Koalitionsvertrag braucht Konsequenzen

BUND fordert Moratorium für Autobahnplanungen in Hamburg / Hafenkooperation bietet Chance für Naturschutz
Der BUND Hamburg sieht im Titel des Koalitionsvertrags der Bundesparteien einen klaren Auftrag, den Grüne, FDP und SPD jetzt erfüllen müssen. Dies beinhalte auch eine klare Verantwortung für die Hamburger Regierung, die jetzt aufgefordert sei, auf Landesebene die Themen konkret anzugehen, die im Koalitionsvertrag benannt sind.

 

„Mehr Fortschritt wagen heißt auch, neu denken! Autoverkehr und Flüge nur auf Strom und Wasserstoff umzustellen, aber nicht zu reduzieren, löst die Probleme nicht, sondern verlagert sie nur in andere Bereiche“, so Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg.

Die BUND-Vorsitzende fordert als erste Maßnahme ein Moratorium für den Autobahnbau in und um Hamburg. Angesichts der Absicht der Koalitionäre, einen Dialogprozess zu den Prioritäten des Bundesverkehrswegeplans zu starten, dürften jetzt keine Fakten geschaffen werden. „Wenn bei der A26, der A1 und der A20 jetzt weitergeplant oder mit dem Bau begonnen wird, läuft der Dialogprozess ins Leere“, so Blömeke. Hier sei insbesondere der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks in der Pflicht, der die Verantwortung für die naturzerstörenden Planungen mehrfach öffentlich auf die Bundesebene geschoben habe.

Einen Widerspruch im Vertrag sieht der BUND in der Formulierung, dass umwelt- und klimaschädliche Subventionen abgebaut werden sollen, gleichzeitig aber bei der dringend nötigen Kerosinsteuer im Flugverkehr auf eine europäische Lösung gewartet werden soll. Auch die Besteuerung von Dienstwagen nur am Stromanteil zu bemessen und nicht am tatsächlichen Energieverbrauch, sei absurd. Dies leiste dem Bau von immer größeren, schnelleren und energiefressenderen Autos Vorschub.

Im Bereich „Bauen und Wohnen“ übernehme die Ampel-Regierung vor allem die Strategie „Bauen, bauen, bauen“, die bereits in Hamburg nicht funktioniere. „Mit dem Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr wird dem Flächenverbrauch und dem Naturverlust Tür und Tor geöffnet, während eine Entspannung des Wohnungsmarktes nicht in Sicht ist“ so Blömeke.

Der BUND begrüßt die Absicht, eine Nationale Hafenstrategie zu entwickeln und die enge Zusammenarbeit der deutschen Häfen zu fördern. Dies böte die Chance, den Druck auf das Elbe-Ästuar zu verringern und die Elbe endlich als bedeutendes Gewässerökosystem wahrzunehmen und nicht nur als Schifffahrtsstraße.

Pressemitteilung BUND Hamburg


BUND-Analyse zum Koalitionsvertrag: Gute Impulse – aber nicht auf 1,5-Grad-Pfad | Wirksamkeit von Maßnahmen zum Schutz biologischer Vielfalt unklar

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) blickt mit gemischten Gefühlen auf den gestern vorgelegten Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung. „In dem 177 Seiten langen Vertrag werden ganz viele Türen einen Spalt breit geöffnet. Unklar ist jedoch, was sich dahinter verbirgt“, sagt Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. „Einerseits liefert der Text wichtige Impulse für Klimapolitik und Naturschutz. Diesen Fortschritt gegenüber der Vorgängerregierung begrüßen wir ausdrücklich. Andererseits wirkt der Vertrag an vielen Stellen wie ein Blumenstrauß an Zugeständnissen, den sich die drei Koalitionsparteien zur Feier ihrer Einigung selbst überreichen. Ein umweltpolitisches, klimagerechtes Leitbild bleibt der Koalitionsvertrag schuldig. Entscheidend wird nun sein, dass Sofortmaßnahmen hinterlegt werden und ob die Finanzierung gesichert ist. Denn die umweltpolitischen Projekte stehen auf finanzpolitisch wackeligen Beinen.“

Eine BUND-Analyse ordnet die von den künftigen Ampel-Koalitionären getroffenen Vereinbarungen ein. Der BUND erwartet sowohl von SPD, Grünen und FDP die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Das Pariser Abkommen wurde im Bundestag einstimmig beschlossen und ist völkerrechtlich verpflichtend.

Die Ampel sieht sich mit dem Koalitionsvertrag auf dem 1,5-Grad-Pfad. Der BUND sieht das hingegen mit großer Skepsis: Zwar sind die Ausbauziele der erneuerbaren Energien gut, jährliche Ausbaupfade für Onshore und Solar fehlen jedoch. Der Offshore-Ausbau ist naturverträglich so nicht umsetzbar. Eine systemische Einsparung von Energie entlang der Sektoren fehlt, die angestrebte Klimaneutralität 2045 ist für 1,5 Grad zu spät. Eine herbe Enttäuschung sind mit Blick auf die angestrebte Klimaneutralität die Vereinbarungen zum Verkehrssektor, zu Wasserstoff und zum Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Insbesondere das von der Handschrift der FDP geprägte Vertragskapitel Verkehr bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. So gelingt die Mobilitätswende nicht. ÖPNV, Bahn, Fuß- und Radverkehr müssen im Fokus stehen. E-Autos müssen klein, leicht und sparsam sein, energie- und ressourceneffizient bei Herstellung, Betrieb und Recycling der eingesetzten Rohstoffe. Auch E-Autos werden nicht mehr im Zentrum von Mobilität stehen können. Es braucht weniger Autos. Der angekündigte Dialogprozess zum Fernstraßenbau muss jetzt schnell handlungsfähig werden. Bis dahin laufende Projekte müssen gestoppt werden.

Ein Lichtblick ist die Agrarpolitik. Hier hat die Ampelkoalition einen ambitionierten Einstieg in den Umbau der Tierhaltung vorgelegt, den es nun im Geiste der Zukunftskommission Landwirtschaft zu gestalten gilt. Auch der Glyphosat-Ausstieg Ende 2023 findet sehr konkret Niederschlag, wohingegen die Vereinbarungen zur Pestizidreduktion schwammig bleiben. Der Naturschutz im Koalitionsvertrag startet mit großen Reparatur-Ambitionen, um die Blockadehaltung der vergangenen 16 Jahre zu überwinden. Langjährige BUND-Forderungen, wie die deutliche Stärkung der Naturschutzfinanzierung, finden sich wieder. An konsequenten Maßnahmen, um die Treiber für die Natur-Zerstörung abzustellen, mangelt es dagegen.

Der BUND begrüßt die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte im Ressourcenschutz. Der Vertrag hält an einer Senkung des primären Rohstoffverbrauchs fest und will dazu den bestehenden rechtlichen Rahmen anpassen, klare Ziele definieren und abfallrechtliche Vorgaben überprüfen. Dies ist ein starker Erfolg der ressourcenpolitischen Arbeit des BUND.

Sorge bereiten dem BUND die Äußerungen zur Planungsbeschleunigung. Wir begrüßen die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die wir selber schon lange fordern. Sinnvolle Maßnahmen sind etwa Personalaufstockungen in zentralen Behörden und eine frühzeitige Beteiligung von Bürger*innen. Daneben finden sich aber auch Maßnahmen, die mit einem naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren in Widerspruch zu stehen scheinen und die wir kritisch begleiten werden. Um den Strombedarf naturverträglich und risikoarm, also erneuerbar decken zu können, braucht es verlässliche Ausbaupfade. Zudem muss die Ampel mit dem Wachstumsparadigma und einem „Schneller, Höher, Weiter“ in der energieintensiven Industriepolitik brechen.

Bandt: „Die Ampel tritt mit dem Anspruch an, Klimakrise und Artensterben zu stoppen. Die teils wachsweichen Formulierungen im Koalitionsvertrag müssen nun unverzüglich mit konkreten Maßnahmen gefüllt werden. Es gibt noch viele offene Fragen, auf die es jedoch nur eine grundsätzliche Antwort gibt: Deutschland muss alles dafür tun, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen und das Artensterben zu stoppen.“

Pressemitteilung BUND

Mehr Infos: https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/kommentar-zum-koalitionsvertrag-wichtige-impulse-fuer-klimapolitik-und-naturschutz-wir-werden-die-regierung-an-der-umsetzung-messen/

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