Klimaschutz+Energiegarantie nicht gegeneinander ausspielen

Der Entwurf des LNG-Beschleunigungsgesetzes verstößt gegen das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot und weitere wichtige gesetzliche Vorgaben. Die geplante Betriebserlaubnis für bis zu elf Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland bis zum Jahr 2043 wäre für so erhebliche CO2-Emissionen verantwortlich, dass sie nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem deutschen Bundesklimaschutzgesetz und dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist.

 

Eine neue rechtliche Bewertung im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass eine pauschale Ausnahme von Umweltprüfungen für insgesamt bis zu 18 Vorhaben (elf Terminals plus sieben Anschlusspipelines) europarechtlich gar nicht zulässig ist. Und der Gesetzentwurf soll Planrechtfertigung und Eilbedarf für alle 18 LNG-Vorhaben qua Gesetz festschreiben, obwohl ein Eilbedarf selbst nach Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums nur für zwei Vorhaben besteht. Die DUH fordert deshalb anlässlich der heutigen ersten Lesung des Gesetzes die Abgeordneten des Bundestages auf, diesen Gesetzentwurf entscheidend abzuändern.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Es ist richtig, dass sich die Bundesregierung angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands in der Ukraine um eine Verbesserung der Energiesicherheit bemüht. Sollten dazu temporär tatsächlich zwei schwimmende Terminals notwendig sein, müssen diese unter Einhaltung des Klimaschutzgebots und aller wichtigen gesetzlichen Vorgaben so umweltschonend wie möglich entstehen. Die andere große Krise unserer Zeit, die Klimakrise, darf nicht ignoriert werden. Der Gesetzentwurf zur Beschleunigung der LNG-Projekte enthält Vorschläge, die dem Klimaschutz maßgeblich schaden – aber gar keine Verbesserung der Energiesicherheit herbeiführen. Dies gilt vor allem für die landseitigen Terminals: Diese werden mit den langen Bauzeiten im Gegensatz zu schwimmenden Terminals kurzfristig ohnehin nicht zur Verfügung stehen können, dafür aber langfristig unsere Abhängigkeit von fossiler Energie festschreiben. Die landseitigen Terminals müssen in jedem Fall von dem LNG-Beschleunigungsgesetz ausgeklammert werden, ansonsten gießt dieses Gesetz unsere Abhängigkeit von fossilem Gas bis weit in die 2040er Jahre in Zement. Die Abgeordneten des Bundestags dürfen dem nicht blind zustimmen. Wir fordern sie auf, dieses Gesetz grundlegend zu überarbeiten.“

Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert, das Gesetz mindestens in entscheidenden Passagen zu verändern:

Es darf nur auf schwimmenden Terminals angewendet werden, da landseitige Terminals gar nicht kurzfristig gebaut und damit auch nicht zur Bewältigung der Energiekrise beitragen können.
Die Betriebsgenehmigungen dürfen maximal bis Ende 2034 laufen, da spätestens dann der Ausstieg aus Erdgas zum Erreichen von Klimaneutralität 2045 beginnen muss.
Es muss vorgeschrieben werden, dass alle Terminals für eine spätere Nutzung von grünem Wasserstoff oder seiner Folgeprodukte vorbereitet sind.

Außerdem muss das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium endlich eine nachvollziehbare Bedarfsplanung für fossiles Gas vorlegen, die zeigt, welche zusätzlichen Investitionen in neue fossile Infrastruktur unter Ausschöpfung aller Alternativen notwendig sind.

Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin und Autorin der Bewertung: „Die gegenwärtige Ausnahmesituation sowie das Gebot, Importe fossiler Energieträger aus Russland schnellstmöglich zu beenden, und die Notwendigkeit der Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland stehen außer Frage. Verfassung, Unionsrecht und das Rechtsstaatsprinzip gelten allerdings auch in Krisenzeiten. Gerade in einem Ausnahmezustand muss die Exekutive mit Augenmaß agieren, auch in einem Ausnahmezustand ist sie an den Rahmen gebunden, den das übergeordnete Recht vorgibt. Der beabsichtigte Ausschluss der Zivilgesellschaft von effektiver Verfahrensbeteiligung und der Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes ist geeignet, geradezu den Eindruck zu vermitteln, dass auch gegen übergeordnetes Recht verstoßende Vorhaben durchgesetzt werden sollen.“

Im Naturschutzrecht würden durch das Gesetz grundlegende Normen außer Kraft gesetzt, die jedoch gar nicht zu einer Verhinderung oder auch nur Verzögerung der Projekte führen könnten. Die Beschneidung der Beteiligungs- und Klagerechte von Anwohnern und Umweltverbänden in dem Gesetzentwurf ist zudem beispiellos. Die voraussichtlich mehrere Tausend Seiten starken Genehmigungsunterlagen sollen nur noch für eine Woche, teils sogar nur für vier Tage ausgelegt werden, die vorgesehene Einwendungsfrist soll bereits eine Woche später enden. Dies macht eine effektive Bürgerbeteiligung, zu der Europarecht sowie die Aarhus-Konvention die Bundesregierung verpflichten, praktisch unmöglich. Mit einem LNG-Beschleunigungsgesetz in der vorliegenden Fassung würden Fakten geschaffen, die einen gefährlichen Präzedenzfall für die Beschneidung dieser Rechte auch in anderen Bereichen schaffen.

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat immer wieder öffentlich versprochen, dass die Terminals so früh wie möglich für Wasserstoff genutzt und entsprechend bereits gebaut und geplant werden sollen. Dies war offenbar eine leere Tatsachenbehauptung: Im Entwurf des LNG-Gesetzes befinden sich überhaupt keine Vorgaben zur wasserstofffähigen Planung der Anlagen. Im Gegenteil wird sogar noch eine Bestandsgarantie für die Nutzung von fossilem Gas bis 2043 gegeben. Diese Frist muss mindestens auf Ende 2034 vorgezogen werden. Ansonsten wird die Energiewende zu Gunsten der Interessen der Gas-Lobby und eines möglichst langfristigen Imports von fossiler Energie aufgegeben.“

Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe

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