostengünstig und mit positiver Klimawirkung sofort umsetzen.“

Pressemitteilung NABU Hamburg


Eckpunktepapier Klimaplan: Maßnahmenbündel in verschiedenen Sektoren zur schnelleren CO2-Reduktion

Der Hamburger Senat hat heute das Eckpunktepapier zur Zweiten Fortschreibung des Klimaplans vorgestellt und neue Klimaschutzziele für Hamburg beschlossen. Diese basieren auf einer Szenarien-Entwicklung des Hamburg Instituts in Zusammenarbeit mit Prognos und dem Öko-Institut. Durch eine Vielzahl von Hebelmaßnahmen verschiedener Sektoren will Hamburg bis 2030 die CO2-Emissionen um 70 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren. Bis 2045 strebt die Stadt eine Emissionsminderung von mindestens 98 Prozent an, um damit CO2-neutral zu werden.

Für die vier Sektoren Industrie, Gewerbe-Dienstleistung-Handel (GHD), Private Haushalte (PHH) und Verkehr hat der Senat zusammen mit den Gutachter:innen rund 40 Maßnahmenbereiche identifiziert und deren CO2-Einsparungspotential ermitteln lassen. Danach soll der Sektor Private Haushalte (inklusive Gebäude) den Ausstoß bis 2030 um weitere knapp 1,7 Mio. Tonnen CO2 senken, der Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen um 1,7 Mio. Tonnen, die Industrie um 2,2 Mio. Tonnen und der Verkehr um rund 820.000 Tonnen (jeweils ausgehend von 2020). Rund 600.000 Tonnen CO2-Einsparung sind keinem Sektor direkt zugeordnet, sondern sollen als Gemeinschaftsleistung bis 2030 erbracht werden.

Neben schon laufenden und neu zu entwickelnden Maßnahmen in den Sektoren wird der fortgeschriebene Klimaplan auch sektorübergreifende Wirkungsfelder enthalten. So werden unter dem Motto „Klimafreundliche Stadt“ die Themen Klimakommunikation und Beteiligung sowie Bildung zusammengefasst. Die Stadt versteht sich zudem als Vorbild. Dazu soll das Ziel einer bis 2030 CO2-neutralen Verwaltung weiterverfolgt und der Klimaschutz in den öffentlichen Unternehmen gestärkt werden. Zusammen mit den Bezirken setzt der Senat auf eine klimagerechte Stadtwicklung schon bei den Quartiers- und Fachplanungen.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Das Eckpunktepapier zur Zweiten Fortschreibung des Klimaplans steht auf einem festen wissenschaftlichen Fundament. Die Ziele, die Hebelmaßnahmen sowie deren grundsätzliche Machbarkeit haben wir von renommierten Instituten untersuchen lassen und zusätzlich die Expertise aus verschiedenen Fachbehörden eingebunden. Da die Klimakrise deutlich schneller voranschreitet und härter ausfällt als zunächst prognostiziert, wollen wir den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 reduzieren und sind damit noch etwas ehrgeiziger als der Bund. 2045 und damit fünf Jahre schneller als bislang vorgesehen, soll ganz Hamburg CO2-neutral leben und wirtschaften. Grundlegend ist dabei, dass wir alle – Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bürger:innen – gemeinsam mit aller Kraft am gleichen Strang ziehen. Denn Hamburg kann diese Aufgabe nicht allein bewältigen, wir sind darauf angewiesen, dass gerade auch der Bund seine Ziele umsetzt. Mit der neuen Bundesregierung und den gründlichen und umfassenden Vorarbeiten in Hamburg stehen die Zeichen gut, dass wir jetzt schneller vorankommen können. Wir werden alles dafür tun, unseren Beitrag zu leisten: Gebäude müssen modernisiert und die Verkehrswende weiter vorangebracht werden. Viele Hamburger Industrieunternehmen haben sich bereits verpflichtet, die Prozesse effizienter zu gestalten und weiter zu dekarbonisieren – genau wie bei der Fernwärme. Hier sind wir auf einem guten Weg, der neue Energiepark Hafen nimmt Gestalt an und der Brennstoffwechsel im Kraftwerk Tiefstack ist beschlossen und wird durch technologische Weiterentwicklungen wie der größten Flusswärmepumpe ergänzt. Mit unseren öffentlichen Unternehmen treiben wir die Energie- und Wärmewende voran und nehmen dabei bundesweit eine Vorreiterrolle mit vielen nationalen Leuchtturmprojekten ein. Nun gilt es, in den nächsten Monaten das Eckpunktepapier in einen detaillierten Klimaplan mit konkreten Maßnahmen zu übersetzen, damit wir im Klimaschutz weiter nachlegen können.“

Der CO2-Ausstoß Hamburgs betrug im Jahr 1990 rund 21 Mio. Tonnen und soll bis 2030 auf 6,1 Mio. Tonnen reduziert werden. Da die CO2-Emissionen bis 2020 bereits um rund 36 Prozent auf 13,5 Mio. Tonnen gesunken sind, verlangt das neue Reduktionsziel demnach eine weitere Minderung um rd. 7 Mio. Tonnen bis 2030.

Mit den vorgestellten Eckpunkten sind die Weichen für die Zweite Fortschreibung des Klimaplans gestellt. Die Drucksache zum Eckpunktepapier finden Sie hier.

Anfang des nächsten Jahres startet die Beteiligung der Öffentlichkeit, auch hier geht der Senat neue Wege und setzt erstmals auch auf eine breite Online-Beteiligung. Insbesondere von den Stakeholdern in Wirtschaft und Verbänden, aber auch von der interessierten Öffentlichkeit erhofft sich der Senat weitere Anregungen zu Maßnahmenvorschlägen für den Klimaplan.

Die Bedeutung des Themas Klimaschutz wird auch mit Blick auf den neuen Doppelhaushalt 2023/2024 deutlich. Derzeit sind rund zwei Milliarden Euro für Klimaschutz und klimagerechte Mobilität vorgesehen. Der weitere Mittelbedarf bis 2030 wird auch Thema bei der Erstellung des fortgeschriebenen Klimaplans und der erforderlichen Maßnahmen sein.

Der Klimaplan soll bis Mitte des nächsten Jahres vorliegen. Parallel erfolgt auch die Novellierung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes, das die neuen Klimaziele nach Befassung der Bürgerschaft gesetzlich festlegt.

Beispiele Hebelmaßnahmen des Eckpunktepapiers

Sektorübergreifend u. a.: Dekarbonisierung und Ausbau der Fernwärme sowie die Dekarbonisierung des Bundestrommix, Bereitstellung von grünem Wasserstoff.

Private Haushalte u. a.: Energetische Sanierung der Gebäudehüllen, Optimierung der Gebäudeanlagentechnik, Umstellung der Wärmeversorgung auf Wärmepumpen /Fernwärme, Klimaneutraler und ressourcenschonender Neubau.

Industrie u. a.: Energetische Prozessoptimierung, betriebliche Abwärmenutzung, Umstellung von Prozesswärme auf Strom, H2/E-Fuels, Erneuerbare Energien

Gewerbe, Handel, Dienstleistungen u. a.: Effizienzmaßnahmen bei Prozessenergie, Dekarbonisierung der Prozessenergie, Energetische Sanierung der Gebäudehüllen, Optimierung der Gebäudeanlagentechnik, Umstellung der Wärmeversorgung auf Wärmepumpen/Fernwärme.

Verkehr u. a.: Modal Shift zum Umweltverbund, Elektrifizierung der Fahrzeugflotten, Einsatz von H2 und E-Fuels.

Pressemitteilung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA)


Zweite Fortschreibung des Klimaplans

Domm: „Die neuen Eckpunkte sind wegweisend“

Im Rahmen der heutigen Landespressekonferenz hat Umweltsenator Jens Kerstan die Eckpunkte zur Fortschreibung des Hamburger Klimaplans vorgestellt. Damit stehen die Rahmenbedingungen für die einzelnen Maßnahmen des neuen Klimaplans zur Erreichung des Reduktionsziels von 70 Prozent CO₂ bis 2030 gegenüber 1990. Die Grüne Fraktion begrüßt die vom rot-grünen Senat ausgearbeiteten Überarbeitungspläne, deren Konkretisierung sie in den nächsten Monaten begleiten wird.

Dazu Rosa Domm, klimapolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Hamburg: „Klimaschutz bedeutet soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und zugleich Freiheit für die kommenden Generationen. Die nächsten acht Jahre sind daher zentral und zweifellos entscheidend für die Zukunft des Planeten und im globalen Kampf um das 1,5-Grad-Ziel. Als Grüne haben wir uns intensiv dafür eingesetzt, dass Hamburg bis 2030 70 Prozent seines CO₂-Ausstoßes reduziert und so seine globale Verantwortung wahrnimmt. Für die Erreichung dieses Ziels sind die Eckpunkte des neuen Klimaplans nun wegweisend. Sie zeigen, basierend auf einem Gutachten von namenhaften Instituten, welche vielfältigen Maßnahmen Hamburg zum Ziel bringen können, wenn wir sie konsequent umsetzen. Dazu zählen der Einbau von Wärmepumpen und der Ausbau des Ladesäulennetzes für E-Autos sowie einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung. Es ist sehr sinnvoll, dass bei der konkreten Ausgestaltung dieser Maßnahmen ab Anfang des neuen Jahres auch die Hamburger*innen durch eine Bürger*innenbeteiligung in den Prozess integriert werden. Auch wir als Regierungsfraktion werden die Fortschreibung intensiv begleiten. Bewusst sein muss uns aber auch: Allein auf Landesebene ist die Klimakrise nicht lösbar. Hamburg braucht weiterhin eine Bundesregierung, die massiv in die Klimawende investiert, gesetzliche Grundlagen für mehr Klimaschutz ermöglicht und Kommunen bei der Verkehrs- sowie Energiewende unterstützt.“

Pressemitteilung Grüne Bürgerschaftsfraktion


Senat stellt Eckpunkte für Klimaplan vor: „Ambitionierten Klimaschutz mit konkreten Maßnahmen hinterlegen“

In der heutigen Landespressekonferenz hat der Senat die neuen Hamburger Klimaziele sowie das Eckpunktepapier für die zweite Fortschreibung des Hamburger Klimaplans vorgestellt. Hamburg wird damit beim Klimaschutz noch ambitionierter: Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 70 Prozent statt bisher um 55 Prozent reduziert werden. Bis 2045 soll Hamburg klimaneutral sein. Mit dem Eckpunktepapier wird zudem der Rahmen gesetzt, um die einzelnen konkreten Maßnahmen für die zweite Fortschreibung des Klimaplans ausarbeiten zu können.

Dazu Alexander Mohrenberg, Sprecher für Umwelt, Klima und Energie der SPD-Fraktion Hamburg: „Dass wir in Hamburg noch ambitionierter beim Klimaschutz sein wollen und deshalb die Klimaziele anheben, ist eine gute Nachricht. Wichtig ist für uns aber immer, dass wir die Ziele auch mit konkreten Maßnahmen hinterlegen können, sodass klar wird, wie wir die Ziele erreichen können. Das Eckpunktepapier ist hierfür ein guter erster Schritt, da es die zentralen Stellschrauben und Hebelmaßnahmen für die unterschiedlichen Sektoren benennt. Es ist gut, dass der Erste Bürgermeister den Prozess auf die konkrete Umsetzung der klimapolitischen Ziele mit vorantreibt. Jetzt wird es darum gehen, die Einzelmaßnahmen zu konkretisieren und die zweite Fortschreibung des Klimaplans zu finalisieren. Nur konkreter Klimaschutz, nicht abstrakte Zieldebatten helfen weiter. Hierzu beitragen kann auch das nun anstehende Beteiligungsverfahren. Dabei müssen wir insbesondere mit Handwerk, Innungen und Industrie reden. Wichtig ist, dass auch das Klimaschutzgesetz zeitnah vorgelegt wird, sodass wir hoffentlich nach dem Sommer mit den parlamentarischen Beratungen starten können. Dass Hamburg ambitioniert voran geht, wird beim Klimaschutz jedoch nicht ausreichen: Auch der Bund muss seine klima- und energiepolitischen Ziele erreichen.“

Pressemitteilung SPD Bürgerschaftsfraktion

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